Lena Oberdorf im Exklusiv-Interview: "Fußball ist eine Sprache für sich" | OneFootball

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Matti Peters·5. November 2021

Lena Oberdorf im Exklusiv-Interview: "Fußball ist eine Sprache für sich"

Artikelbild:Lena Oberdorf im Exklusiv-Interview: "Fußball ist eine Sprache für sich"

Die ehemalige Bundesliga-Spielerin Tuğba Tekkal hat mit den SCORING GIRLS* ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem geflüchtete Mädchen mit deutschen Mädchen aus sozialschwachen Familien gemeinsam auf dem Fußballplatz spielen, um allen eine Perspektive und ihnen einen sozialen Anknüpfungspunkt in der Gesellschaft zu geben.

Das adidas Football Collective unterstützt sie dabei, indem die Mädchen beispielsweise in der adidas Sports Base in Berlin trainieren können. Außerdem organisierten sie einen Besuch von Nationalspielerin Lena Oberdorf, die am 28. Oktober am Training teilnahm, über ihre eigenen Erfahrungen als Fußballerin sprach und ihnen vermittelte, dass nichts unmöglich ist, wenn man an seine Träume glaubt. Im Vorfeld gab die Verteidigerin vom VfL Wolfsburg OneFootball ein exklusives Interview.


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Warum hast Du dich entschieden, heute beim Training der SCORING GIRLS* als Gast dabei zu sein?

Mir wurde davon erzählt, dass es um junge Mädchen geht, die Fußball spielen wollen, die vielleicht auch geflüchtet sind aus ihrem Land, aber natürlich ist SCORING GIRLS* auch für jeden da. Das hat mich sofort überzeugt, da wollte ich unbedingt mal mitmachen.

Welche Werte kann der Fußball den Mädchen vermitteln?

Ich glaube es sind ganz viele verschiedene Werte. Fußball kann einem enormes Selbstbewusstsein geben. Man lernt, wie man mit Menschen umgeht: Fairplay, Respekt, all diese Werte. Man lernt, wie man in einem Team arbeitet, andere Meinungen toleriert und aufgeschlossen durch die Welt geht.

Es treffen Mädchen und Frauen aus verschiedenen Kulturen aufeinander: Kann der Fußball selbst hier als Sprache dienen?

Auf jeden Fall. Fußball ist eine Sprache für sich. Ich glaube Fußball läuft generell sehr fair ab, auch was das Verbale angeht. Man knüpft auch Kontakte mit Menschen, die man vielleicht so im Leben nie geknüpft hätte. Man freut sich mit Menschen, die man nicht mal persönlich kennt. Wenn ich zurückdenke, wie ich auf dem Bolzplatz mit Leuten die ich gar nicht kannte, einfach Fußball gezockt habe. Wenn dann ein Tor gefallen ist, hat man sich trotzdem zusammengerauft und gejubelt.

Artikelbild:Lena Oberdorf im Exklusiv-Interview: "Fußball ist eine Sprache für sich"

Auch du hast beim VfL Wolfsburg immer wieder Mitspielerinnen aus anderen Nationen im Team. Welche drei deutschen Fußballvokabeln lernen alle am schnellsten?

Nummer eins: „Drauf!“, denn wenn du das Pressing durchspielen willst, dann rufst du einfach nur noch „Drauf! Drauf! Drauf!“. Das können sie ganz gut, das lernen sie schnell, weil das auch in einem Ton rauskommt, der ein bisschen aggressiver ist, weil man ja den Ball erobern möchte.

Nummer zwei: „Dreh!“ (Anm. der Redaktion: Als Kommando, dass man Platz hat und sich ohne Gegnerdruck umdrehen kann.), das ist immer wichtig für den Spielaufbau.

Nummer drei: „Schieß!“, gerade für die Stürmerinnen wie Ewa Pajor vorne. Da schreit man auch einfach mal von hinten „Schieß! Schieß! Schieß!“ und dann trifft sie auch ja meistens.

Wie wichtig ist es, dass sich Nationalspielerinnen wie Du in solchen Projekten engagieren?

Ich glaube das ist sehr wichtig, weil wir auch eine Vorbildfunktion haben. Ich denke jede Nationalspielerin, jede Spielerin an sich macht solche Aktionen gerne. Es ist wichtig, dass man seine Vorbilder mal hautnah erleben kann und einfach mal sieht, dass wir ganz normale Menschen sind. So können wir vielleicht auch Mädels und Jungs dazu animieren, mit dem Fußballspielen anzufangen, dabei zu bleiben und den Traum zu verfolgen.

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Das Projekt ist ja weit mehr als nur Fußball. Wie wichtig fandest Du in deiner Entwicklung starke Frauen-Vorbilder?

Ich fand sie sehr wichtig. Mein größtes Vorbild war meine Mama. Sie hat immer ihre ehrliche Meinung gesagt. Ich habe mich sehr daran orientiert, dass man einfach seinen Mund aufmacht, wenn einem etwas nicht passt. Dann habe ich auch gemerkt, dass es gar nicht schlimm ist seine Meinung zu äußern, weil es ja nur dafür sorgt, dass man eine bessere Kommunikation mit demjenigen hat.

Du schlüpfst hier zumindest ein bisschen in die Rolle als Trainerin? Welche Trainer*innen haben dich beeinflusst?

Ganz klar Martina Voss-Tecklenburg. Seit dem sie Bundestrainerin ist, hat sie einen großen Einfluß auf mich. Speziell, dass sie mich in die Innenverteidigung gesteckt hat, obwohl ich vorher immer Sechser oder Achter war. Sie hat ein unfassbar großes Fußballverständnis, lebt Fußball und weiß in verschieden Situationen genau, was die beste Lösung dafür wäre. Manchmal ist es auch ein bisschen schwierig, wenn ich einen anderen Lösungsansatz habe als sie, aber da verständigen wir uns auch gut. Deswegen glaube ich, dass Martina den größten Impact auf mich hat.

Trainerinnen sind in der Bundesliga ja bisher noch Mangelware: Welche deiner Mitspielerinnen hätte das Potential für eine gute Trainerin?

Almuth Schult und Alexandra Popp wären da gut aufgehoben. Poppi, weil sie einfach extrem laut ist auf dem Platz. Als Kapitänin bei uns ist sie schon so eine Art Trainerin auf dem Platz. Sie sagt genau, was du zu tun hast. Und Almi hat für alles eine Lösung. Wir nennen sie nur noch „allwissende Almuth“. Egal was du sie fragst, sie weiß alles. Egal welche Situation du ihr beschreibst, sie sagt dir dann die perfekte Lösung dafür. Die beiden wären da echt wie dafür geschaffen.

Artikelbild:Lena Oberdorf im Exklusiv-Interview: "Fußball ist eine Sprache für sich"

Wer waren deine eigenen Fußball-Idole als du klein warst?

Alexandra Popp und Dzsenifer Marozsán.

Falls es Fußballprofis waren, konntest Du gegen manche von ihnen spielen oder hast du sie getroffen?

Gegen Poppi hab ich gespielt. Es war ein sehr intensives Duell. Ich glaube wir hatten um die 100 Kopfballduelle. Auch das Zweikampfverhalten. Wir sind ja beide Spielerinnen, die da etwas robuster an die Sache gehen. Da gab es auch das ein oder andere Foul, aber solche Spiele machen mir immer am meisten Spaß.

Gegen Dzsenifer Marozsán hab ich auch einmal gespielt. Es ist echt unfassbar, was sie mit dem Ball macht. Du denkst, du bekommst den Ball jetzt und dann macht sie eine Finte und ist vorbei. Wenn ich sie spielen sehe, habe ich das Gefühl, dass wenn jemand sie angreift, alles in Slowmotion ist. Sie macht dann eine Bewegung und ist an allen vorbei.

Und Almuth im Tor, das macht gar keinen Spaß. Du schießt, denkst ‚boah geiler Schuss‘ und dann kommt sie und pflückt den einfach runter. Manche Torschussübungen im Training machen gar keinen Spaß mehr. (grinst)