Rund um den Brustring
·22. Dezember 2024
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·22. Dezember 2024
Beim abschließenden Heimspiel gegen St. Pauli gelingt es dem VfB diesmal nicht, nach einem unnötigen Gegentor wieder zurück zu kommen — die Leistung reicht einfach nicht gegen einen gut organisierten Aufsteiger.
Er sei nicht überrascht über den Erfolg in diesem Jahr, entgegnete Sebastian Hoeneß dem SWR-Reporter Jens Ottmann auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen St. Pauli, sondern vielmehr davon “wie negativ teilweise die Situation bewertet wird”. Und natürlich hat Hoeneß dahingehend recht, dass 23 Punkte aus 15 Spielen die beste Bilanz seit der Meisterschaft ist, vergangene Saison ausgenommen. Und natürlich spielt sowohl der eng gesteckte Terminplan, als auch die Verletzungssituation eine Rolle. Nichts davon diente aber als Erklärungsansatz dafür, dass der VfB gegen St. Pauli bis auf seinen Torhüter auf ganzer Linie enttäuschte.
Denn hinter den Akteuren lag die erste vollständige Trainingswoche mit allen gesunden Spielern seit mehrern Monaten und man musste sich unter der Woche auch in keinem anderen Wettbewerb durchsetzen. Zumal das die Mannschaft weder gegen Union — wenige Tage nach dem Sieg in Regensburg, noch gegen Heidenheim — noch ein paar Tage mehr nach dem ungefährdeten Heimsieg gegen Bern — davon abhielt, einen Rückstand aufzuholen, beziehungsweise nach einem ärgerlichen Ausgleich, das Spiel zuzumachen. Nein, die Mannschaft mit dem Brustring traf einfach auf eine von Ex-VfB-Spieler Alex Blessin hervoragend eingestellte und topmotivierte Mannschaft. Die angesichts der eigenen Abschlusssschwäche das Geschenk der sorglosen VfB-Defensive dankend annahm.
Der Pass von Anthony Rouault, direkt nach einem Abstoß von Alex Nübel, ohne Bedrängnis aber auch ohne Übersicht mit halber Kraft halb durch die eigene Hälfte geschlagen, stand sinnbildlich für den Auftritt des VfB. In den Köpfen schien das erfolgreichste Fußballjahr seit 2007 schon abgeschlossen, die Gedanken waren in manchen Situationen wohl schon unterm Weihnachtsbaum. Nach dem Spiel fiel es Hoeneß schwer ein Fazit zu ziehen und er sah zumindest in diesem Moment die Jahresbilanz durchaus getrübt. Damit will ich die Niederlage nicht an seiner Vorbereitung der Mannschaft festmachen, aber irgendwie schien sich in Bad Cannstatt schon vor dem vierten Advent eine Feiertagsstimmung breit gemacht zu haben.
Dazu passten beispielsweise auch die unterirdischen Zweikampfwerte von zwei so zentralen Spielern — im wahrsten Sinne des Wortes — wie Enzo Millot und Angelo Stiller. St. Pauli gewann fast alle wichtigen Zweikämpfe im Mittelfeld, was einen geordneten Spielaufbau immer wieder verunmöglichte. Stattdessen hagelte es größtenteils harmlose Ecken und Flanken in den Hamburger Strafraum und als das nicht half, versuchte man Ermedin Demirovic mit hohen Bällen anzuspielen, was auch fast geklappt hätte, aber eben nur fast. Einfallsloses und statisches Offensivspiel, sorgloses und unkonzentriertes Verteidigen — die Mannschaft ließ all das vermissen, was sie zuletzt nach ähnlich dusseligen Gegentoren ausgezeichnet hatte.
Einziger Lichtblick am Samstagnachmittag war Alexander Nübel, der ein fehlerloses Spiel zeigte und dazu noch zum ersten Mal einen Elfmeter hielt. Womit er nicht nur seinen Wetteinsatz bei Atakan Karazor einlöste und seinen Torwart-Trainer Steffen Krebs an der Seitenlinie zu Jubelstürmen animierte, sondern sich nach den schwierigen letzten Spielen wieder rehabilitierte. Dass es ihm nicht grundsätzlich an der Qualität für die aktuellen Ansprüche des VfB mangelt, gilt natürlich genauso für den Rest der Mannschaft, die bis dahin einen goldenen Dezember hatte — ihre Qualitäten aber im letzten Spiel des Jahres einfach nicht auf den Platz brachte.
Und so war es auch kein “langes Anrennen” auf ein “wie vernageltes Tor”, wie Sportvorstand Fabian Wohlgemuth nach der Partie meinte, sondern angesichts der Haltung zum Spiel einfach ein verdienter Auswärtssieg für St. Pauli, die sich im Neckarstadion sehr geschickt anstellten und sogar ein Aufbäumen des VfB und des Stadions nach dem gehaltenen Elfmeter unterbinden konnten. Statt auf einem Europapokal-Platz überwintern wir deshalb also nun im Tabellenmittelfeld, auch wenn die Punktabstände natürlich auf die Saison gesehen zu vernachlässigen sind. Und so ärgerlich die vierte Niederlage nach Freiburg, München und Frankfurt auch war: Vergangene Saison hatte man zu diesem Zeitpunkt auch schon gegen Leipzig, Hoffenheim, Heidenheim und München verloren.
Die acht Punkte Unterschied zur Saison, mit der man sich eigentlich nicht vergleichen sollte, rühren letztlich von vier Unentschieden her, die wir in dieser bisherigen Runde mehr hinnehmen mussten. Die Mannschaft genehmigte sich, wie schon letzte Saison, nach mehreren Erfolgen mal wieder eine schlechte Leistung, die aber keine Zweifel an ihrer wirklichen Leistungsfähigkeit aufkommen lassen sollte. Gleichzeitig machte man sich zuletzt durch gnadenlos bestrafte Abwehrfehler immer wieder das Leben unnötig schwer, während man noch kein Rezept gefunden hat, Ermedin Demirovic nachhaltig in Szene zu setzen.
An all dem kann und wird die Mannschaft ab 2. Januar arbeiten, bevor es dann zehn Tage später gegen die an diesem Wochenende schwer gebeutelten Augsburger geht. Dann hoffentlich wieder mit Deniz Undav und Jamie Leweling die voll einsatzbereit sind und einem Ameen Al-Dakhil, der eine Alternative zu den zuletzt wechselhaft agierenden Anthony Rouault und Anrie Chase darstellt. Auch wenn die Mannschaft mit dem Ergebnis und dem Tabellenplatz in der Momentaufnahme hinter den eigenen Möglichkeiten zurückbleibt, sollte es mit einigen Tagen Abstand zu diesem Spiel eigentlich nur glückliche VfB-Gesichter unterm Weihnachtsbaum geben. Wir haben in drei Wettbewerben noch alle Chancen, unsere Saisonziele zu erreichen, haben großartige Spiele in beiden Jahreshälften gesehen und können uns immer noch Vizemeister nennen.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten Euch!
Zum Weiterlesen: Stuttgart.international zieht ein ebenso positives Fazit der bisherigen Hinrunde: “Mit 23 Punkten aus 15 Spielen haben die Weiß-Roten dennoch ihr Soll erfüllt. Nur vier Punkte hinter Platz 3 wahrt der Vizemeister alle Chancen auf einen Platz im internationalen Geschäft.” Gleichzeitig habe die Mannschaft in der Winterpause aber noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Tim vom MillernTon sieht den VfB interessanterweise offensiv wesentlich besser als ich.
Titelbild: © Alexander Hassenstein/Getty Images