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·9. Juli 2020
Lebenswege beim 1. FC Köln Spezial: Calli rief nicht an – und Ralf Maes wurde Scout beim FC

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·9. Juli 2020
Ralf Maes (Jg. 1959) hat in seiner Jugend als Torhüter bei verschiedenen Wuppertaler Vereinen gespielt, musste seine Laufbahn jedoch schon mit 17 Jahren als A-Jugendlicher beim Wuppertaler SV wegen andauernder Knieprobleme beenden. Dem Fußball blieb er jedoch fast sein gesamtes bisheriges Leben lang treu. Beim 1. FC Köln war Maes in den achtziger Jahren im Nachwuchsbereich aktiv und sorgte unter anderem dafür, dass Thomas Häßler und Bodo Illgner den Weg ans Geißbockheim fanden. Wie ihm das gelang, wieso Reiner Calmund der Grund für seinen Wechsel zum FC war und warum die Zeit bei den „Geißböcken“ abrupt endete, darüber spricht er mit uns im ausführlichen „Lebenswege“-Spezial.
Herr Maes, Sie haben mit Unterbrechungen gut 40 Jahre im Nachwuchsfußball gearbeitet. Wie kam es dazu? Nach dem frühen Ende meiner aktiven Laufbahn habe ich nach Möglichkeiten gesucht, dem Fußball verbunden zu bleiben, und da bot sich der Nachwuchsbereich an, zumal ich schon als 15jähriger meine erste Jugendmannschaft trainiert hatte. So habe ich von 1976 bis 1979 als Jugendtrainer beim SV Borussia 07/12 Wuppertal gearbeitet und bin dann zum Wuppertaler SV zurückgekehrt, wo ich als Jugendtrainer, stellvertretender Jugendleiter und Scout tätig war. Dort habe ich damals ein jährlich stattfindendes B-Jugendturnier ins Leben gerufen, an dem ausschließlich die entsprechenden Nachwuchsteams von Bundesligaklubs wie zum Beispiel Werder Bremen, der VfB Stuttgart, der Hamburger SV, der 1. FC Köln und Bayer Leverkusen teilnahmen.
Sie haben sich aber auch um die personelle Besetzung der Teams gekümmert.
Ja, parallel dazu habe ich beim WSV sehr viel im Scouting-Bereich gemacht. So haben wir beispielsweise zur Saison 1980/81 beim WSV eine ganz neue und enorm starke B-Jugendmannschaft zusammengebaut mit nur drei eigenen Jugendlichen und nicht weniger als 16 Neuzugängen. Bekanntester Spieler dieses Teams war Minas Hantzidis, der später als griechischer Nationalspieler an der WM 1994 teilnahm. Im Entscheidungsspiel um die Teilnahme an der deutschen B-Juniorenmeisterschaft haben wir dem späteren Deutschen Meister, Borussia Mönchengladbach, ein Unentschieden abgetrotzt und mussten uns erst im Elfmeterschießen geschlagen geben. Trauriger Fehlschütze war ausgerechnet Hantzidis.
Wie kam dann der Kontakt zum 1. FC Köln zustande? Das war eine kuriose Geschichte, aber dazu muss ich etwas ausholen. Beim B-Jugendturnier der Saison 1981/82 kam ich mit Michael Reschke, dem damaligen Trainer der teilnehmenden Leverkusener B-Jugend, ins Gespräch. Ich hatte kurz vorher erfahren, dass sich Bayer in fortgeschrittenen Gesprächen mit Minas Hantzidis befand. „Hallo Michael“, grüßte ich ihn. „Da habt ihr aber einen überragenden Neuzugang für die nächste Saison.“ Michael Reschke stutzte und fragte „Wieso?“ „Der Minas kommt doch zu euch!“ Reschke sah mich erschrocken an: „So ein Mist, weißt Du das doch schon? Ich hab‘ das befürchtet und schon gedacht, wenn das ‚rauskommt, schickt ihr uns wieder nach Hause!“ Ich habe ihn beruhigt und ihm gesagt, dass das völlig in Ordnung wäre, schließlich hätte Minas bei Bayer Leverkusen deutlich bessere Möglichkeiten, sich fußballerisch weiterzuentwickeln. Reschke guckte mich völlig entgeistert an und sagte: „Mensch, das finde ich jetzt unheimlich stark, dass Du so reagierst und kein bisschen sauer bist. Das rechne ich Dir hoch an!“
Wenige Wochen später bei einem DFB-Jugendlager in der Sportschule Wedau lief mir Michael Reschke wieder über den Weg. In unserem Gespräch erzählte ich ihm, dass ich mich beim WSV aus verschiedenen Gründen nicht mehr so richtig wohl fühlte. Reschke hatte dann wohl den Jugendleiter von Bayer, Reiner Calmund, angesprochen, der auch in Wedau herumlief. Calli nahm mich daraufhin zur Seite, wir sollten uns mal unter vier Augen unterhalten. „Hast Du nicht Lust, nach Leverkusen zu kommen, um bei uns im Nachwuchsbereich zu arbeiten?“, fragte er ohne Umschweife. Ich bejahte dies, wir tauschten uns danach noch eine Zeit lang aus, dann sagte Calmund: „Ich ruf‘ Dich nächste Woche an, Ich weiß nur noch nicht, ob Montag oder Mittwoch, aber ich ruf‘ auf jeden Fall an.“
Hat das Telefon in der Woche dann wie versprochen geklingelt?
Auf den Anruf warte ich noch heute. Wenige Wochen später hatte ich irgendwas mit dem 1. FC Köln zu tun und hatte Christoph Daum am Apparat. Wir haben ein bisschen gequatscht, dann erwähnte ich gesprächsweise, dass ich möglicherweise an den Mittelrhein wechseln würde, und habe Daum die Story von Reiner Calmund, Bayer Leverkusen und dem noch nicht erfolgten Anruf erzählt. „Was?“, rief Daum „Du willst weg vom WSV? Das kann doch gar nicht sein! Du hast dort doch so viel aufgebaut! Da kannst Du auch zu uns kommen! Wir suchen auch noch jemanden für den Organisationsbereich und für’s Scouting.“ Er beschrieb dann eine derartige Tätigkeit in schillernden Farben und fragte zum Schluss: „Könntest Du Dir das denn vorstellen?“ Ich habe das grundsätzlich bejaht. „Was machst Du denn eigentlich beruflich?“, wollte Daum dann wissen. Ich sagte ihm, dass ich gelernter Versicherungskaufmann sei. „Ich kann mich mal bei uns ‚rumhören, welche Möglichkeiten es da gibt. Ich meld‘ mich wieder“, sagte er zum Schluss.
„Ich hab‘ ein Gästezimmer, Du kannst dann bei mir wohnen“, sagte Christoph Daum.
Das war vormittags, abends rief Daum erneut an. „Hör‘ mal, kannst Du morgen früh nach Köln kommen? Ich habe einen Termin mit dem Herrn Holzapfel ausgemacht, dem Regionaldirektor der DEVK, der ist bei uns Amateurabteilungsleiter. Der hat mir schon zugesagt, dass er uns unterstützen würde mit einer Einstellung, zumal die momentan Leute suchen. Wohnungssuche können wir mal versuchen, wenn Du auf die Schnelle nichts finden solltest, ist das auch kein Problem. Ich hab‘ ein Gästezimmer, Du kannst dann bei mir wohnen.“
Gesagt, getan, ich bin dann am nächste Morgen nach Köln und habe mich dem Regionaldirektor Holzapfel getroffen, der mir eine Anstellung in der Rechtschutz-AG anbot, die die DEVK gerade erst gegründet hatte. Ich habe dann dort angefangen als allererster Rechtschutz-Sachbearbeiter – und gleichzeitig als Scout beim 1. FC Köln. Die Wohnungssuche war auch damals schon eine Katastrophe in Köln, so dass ich schlussendlich auf Daums Angebot zurückkommen musste und drei Monate in seinem Haus gewohnt habe, unter einem Dach mit ihm, Ursel, seiner ersten Frau, und seinem Cocker-Spaniel Filou.
Hat sich Bayer Leverkusen eigentlich irgendwann noch einmal bei Ihnen gemeldet? Ja, Wochen später. Mehr oder weniger im Vorübergehen traf ich Michael Reschke wieder. Er wollte wissen, ob ich jetzt nun bei Bayer anfangen würde oder nicht. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich vergeblich auf den Anruf von Reiner Calmund gewartet hatte und inzwischen zum 1. FC Köln gewechselt war. Mit den Worten: „Aber Du wolltest doch zu uns kommen. Der Calli wollte Dich doch anrufen!“, drückte er sein Unverständnis aus. Ich versicherte ihm, dass er bis heute nicht angerufen hatte. „Ja, dann weiß ich auch nicht“, sagte Reschke und ging kopfschüttelnd weiter.
Sie waren dann 15 Monate für den 1.FC Köln tätig. Wie war die Nachwuchsabteilung des FC damals personell aufgestellt? Zunächst war da der Jugendcheftrainer Christoph Daum, der auch die A-Jugend betreute und diese beiden Tätigkeiten ungemein engagiert, mit großem Fleiß und hoher Kompetenz versah. Die B-Jugend trainierte damals Roland Koch, den ich als einen herausragenden Fachmann, Analytiker und sehr sympathischen Typ kennengelernt habe. Jürgen Jores war Trainer der C-Jugend, Frank Schaefer, dessen Talent, Spieler und Mannschaften zu formen und zu motivieren, damals schon durchschimmerte, trainierte die E-Jugend.
Wie sah Ihr Tätigkeitsbereich in der Nachwuchsabteilung aus? Zum einen habe ich damals Aufgaben im Bereich der Organisation übernommen. So lag beim ersten GeißbockCup, den ich zusammen mit Christoph Daum als großes Nachwuchsturnier für E- und F-Jugendteams ins Leben gerufen habe, die Organisation in meinen Händen. Der GeißbockCup ist seitdem zu einer festen Institution geworden und muss in diesem Jahr leider – coronabedingt – zum ersten Mal seit 1983 ausfallen. Zudem zeichnete ich verantwortlich für die Idee und das Konzept des Jugend-Echo, einer Zeitschrift der Fußballjugend des 1. FC Köln. Ich habe dafür Werbekunden geworben, die Anzeigen geschaltet haben, und die Zeitschrift redaktionell betreut. Allerdings bin ich in der ersten Ausgabe nicht als Redakteur aufgeführt, weil ich zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung den Verein schon wieder verlassen hatte. Der eindeutige Schwerpunkt meiner Tätigkeit war aber das Scouting von Nachwuchsspielern.
Dieses Scouting von Nachwuchsspielern in den Jahren 1982 und 1983 wird sich sicherlich fundamental unterschieden haben von der Arbeit der Scouting-Abteilungen der Bundesligaclubs heute mit ihren riesigen Datenbänken und dem schier unendlichen Videomaterial zu allen möglichen interessanten Spielern. Wie sind Sie das Sichten von Nachwuchstalenten damals angegangen? Diese technischen Innovationen hatte man damals natürlich noch nicht zur Verfügung, beim FC haben wir stattdessen auf Manpower gesetzt. So sind wir beispielsweise zum Jugendländerpokal 1983 in Duisburg-Wedau mit neun Mitarbeitern gereist. Mit dabei waren Christoph Daum, Roland Koch, Jürgen Jores, Frank Schaefer, Erich Rutemöller, Bernd Steegmann, Manfred Rehm, Richard Nestvogel und ich. Wir teilten uns so auf, dass jeder jede Mannschaft mindestens einmal gesehen hatte. Die Eindrücke hielten wir auf einem beidseitig bedruckten Scoutingblatt fest, das unter anderem Kategorien wie Schnelligkeit, Ballan- und -mitnahme, Antizipation, Dribbling und Zweikampfverhalten umfasste. Abends legten wir die Bögen dann nebeneinander und diskutierten die Ergebnisse. Wenn zum Beispiel bei der Westfalenauswahl ein Spieler von sechs verschiedenen Mitarbeitern als interessant erachtet wurde, wussten wir, dass wir dieses Talent genauer in den Blick nehmen mussten. So sind wir bei diesem Länderpokal auch auf Thomas Häßler aufmerksam geworden.
Er war einer der auffälligsten Spieler des Turniers, und wir waren alle einer Meinung, dass er jemand war, um den wir uns ganz, ganz intensiv – und vor allem ganz, ganz schnell – kümmern mussten, da auch andere Bundesligisten ein Auge auf ihn geworfen hatten. Das Problem war, dass Häßler von dem Berliner Verbandstrainer regelrecht bewacht wurde, so dass man ihn nicht einfach mal ansprechen konnte. Das erforderte kreative Methoden der Kontaktaufnahme.
Wie kreativ mussten Sie in seinem Fall sein? Schon ziemlich kreativ! (lacht) Wie die anderen Auswahlmannschaften waren auch die Berliner in dem sechseckigen Wohnturm in der Sportschule Wedau untergebracht. Was wir jedoch nicht wussten, war, auf welcher Etage sie wohnten, und wir kannten auch nicht Häßlers Zimmernummer. Nun, ich war damals jung und auch ein bisschen verrückt, und so bin ich in den Wohnturm ‚rein und bin Aufzug gefahren. Rauf und runter, rauf und runter, bis schließlich ein Spieler im Trainingsanzug der Berliner Auswahl die Kabine betrat. Er nannte mir auf meine Frage hin die Etage, auf der die Berliner wohnten, dann fragte ich ihn: „Ich muss mal zum Thomas, weißt Du vielleicht seine Zimmernummer?“ Auch damit konnte er dienen, der Zufall wollte es, dass er im Zimmer nebenan wohnte.
Ich fuhr in die angegebene Etage, fand die entsprechende Zimmernummer und klopfte an. „Herein“, erklang es von innen. Als ich die Tür öffnete, sah ich Thomas Häßler vorne auf der Spitze seines Bettes sitzen. Ich nannte meinen Namen und ging weiter in das Zimmer ‚rein. In dem Moment, als ich sagen wollte, dass ich vom 1. FC Köln komme, sah ich den Berliner Verbandstrainer, der hinter Häßler saß. Ich disponierte schnell um und sagte: „Ich gebe eine Jugendfußballzeitschrift heraus und mache Interviews mit einigen Spielern hier. Ich wollte Dich fragen, Thomas, ob Du nachher ein paar Minuten Zeit hast für ein kleines Interview.“ Der Verbandstrainer sah mich komisch an, Häßler aber sagte zu, er wolle in fünf Minuten ‚runterkommen.
Daum fragte: „Hast Du Lust, zum 1. FC Köln zu kommen?“ Thomas Häßler antwortete: „Ja.“
Ich verließ den Wohnturm, informierte noch schnell Christoph Daum und wartete dann auf Häßler, der wenig später kam. Ich dirigierte ihn zu Daums Dienstwagen, einen Passat Kombi, Thomas Häßler nahm auf dem Beifahrersitz Platz, ich setzte mich auf den Rücksitz. Anschließend stellte ich Christoph Daum als Jugendcheftrainer des 1. FC Köln vor und sagte: „Wir wollten Dich mal ‚was fragen.“ Häßler sagte, dass er sich das fast schon gedacht hatte. Dann ergriff Christoph Daum das Wort: „Ich will nicht lange um den heißen Brei ‚rumreden: Hast Du Lust, zum 1. FC Köln zu kommen?“ Thomas Häßler antwortete: „Ja.“ Christoph Daum war ganz erstaunt und fragte, ob er denn keine Fragen hätte. Thomas Häßler: „Nö.“
Und damit war die Verpflichtung perfekt?
Wir haben uns dann noch ein bisschen ausgetauscht, Daum bat Häßler, seine Eltern anzurufen und ihnen zu sagen, sie sollten am Wochenende auf Kosten des FC mit dem Flugzeug nach Köln kommen, um alles weitere zu besprechen. Am darauffolgenden Samstag trafen die Eltern pünktlich im Geißbockheim ein mit Sascha, Thomas‘ jüngeren Bruder, der Jahre später auch vom FC verpflichtet wurde, und dann ist das ein Deal geworden. Das hatte allerdings noch ein Nachspiel. Einen Monat später bekam der 1. FC Köln ein Schreiben vom Westdeutschen Fußballverband, in dem ausgeführt wurde, dass sich im Zusammenhang mit dem Jugendländerpokal ein Verband beschwert hätte, es sei zu gewissen Vorkommnissen unter Beteiligung des 1. FC Köln gekommen. Deshalb hätte der Mitarbeiter Ralf Maes ab sofort Hausverbot in der Sportschule Wedau.
Christoph Daum war darüber alles andere als erbaut und sagte, man müsse mal gucken, was da zu machen sei, das wäre ja Mist, wenn ich zukünftig nicht mehr dort scouten könne. Rechtsanwalt Bernd Schäfer III setzte dann ein Schreiben an den WFV auf nach dem Motto, wieso denn Hausverbot, man könne sich das gar nicht vorstellen, was da überhaupt passiert wäre? Der WFV hat darauf meines Wissens nie geantwortet, musste das aus seiner Sicht auch gar nicht tun, da er lediglich das Hausrecht in der Sportschule Wedau ausübte. Andererseits war uns allen klar, dass es nur um die Häßler-Geschichte gegangen sein konnte, weswegen der Berliner Verbandstrainer wahrscheinlich im Sechseck getanzt hatte. Ich bin seither jedenfalls nie mehr in Wedau gewesen.
Während der Saison sind Sie auch oft unter der Woche oder an Wochenenden zu Einzelspielen gefahren, um dort interessante Spieler zu scouten. Wer oder was gab den Anstoß für eine solche Spielbeobachtung? Zunächst einmal liefen die Personalplanungen im Jugendbereich immer mit einem Vorlauf von zwölf, manchmal sogar 24 Monaten. Wenn zum Beispiel Roland Koch für sein zukünftiges Team einen Linksaußen benötigte, weil der jüngere Jahrgang dort nicht gut besetzt war, war das für uns der Startschuss, auf dieser Position verstärkt zu suchen. Gelegentlich bekamen wir auch einen Tipp, uns einen vielversprechenden Spieler anzuschauen. Es kam aber auch vor, dass man zu einem Spiel ging, weil man eine Mannschaft lange nicht mehr gesehen hatte.
Wie kann man sich das weitere Prozedere vorstellen, wenn Sie dann einen Spieler beobachtet und für gut befunden hatten?
Wir haben uns dann zusammengesetzt, Christoph Daum, Roland Koch und ich, manchmal kamen auch weitere Mitarbeiter hinzu, und dann in einem Frage- und Antwortspiel den Fall erörtert. Es war auch immer ein Überprüfen dabei, nach dem Vier-Augen-Prinzip hat dann zum Beispiel Roland Koch den Spieler noch einmal begutachtet. Bei einem entsprechenden Urteil wurde derjenige dann zum Probetraining eingeladen, dann stand Christoph Daum draußen und hat auch noch ‚mal geguckt, und anschließend wurde die Entscheidung getroffen. Es gab natürlich auch absolut herausragende Talente wie beispielsweise Bodo Illgner, da war uns allen klar, da brauchte man nicht viel drüber reden, der musste her. Es war einfach nicht zu übersehen, dass er schon damals das Potenzial hatte, Profi zu werden und auch die Perspektive in Richtung Nationalmannschaft besaß.
Wie ist der Kontakt zu Illgner damals zustande gekommen? Es haben sich zwei Mitarbeiter damals intensiv um ihn gekümmert. Außer mir war das damals besonders Richard Nestvogel, der bei Bodo noch deutlich mehr als ich involviert war. Nestvogel hatte aus seinen Gesprächen mit Illgner eine Liste mit sieben oder acht Punkten erstellt, die Bodo vom 1. FC Köln erfüllt sehen wollte. Damals war neben uns besonders Bayer Leverkusen an seiner Verpflichtung interessiert, und Bodo hatte sich noch nicht entschieden. Einer der Punkte war, dass Illgner vom FC die Zusage haben wollte, dass er in seinem zweiten A-Jugendjahr bei den Profis trainieren durfte. Bodo hatte darauf bestanden, über diesen Punkt und auch über alle weiteren eine schriftliche Zusage des FC zu erhalten.
Als die Angelegenheit in die entscheidende Phase kam, saßen wir zu sechst in der Jugendgeschäftsstelle; Christoph Daum, Manfred Rehm, sein Co-Trainer bei der A-Jugend, Roland Koch, Jürgen Jores, Richard Nestvogel und ich. Zum damaligen Zeitpunkt war Rinus Michels Trainer und Michael Meier Geschäftsführer, und wir wussten, dass wir diese Zusage nie bekommen würden. Wir haben Argumente ausgetauscht, irgendwann habe ich dann gesagt: „Wenn wir das nicht machen mit der Zusage, ist er bei Bayer.“
„Wenn wir das nicht machen mit der Zusage, ist Bodo bei Bayer.“
Also haben wir unseren FC-Briefbogen genommen, haben die von Illgner geforderten Punkte darauf aufgeführt und das Ganze eingeleitet mit dem Satz: „Im Zusammenhang mit einem Wechsel von Bodo Illgner zum 1. FC Köln, sagt der 1. FC Köln dem Spieler folgendes zu:…“ Am Ende des Schreibens stand dann mit Schreibmaschine geschrieben „1.FC Köln“, und dann haben wir uns alle angeguckt, denn einer musste jetzt noch unterschreiben – und das war ich. Ich habe dann ebenso schwungvoll wie unleserlich unterschrieben, und Richard Nestvogel hat anschließend das Schreiben Bodo Illgner gegeben. Bodo hat dann noch gefragt, wer denn da unterschrieben habe, worauf Nestvogel ihm geantwortet hat, das wäre so von der Geschäftsstelle zurückgekommen, das müsse wohl jemand von dort gewesen sein. Bodo war zufrieden und hat ab der Saison 1983/84 bis zu seinem Wechsel zu Real 1996 für den 1. FC Köln gespielt. Bodo und ich haben dann später über unsere Aktion damals herzlich gelacht, er hat dieses Schriftstück wahrscheinlich heute noch und weiß auch, wer unterschrieben hat. Diese Verpflichtung zeigt aber auch, dass es ab und an Spieler gab, die sich durch ihr großes Talent quasi aufdrängten.
Wie Sie schon andeuteten, war das aber sicherlich die Ausnahme. In vielen anderen Fällen war es gewiss zu einem großen Teil den Fähigkeiten eines Scouts geschuldet, ob ein Talent entdeckt und für den Verein verpflichtet werden konnte. Was macht einen solchen guten Scout aus? Er muss eine gute Beobachtungsgabe und ein sicheres Einschätzungsvermögen haben. Ich glaube, dass ich einen guten Blick für Talente hatte. Ich habe sehr schnell sehr gut erkannt, wenn einer etwas konnte. Ich konnte individuelle Situationen gut einschätzen und habe einen Spieler, wenn er eine herausragende Aktion hatte, etwas genauer angeguckt, um abschätzen zu können, ob das Gesamtpaket passte. Es war es aber auch damals schon für einen Scout wichtig, ein gutes Netzwerk zu besitzen, durch das man den ein oder anderen Tipp bekommen konnte und so immer auf dem Laufenden blieb. Persönliche Kontakte waren generell hilfreich, so auch im Fall des Transfers von Olaf Janßen zum 1. FC Köln.
Wie lief dieser Wechsel genau ab? Ich kannte die Familie Janßen aus meiner Zeit in Wuppertal, besonders Olafs Vater war mir gut bekannt. Für Bayer Uerdingen war er auf vielen Fußballplätzen unterwegs und hat auch für den Verein ein bisschen gescoutet, und da sind wir uns häufig über den Weg gelaufen, so dass ein recht guter Kontakt entstanden war. Als Olaf damals Jugendnationalspieler wurde und er in den Fokus mehrerer Vereine geriet, habe ich seinen Vater angesprochen und ihm das Interesse des FC signalisiert.
Wir haben dann ein Gespräch mit Olaf, seinem Vater, Christoph Daum und mir vereinbart. Dort wurde deutlich, dass Olaf die Meinung seines Vaters sehr wertschätzte, wir haben Vater und Sohn wohl überzeugen können, und alles weitere ist Geschichte.
Thomas Häßler, Bodo Illgner und Olaf Janßen sind Beispiele für Nachwuchsspieler, an deren Wechsel zum FC Sie maßgeblich beteiligt waren. Können Sie sich an Fälle erinnern, wo ein von Ihnen empfohlener Spieler nicht verpflichtet worden ist? Michael Skibbe war so ein Fall. Christoph Daum hatte mich zu einem B-Jugendspiel von Schalke 04 geschickt, um mir dort Olaf Thon und Michael Skibbe anzuschauen. Nach dem Spiel habe ich Michael Skibbe empfohlen, weil der mir deutlich besser gefallen hatte als Thon. Skibbe kam dann mit seinem älteren Bruder zu einem Gespräch mit Christoph Daum und mir ins Geißbockheim, um einen etwaigen Wechsel zu besprechen. Auch damals war Schalke schon dafür bekannt, seinen Nachwuchsspielern sehr viel Geld zu bezahlen. Und so kam es, dass plötzlich ein niedriger sechsstelliger Betrag als Jahresgehalt für den noch 16-jährigen Michael Skibbe im Raume stand. Der FC konnte und wollte diese Summen jedoch nicht bezahlen, und so hat der Verein Michael Skibbe abgesagt, was aus der Sicht des Vereins keine falsche Entscheidung war, aber möglicherweise unglücklich für Skibbe, denn, wenn er zu uns gewechselt wäre, hätte er nicht an dem Spiel teilgenommen, in dem er sich die Verletzung zuzog, die seine Laufbahn so früh beendete.
Ihre Tätigkeit beim 1. FC Köln war durch eine Reihe von Erfolgen zum Beispiel im Transferbereich gekennzeichnet, aber auch durch das Anstoßen von Maßnahmen im Nachwuchsbereich, die zum Teil bis heute Bestand haben, wie zum Beispiel den GeißbockCup. Trotzdem haben Sie den FC nach nur 15 Monaten wieder verlassen. Wie kam es dazu? Grund für das Ende meiner Tätigkeit beim FC war ein Streit, den ich an einer einzigen Stelle und an einem einzigen Tag mit dem damaligen Jugendleiter, Kurt Nietzel, hatte. Paradoxerweise waren meine Aktivitäten für den Verein der eigentliche Anlass für das Zerwürfnis. Nietzel ging damals auf die 60 zu und leitete die Nachwuchsabteilung schon seit über 10 Jahren. Er warf mir vor, ich wäre hinter seinem Job als Jugendleiter des FC her. Ihm wäre von unterschiedlicher Seite signalisiert worden, dass ich ja ein geeigneter Mann für seine Nachfolge sei. Das war aber überhaupt nicht mein Bestreben, denn mich interessierte ein ganz anderer Bereich beim FC. Ich konnte Nietzel jedoch nicht von seiner einmal gefassten Meinung abbringen, im Gegenteil, er wurde immer wütender und hat dann schlussendlich verfügt, dass meine Mitarbeit im Nachwuchsbereich des 1. FC Köln beendet sei.
Unglücklicherweise wurde zu gleicher Zeit mein befristeter Vertrag mit der DEVK nicht verlängert. Regionaldirektor Holzapfel, der mich vor Jahresfrist eingestellt hatte, war tödlich verunglückt und konnte seine Zusage, dass ich mir um die Verlängerung meines Vertrags mit der DEVK keine Sorgen machen müsse, nicht mehr einhalten. Ich bin dann zur DKV gewechselt, die Sponsor des 1. FC Köln war, bekam aber nach drei Monaten meinen Einberufungsbescheid zur Bundeswehr.
Wie ging es nach Ihrer Bundeswehrzeit für Sie sportlich und beruflich weiter? Ich habe dann 1985 bei der ARAG in Wuppertal angefangen und bin 1989 zum Gerling-Konzern gegangen. Gleichzeitig habe ich von 1985 bis 89 als Jugendtrainer und Jugendleiter beim ASV Wuppertal gearbeitet. Zu einem engeren Bezug zum 1. FC Köln ist es dann noch einmal 1990 gekommen, als ich als Senior-Kontakter die Nachfolge von Rolf Rüssmann bei der media-data angetreten habe, die im Bereich Sportmarketing unter anderem für Teile der Stadionwerbung von gleich vier westdeutschen Bundesligisten verantwortlich war, so auch beim 1. FC Köln. Durch diese Tätigkeit bekam ich engeren Kontakt zur damaligen Geschäftsstelle, die zu der Zeit von Wolfgang Schänzler geleitet wurde. Wir haben die Anzeigetafel im alten Müngersdorfer Stadion vermarktet und einige Flächen im Oberrang. Ende 1993 bekam ich die Information, dass die Werberechte beim 1. FC Köln neu vergeben werden sollten, und da bin ich aktiv auf den damaligen Präsidenten, Claus Hartmann, zugegangen. Am Ende eines langen Gesprächs hat er mich dann gebeten, ein Konzept zu entwickeln, um die Werberechte gegebenenfalls beim 1. FC Köln zu behalten und eine eigene Sportmarketing-Abteilung aufzubauen. Ich habe das dann auch gemacht und ihm das Konzept übergeben, und das gärte wohl zwei Monate, der FC hat sich dann aber dafür entschieden, die Werberechte an den Schweizer Sportvermarkter CWL zu vergeben.
Mittlerweile sind Sie nicht mehr im Westen Deutschlands zu Hause, sondern in Sachsen-Anhalt, wo Sie Generalvertreter der HDI in Halle sind. Wie ist es dazu gekommen und haben Sie dort dem Fußball gänzlich abgeschworen? Ich habe 1991 meine spätere Ehefrau kennengelernt und bin 1994 zu ihr nach Schkopau in die unmittelbare Nähe von Halle gezogen. Dort habe ich wieder für den Gerling-Konzern im angestellten Außendienst gearbeitet, der 2005 von der HDI übernommen wurde. Seit 2007 bin ich selbstständig mit meiner Generalvertretung in Halle ansässig.
So ganz konnte ich vom Fußball auch dort nicht lassen: Durch meinen 1996 geborenen Sohn, der unbedingt im Verein Fußball spielen wollte, bin ich zum VFB IMO Merseburg gekommen, wo ich bis 2009 zunächst als Jugendtrainer und später als Jugendleiter aktiv war. Wir haben es damals geschafft, mit den Jugendmannschaften im A-, B- und C-Jugendbereich in der jeweils höchsten Klasse zu spielen und hatten in Sachsen-Anhalt nach dem 1 .FC Magdeburg und dem Halleschen FC die drittbeste Jugendabteilung. Von 2012 bis 2015 war ich dann noch für den Fußballverband Halle/Saalekreis als Präsidiumsmitglied und Kreisjugendobmann tätig.
Haben Sie eigentlich nach Ihrem Abschied vom FC noch Kontakt zu ehemaligen Nachwuchsspielern des Vereins oder zu den Jugendtrainern gehabt? Ende der achtziger Jahre hat mich Thomas Gaßmann – zu meiner Zeit B-Spieler bei Roland Koch – um Unterstützung gebeten, als er, mittlerweile Profi beim FC Schalke 04, dort vom Training der Lizenzspieler ausgeschlossen worden war und Einzeltraining machen musste. Ich war beim Gerichtstermin dabei und habe ihn danach bei der Suche nach einem neuen Club unterstützt. Leider kam danach nicht mehr viel, aber er hat ja dann Karriere im Journalismus gemacht. Andreas Gielchen, der zu dem A-Jugendteam gehörte, das 1983 Deutscher Vizemeister wurde, habe ich 1991 durch meine Kontakte zum MSV Duisburg zu einem Engagement dort verholfen.
Und wie ist es heute? Haben Sie noch Verbindungen zum 1. FC Köln und verfolgen Sie den Verein noch? Vor kurzem habe ich noch ein längeres Gespräch mit Erich Rutemöller geführt, zu Frank Schaefer hatte ich lange Zeit Kontakt, der aber vor einigen Jahren abgerissen ist, und Roland Koch rief mich mal während seiner Zeit in der Türkei an, weil er Infos zu in Deutschland spielenden türkischen Spielern haben wollte, und da habe ich für ihn entsprechendes Material recherchiert.
Ich habe mich beim FC ungeheuer wohl gefühlt, und wer weiß, wenn damals der Streit mit dem Jugendleiter nicht gewesen wäre, wäre ich vielleicht noch heute für diesen Klub tätig.
Natürlich verfolge ich den FC heute noch. Es hat sich durch meine Zeit in der Nachwuchsabteilung eine tiefe Verbundenheit zu dem Verein entwickelt, er interessiert mich deutlich mehr als die übrigen Bundesligisten. Ich habe mich dort damals ungeheuer wohl gefühlt, und wer weiß, wenn damals der Streit mit dem Jugendleiter nicht gewesen wäre, wäre ich vielleicht noch heute für diesen Klub tätig.
Herr Maes, einen ganz herzlichen Dank für diese Einblicke in die Nachwuchsarbeit einer längst vergangenen Zeit und alles Gute für die Zukunft.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf „Joschi“ Chang, ein Mitglied der Kölner B-Jugend-Mannschaft von 1990, die damals Deutscher Meister wurde.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Massimo Cannizzaro, der, einst ein großes Talent, auch die negativen Seiten des Geschäfts kennenlernte.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Stefan Oventrop, der die Schuhe noch nicht an den Nagel gehangen, aber beruflich einen äußerst interessanten Weg eingeschlagen hat.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Frank Ploeger, dessen Traum von einer Profikarriere früh platzte – etwas aus sich gemacht hat er trotzdem.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Gregor Kapitza, in dessen Leben Fußball eine große Rolle spielt – und der immer noch Verbindungen zum Geißbockheim hat.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Hermann Knöppel, der 17 Jahre lang und in etwa 500 Spielen für den 1. FC Köln aktiv war.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Rocco Kühn, der 1993 von Frank Schaefer aus Dresden zum Nachwuchs der Geißböcke geholt wurde und zu den größten Nachwuchshoffnungen gehörte.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Thomas Olschewski, der als erfolgreicher Finanzberater dem Fußball immer noch eng verbunden ist.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs traf Sebastian Zinke, der unter anderem in der Jugend des FC ausgebildet wurde und später zum Aufstiegshelden der Fortuna avancierte.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs sprach mit Michael Loch, der nach seinem Ende bei den „Geißböcken“ sein Glück im Berufsleben fand und dem FC als Fan noch verbunden ist.
Wie ergeht es ehemaligen Jugendspielern des 1. FC Köln, die den Sprung zu den Profis nicht geschafft haben? effzeh.com-Autor Kurt Ludwigs sprach mit Jörg Gerlach, der einst Horst Heldt vorgezogen wurde und von der Bundesliga bis zur Kreisliga D alles spielte.