
Rund um den Brustring
·27. Juli 2025
Neu im Brustring: Chema Andrés

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·27. Juli 2025
Der VfB bedient sich in dieser Sommerpause nicht nur beim FC Barcelona, sondern auch beim großen Rivalen Real Madrid — allerdings auch hier in der Nachwuchsabteilung: Der defensive Mittelfeldspieler Chema Andrés wechselt wie Noah Darvich aus der dritten spanischen Liga, aber immerhin mit ein paar Profi-Minuten in den Beinen, nach Stuttgart. Wir stellen Euch den Neuzugang vor.
Die Nachricht, dass Fabian Wohlgemuth erstmal von einer Verpflichtung des zu teuren und überdies aktuell verletzten Caspar Jander Abstand nehmen würde, war noch nicht so alt, da tauchte Ende vergangener Woche direkt der Name eines anderen defensiven Mittelfeldspielers auf — den die meisten VfB-Fans, wie so häufig in den letzten Jahren, nicht unbedingt kannten: Chema Andrés. Er kommt von unserem letztjährigen Champions League-Gegner Real Madrid, war aber bisher vor allem für die Nachwuchsmannschaften und die zweite Mannschaft in der dritten Liga im Einsatz. Das erinnert an Noah Darvich, der vergangene in der gleichen Ligastufe, aber nicht in der gleichen Liga aktiv war. Andrés kam aber immerhin auch auf ein paar Einsätze im Profikader der Madrilenen, zudem hielt Real Madrid Castilla anders als FC Barcelona Atlètic die Klasse. Erneut findet also ein großes Talent den Weg nach Stuttgart, für eine überschaubare Ablöse, aber dem Vernehmen nach durch eine Rückkaufoption weiterhin mit Bindungen nach Madrid. Um herauszufinden, was wir von Andrés in der kommenden Saison erwarten können, haben wir uns mit Alejandro Diago unterhalten, ein spanischer Journalist bei OneFootball (wo auch unsere Artikel erscheinen), der in Berlin lebt.
José María Andrés Baixauli wurde am 25. April 2005, also vor etwas mehr als 20 Jahren, in Valencia geboren, lernte das Kicken aber nicht beim Clúb de Futbol, sondern zunächst bei einem Vorortverein und später beim Lokalrivalen UD Levante. 2018 wechselte er dann in den Nachwuchs von Real Madrid, wo er schließlich vier Jahre später in die U19 der Königlichen aufstieg. Zu diesem Zeitpunkt, so Alejandro, habe man auch gemerkt, dass sein Talent etwas größer sein könnte als das seiner Mitspieler. Unter Trainer Alvaro Arbeloa sei er Teil des Madrider Nachwuchs-“Systems” geworden und spielte in der A‑Jugend auch eine zentrale Rolle. Mit der lief er nicht nur in den lokalen Nachwuchsligen auf, sondern auch zwei Spielzeiten in Folge in der Youth League. 2023 scheiterte Real nach einem Sieg im Achtelfinale gegen Salzburg eine Runde später überraschend deutlich mit 0:4 gegen den späteren Sieger Alkmaar, 2024 war ebenfalls im Viertelfinale Schluss, diesmal gegen die AC Milan, die das Finale gegen Olympiakos. Andrés absolvierte in beiden Spielzeiten fast jedes Spiel und steuerte beim 6:0 gegen Napoli sogar ein Tor und eine Vorlage bei.
Für Arbeloa sei Andrés ein Schlüsselspieler gewesen, so Alejandro, auch beim Gewinn der Copa de Campeones de Liga Juvenil und der Copa del Rey Juvenil de Fútbol 2023, also dem Double aus A‑Jugend-Meisterschaft und ‑Pokalsieg. Zudem kam er gegen Ende der Saison 2023/2024 noch auf drei Einsätze in der drittklassigen zweiten Mannschaft Reals unter Trainer Raúl.
In der vergangenen Saison wurde er unter dem ehemaligen Weltstar zum Stammspieler in der Primera Federación, die Real Madrid Castilla auf Platz 6 abschloss. Er stand in 32 von 38 Ligaspielen in der Startelf und spielte meist durch. Nachdem ihn zu Saisonbeginn eine Knöchelverletzung zurückwarf, habe er sich auch in der zweiten Mannschaft schnell als wichtiger Spieler etabliert, erklärt Alejandro. Er und Rechtsaußen Gonzalo Garcia seien die Schlüsselspieler für Raul in der vergangenen Saison gewesen. Da ließen natürlich auch Nominierungen für die Profimannschaft der Königlichen nicht mehr lange auf sich warten, auch wenn seine Einsatzzeiten mit 27 Minuten gegen Viertligist Deportiva Minera in der dritten Pokalrunde sowie sieben La Liga-Minuten gegen Las Palmas Anfang dieses Jahres eher überschaubar waren. Immerhin stand er zudem in verschiedenen Wettbewerben im Kader, unter anderem auch beim kürzlich beendeten Infantino-Pokal. Dass es nicht zu mehr Spielzeit reichte, lag laut Alejandro zudem an der naturgemäß großen Konkurrenz im zentralen Mittelfeld, aber auch daran, dass er mit seinen Fähigkeiten nicht so wirklich in Carlo Ancelottis System passte. Das scheint sich auch unter Xabi Alonso nicht geändert zu haben.
Aber welche Fähigkeiten sind das, die zum VfB scheinbar besser passen als zu Real Madrid? Alejandro beschreibt ihn als einen sehr robusten Spieler mit einer beindrucken physischen Präsenz, der ein gutes Spielverständnis habe — Andrés misst immerhin auch 190 Zentimeter. Er vergleicht ihn mit Rodri, mir kommen da zudem Erinnerungen an Zvonimir Soldo, auch wenn man die Spieler in Sachen Erfahrung und Qualität und über 20 Jahre natürlich schwer vergleichen kann. Andrés versuche zudem häufiger, mit Distanzschüssen gegnerische Torhüter zu überraschen. Unter Raul spielte durchgängig in einem 4–2‑3–1 auf der Doppelsechs, dabei aber grundsätzlich den eher defensiveren Part — beim VfB aktuell die Rolle von Atakan Karazor. Eine symbolträchtige Position in Spanien, so Alejandro, nach den Erfolgen, die Spieler wie Busquets oder Rodri in der Nationalmannschaft gefeiert haben. A‑Jugend-Trainer Arbeloa habe neben langen Bällen auch viel auf Ballbesitz gesetzt, was Andrés sehr entgegen kam. Als Schwäche sieht unser Experte noch seinen Mangel an Erfahrung.
Auch in der Nachwuchs-Nationalmannschaft nehme Andrés eine wichtige Rolle ein, im vergangenen Sommer führte er Spanien U19 zum Europameister-Titel, aktuell sei er auf dem Sprung in die U21-Nationalmannschaft — abhängig davon, wie er sich beim VfB entwickle. Den Sprung in die Bundesliga sieht Alejandro auf jeden Fall als richtig an, speziell auch den Wechsel zum VfB und zu Sebastian Hoeneß, der bewiesen habe, dass er junge Spieler entwickeln kann. Zudem seien in der Bundesliga nicht nur physische Stärke, sondern auch technische Fertigkeiten wichtig, die Andrés besitze. Alejandro führt auch das Beispiel von Dani Carvajal an, der Madrid-Fans davon überzeugt habe, wie gut sich Reals Nachwuchsspieler in Deutschland entwickeln können. Für diesen Fall hat Real allem Anschein nach eine Rückkaufoption in den Kaufvertrag eingebaut. Das sei laut Alejandro die Regel bei Real, um weiter die Hand auf jungen Talenten zu haben — und auch der VfB hat sich ja in der Vergangenheit bei Matej Maglica einer solchen Klausel bedient oder sie bei Raul Paula oder Benny Boakye eingebaut. Aktuell ist das Thema auch bei Nico Paz von Como, den Real zurückholen könnte.
Andrés ist zwar nach Assignon, Darvich und Jovanovic der vierte Neuzugang des VfB in diesem Sommer, die großen Kaderbewegungen werden aber in naher Zukunft mit einem möglichen Abgang von Millot und der Verpflichtung seiner Nachfolge sowie einem möglichen millionenschweren Transfer von Woltemade und dessen Folgen noch kommen. Aktuell hat der VfB erst einmal die schwächelnde rechte Abwehrseite neu besetzt und ansonsten den etablierten Spielern im Mittelfeld junge Spieler als Herausforderer an die Seite gestellt. Auch Andrés wird sich zunächst hinter Angelo Stiller und Ata Karazor anstellen und mit Yannik Keitel um den Platz auf der Bank konkurrieren. Bei dieser Ablöse macht der VfB — trotz der Rückkaufoption, die sich je nach Entwicklung als günstig für Real erweisen könnte — erst einmal nicht viel falsch. Auch wenn man erneut die Frage stellen kann, ob man nicht gegebenenfalls einen Mirza Catovic, der ja schon auf dem Mannschaftsfoto zu sehen war, vor- und hochziehen sollte.
Andrés wirkt jedenfalls — wie so viele Talente — wie jemand, der perfekt zum VfB passt, um den nächsten Schritt zu machen. Ob das der Fall sein wird, hängt natürlich auch vom Verlauf der kommenden Saison ab. In der wird es, Millionen-Einnahmen hin oder her, übrigens auch darauf ankommen, dass die etablierten Spieler in der Lage sind, sich wieder an das Niveau der Vizemeister-Saison anzunähern und die kollektive Unsicherheit, die die Mannschaft im Frühjahr erfasste, abzuschütteln. Da können junge Spieler nicht unbedingt bei helfen, das muss die Stammelf schon alleine hinkriegen — auch um Spielern wie Andrés Raum zur Entwicklung zu geben.
Titelbild: © Denis Doyle/Getty Images
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