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·3. September 2022
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·3. September 2022
Samstag, 13:30 Uhr, Goodison Park. Der FC Everton empfängt den Nachbarn aus der eigenen Stadt, den FC Liverpool. Das Merseyside Derby steht auf dem Programm und lieferte alleine in den letzten Jahren zahlreiche spannende Geschichten und packende Spiele. Die Premier League befindet sich zwar erst am sechsten Spieltag, aber schon jetzt kann diese Partie richtungsweisenden Charakter besitzen. Ein Mann steht dabei ganz besonders unter Beobachtung.
Eine leichte Saison war die Spielzeit 2021/22 nicht, weder für den FC Everton, noch für Frank Lampard (44). Der Trainer der Toffees wollte sich nach einer schwierigen Zeit bei Chelsea, die in der Entlassung endete, rehabilitieren und den Klub aus dem blauen Teil Liverpools wieder zu altem Glanz verhelfen. Mannschaft und Trainer fanden sich aber in einer tristen Realität namens Abstiegskampf wieder. Immerhin wurde das schlimmstmögliche Szenario verhindert, im Sommer konnte nach vorne geblickt werden.
(Photo by Michael Regan/Getty Images)
Allen im Verein war klar, dass der Sommer auch auf dem Transfermarkt ein sehr wichtiger werden kann. Für Freudensprünge und große Euphorie sorgten die Bewegungen im Kader nun nicht, wenngleich wichtige Baustellen angegangen wurde. Rekordtransfer des Sommers war Amadou Onana (20), der für 35 Millionen Euro aus Lille kam. Dwight McNeil (22, Burnley) oder Idrissa Gueye (32, PSG) zählten ebenfalls zu den prominenteren Neuzugängen. Vieles tat sich auch erst in der Schlussphase des offenen Wechselfensters. Aufgrund des extrem eng getakteten Spielplans durch die Winter-WM ergibt sich für die Integration der Spieler in dieser Saison ein besonders großes Problem.
Zeit hat Frank Lampard also nicht gerade viel. Und genau die würde er so dringend benötigen. Fünf Spiele sind in der noch jungen Saison absolviert, nur drei Punkte haben die Toffees auf dem Konto. Gegen Chelsea (0:1) und Aston Villa (1:2) verlor Everton, gegen Nottingham, Brentford und Leeds gab es jeweils ein 1:1. Nun sind sechs Gegentore in fünf Spielen etwas, worauf sich aufbauen lässt. Ein wirkliches Offensivkonzept bringt das Team aber nicht auf den Platz. Und der Druck auf den Trainer wächst.
Durch den Fehlstart findet sich Everton nach nur fünf absolvierten Partien genau in jenem Tabellenkeller der Premier League wieder, den man eigentlich hinter sich lassen wollte. Nach dem Derby heißen die nächsten Gegner Arsenal und West Ham, die Aufgaben werden also keinesfalls leichter. Ein Erfolgserlebnis gegen Liverpool, das kann bei engagierter Leistung auch schon ein Remis sein, würde die Situation der Toffees merklich verbessern und wäre auch für Lampard enorm wichtig, ehe an seinem Trainerstuhl gesägt wird, denn eine ausufernde Negativserie kann sich der 44-Jährige nicht erlauben.
Ein gutes Spiel und ein passendes Resultat würden aber nicht nur dem Trainer helfen, sondern auch der Mannschaft, die bisher, außer einer soliden Grundordnung im Spiel gegen den Ball, noch nicht viel gezeigt hat. Die Frage, was in der Vorbereitung trainiert wurde und mit welcher Strategie nach vorne gespielt werden soll, ist immer noch unbeantwortet. Das Risiko nicht von Beginn an zu maximieren, um die Gegner nicht einzuladen, erscheint als Strategie sinnvoll, aber im Offensivbereich lebt Everton bis dato zu einem zu großen Teil von Zufallsprodukten.
Lampard wird derzeit eine komplizierte Mischung zum Verhängnis. Er schafft es bislang zum zweiten Mal nicht, einer Mannschaft eine Handschrift mit auf den Weg zu geben, zudem wurde der Kader im Sommer zwar verändert, aber nicht auf allen Problempositionen im erforderlichen Maße verbessert. Im Zusammenspiel mit dem Ausfall von Dominic Calvert-Lewin (25), der nach dem Richarlison-Abgang mehr Verantwortung im Offensivspiel übernehmen sollte, ergaben sich für den Trainer Aufgaben, deren Lösung noch immer nicht vorliegt.
Lampard und Everton benötigen im Merseyside Derby also dringend ein Erfolgserlebnis, um den Druck nicht noch größer werden zu lassen. Das Abrutschen in den tiefsten Abstiegsstrudel soll verhindert werden. Zudem würde ein Punktgewinn für einen Zuwachs an Selbstvertrauen sorgen. Allerdings: Keines der letzten zehn Ligaspiele gegen die Reds konnte der FC Everton gewinnen. Im Goodison Park konnte Liverpool aber zuweilen geärgert werden, einige Punktgewinne sprangen dabei heraus.
Auch, weil Everton den Favoriten auf das eigene Niveau herunterziehen konnte. Die bisherige Saison zeigt, dass genau das aktuell die Chance ist, um gegen die Elf von Trainer Jürgen Klopp (55) etwas mitzunehmen. Ja, gegen Newcastle (2:1) und Bournemouth (9:0) gab es zuletzt zwei Siege an der Anfield Road, aber im Rhythmus sind die Reds noch nicht.
Und: Diese beiden Siege waren auch die einzigen in dieser Saison. Gegen Fulham und Crystal Palace gab es zwei Punktverluste, die Liverpool wehgetan haben. Nun lässt sich argumentieren, dass es Jürgen Klopp zumeist schafft, seine Mannschaft auf den Punkt für ein wichtiges Spiel zu motivieren, aber das Auswärtsspiel bei Manchester United war ebenfalls wichtig und prestigereich, dort gab es zu viele träge Momente und eine Niederlage. Den perfekten Moment, um auf den LFC zu treffen, gibt es wahrscheinlich nicht.
Aber es gibt bedeutend schlechtere Augenblicke, als in der aktuellen Verfassung der Reds gegen sie spielen zu müssen. Umso größer wäre die Enttäuschung bei Everton und Lampard, wenn es eine deutliche Niederlage zu beklagen gibt. Genau das macht den Reiz dieses Derbys aus.
(Photo by OLI SCARFF/AFP via Getty Images)