Münster oder Essen: Wer macht das Rennen in der Regionalliga West? | OneFootball

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·13. April 2022

Münster oder Essen: Wer macht das Rennen in der Regionalliga West?

Artikelbild:Münster oder Essen: Wer macht das Rennen in der Regionalliga West?

Lange sah es danach aus, als würde Rot-Weiss Essen sich auf souveränem Wege in Richtung erster Drittliga-Teilnahme befinden. Mittlerweile ist das Titelrennen in der Regionalliga West aber spannend wie eh und je – und fast alles deutet auf einen Zweikampf zwischen Preußen Münster und RWE hin. Zeit für einen Check.

Formkurve

Diese Kategorie geht recht eindeutig an Preußen Münster. Die Mannschaft von Trainer Sascha Hildmann – der aus seiner Zeit in Großaspach, Kaiserslautern und dem ersten Halbjahr 2020 in Münster die 3. Liga noch gut kennt – hält eine Erfolgsserie am Laufen: Zuletzt gab es vier Siege, allesamt ohne Gegentor, aus den vergangenen sieben Spielen holte der SCP 19 von 21 möglichen Punkten. Nicht eingerechnet ist der 3:0-Sieg im Landespokal-Halbfinale. Gegner dort: niemand Geringeres als Drittligist SC Verl. Noch Fragen nach der Tauglichkeit für eine höhere Spielklasse?


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Die gab es bei Rot-Weiss Essen im Saisonverlauf auch selten. Auf die 1:4-Schlappe gegen Straelen ganz zu Beginn folgten 21 Spiele ohne Niederlage, sportlich wären es noch mehr gewesen. Aber ein Böllerwurf von der Tribüne ausgerechnet im Spitzenspiel gegen Münster, der mehrere Gästespieler verletzte, kostete wichtige Punkte – es wurde 0:2 gewertet, zum Zeitpunkt des Abbruchs stand es 1:1-Remis. Es folgte eine mäßigere Phase mit "nur" 15 Zählern aus acht Partien, eine Krise lässt sich das kaum nennen. Doch gegenüber den Adlerträgern verspielte RWE in dieser Phase seinen gesamten tabellarischen Vorsprung, steht nun zwei Punkte hinter den Schwarz-Weiß-Grünen.

Qualität

Punkt RWE – zumindest bei der ersten Elf. Denn allein die individuelle Qualität eines Felix Bastians oder Thomas Eisfeld, beide einst Leistungsträger beim heutigen Erstligisten VfL Bochum, ist in der Regionalliga unerreicht. 774 Spiele Drittliga-, 428 Spiele Zweitliga- und 135 Spiele deutscher Erstliga-Erfahrung tummeln sich im Edel-Kader an der Hafenstraße. Mancher Schlüsselspieler braucht diese Vita aber gar nicht: Torjäger Simon Engelmann ist deshalb so wichtig, weil er die vierte Liga kennt wie seine Westentasche und dabei eigentlich viel zu gut ist für diese Spielklasse. 162 Tore in 301 Spielen sprechen für sich. Auch Flügelflitzer Isaiah Young, dem einzig ein guter Torabschluss fehlt, ist ein Ausnahmespieler.

Münster kann in der Spitze nicht ganz auf diesem Niveau mithalten. Muss sich aber angesichts der erfahrenen Gerrit Wegkamp, Manuel Farrona Pulido, Julian Schauerte, Luke Hemmerich, Robin Ziegele, Simon Scherder und Max Schulze Niehues auch nicht in Bescheidenheit üben. Die ganz großen Karrieren waren nicht dabei, 1.200 Spiele Drittliga-Erfahrung sind hingegen ein Pfund. Nicht wenige davon haben Spieler wie Schulze Niehues und Co. zu Münsters letzter Phase auf nationaler Ebene absolviert: Zwischen 2011 und 2020 waren die Preußen Stammgast in der 3. Liga, einige Akteure sind bis heute geblieben. Dass das Team zuletzt trotz teils starker Rotation unverändert solide agierte, zeigt, dass die Teams in der Breite mindestens auf Augenhöhe unterwegs sind.

Stärken und Schwächen

61:20 Tore stehen bei Münster, 68:30 bei Essen. Marginale Unterschiede, aus denen sich nicht viel ablesen lässt. Ja: RWE erzielt mehr. Allein elf Treffer resultierten aus einem historischen Sieg beim KFC Uerdingen, ansonsten bewegen sich die Klubs auf Augenhöhe. Mindestens genauso sticht daher die starke Abwehrleistung der Münsteraner ins Auge. Dahinter stecken unter anderem sehr gut ausbalancierte Matchpläne: Der SCP macht sein Visier nur selten komplett auf, dominiert kaum mit dem, was salopp als "Hurra-Fußball" bekannt ist. Konzentrierte Arbeit können sie aber, vor allem im Jahr 2022. Fünf Gegentore in zwölf Pflichtspielen, das in Essen ist eingerechnet, sind ein bemerkenswerter Zwischenstand.

Macht allein dies am Ende den Unterschied? Oder kann RWE am Ende seine größte Stärke noch einsetzen? Denn so vollkommen die Münsteraner wirken: Einen eiskalten Torjäger hat der aktuelle Spitzenreiter erstaunlicherweise nicht, Essen in Simon Engelmann sehr wohl. Die Adler haderten im Saisonverlauf oft mit ihrer Chancenverwertung und verpassten manch späten Sieg, den Rot-Weiss zuletzt immer wieder schaffte. Aber: Trotz starker Besetzung hat Trainer Christian Neidhart in seiner RWE-Defensive zuletzt auch Baustellen gesehen. Beim 1:1 in Aachen ließ sie eine Handvoll Hochkaräter zu. Torwart Jakob Golz hielt eine Menge – deutlich mehr als Stammkeeper Daniel Davari, dessen Fehler beim 0:2 in Ahlen Punkte kosteten und der nun auf der Bank Platz nehmen muss.

Äußere Umstände

Kleiner Vorteil für Münster: Natürlich lechzt auch das Publikum in der Studentenstadt nach der Rückkehr in die 3. Liga, die Topfavoritenrolle hatte der Sportclub aber nie inne – und ein Nichtaufstieg wäre nicht das Ende der Welt. Zumal nach Jahrzehnten derzeit am hoch sanierungsbedürftigen Stadion an der Hammer Straße endlich die Bagger anrollen, zunächst neue Trainingsplätze und in den kommenden Jahren dann auch ein modernes, zweitligataugliches Stadion entsteht. Ganz ähnlich dem, das Essen bereits besitzt. Auch den Rollenwechsel vom Verfolger zum Gejagten haben die Preußen vergangenes Wochenende ziemlich gut gemeistert.

Rot-Weiss Essen eilt dagegen der Ruf der "Unaufsteigbaren" voraus. Seit 2008 versuchen sie sich an der Rückkehr in den Profifußball, ein Jahr ging es gar aufgrund finanzieller Not bis in die fünfte Liga zurück. Mittlerweile ist das Portemonnaie im Ligavergleich stets bestens bestückt, doch spätestens im Verlauf der Rückrunde verpufften die Hoffnungen. Ob der Verein nun die Kraft aufbringen kann, sich nochmals als Jäger in Lauerstellung zu bringen? Münster hat mit Duellen gegen die Verfolger Oberhausen und Köln das allemal schwierigere Restprogramm. Zum Aufgeben ist es viel zu früh.

Das Fazit

Preußen Münster oder Rot-Weiss Essen? In der 3. Liga wäre die Vorfreude auf zweiteren Namen wohl noch etwas größer, schließlich wäre RWE ein Premierengast und verspricht einen Zuschauerschnitt von deutlich über 10.000 Besuchern, ganz unabhängig vom Gegner. Doch auch die Münsteraner sind zu groß für die Regionalliga – und waren zuletzt vor allem zu gut und konstant. Oft ist das etwas ruhigere Umfeld mit den geringeren Erwartungen in so einem Schlussspurt von Vorteil, und das liegt auf Münsteraner Seite. Nicht wegzudiskutieren sind auch die zwei Punkte Vorsprung, wo noch sechs Spiele zu gehen sind.

Rot-Weiss Essen hat wiederum das leichtere Restprogramm, bis auf den Sechsten aus Rödinghausen geht es ausschließlich gegen Abstiegskandidaten. Kurzum: Selbst ein Fotofinish mit gleicher Punktzahl ist möglich. Niederlagen werden sich die Rivalen jedenfalls kaum noch leisten, dafür sind sie zu tief drin im Aufstiegstunnel.

Die Außenseiter

Auch wenn sich das Aufstiegsrennen zu 95 Prozent zwischen den beiden Genannten abspielen wird, so sollten die restlichen Beteiligten zumindest noch erwähnt werden: Rot-Weiß Oberhausen liegt 66 Punkten aus 33 Spielen auf Rang drei, Fortuna Köln mit der gleichen Punktzahl nach 32 Spielen auf Rang vier. Und auch der Wuppertaler SV (63 Punkte, 31 Spiele) kann in einer bereinigten Tabelle bei erfolgreichem eigenem Nachholspiel auf immerhin sieben Zähler an den gegenwärtigen Spitzenreiter aus Münster heranrücken. Nur: Gibt dieser überhaupt noch so viele Punkte ab, stolpert Essen genauso? Und schaffen die weniger konstanten Verfolger ein perfektes Saisonfinale, Oberhausen und Köln spielen unter anderem noch gegen die Preußen? Es müsste vieles zusammenkommen, damit sich ein dritter Name an den beiden Schwergewichten vorbeischleicht.

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