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·14. Februar 2022
Lebenswege beim 1. FC Köln: Marco Weller – mit dem Ball am Fuß ist die Welt immer in Ordnung!

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·14. Februar 2022
Ein Raunen ging durch das altehrwürdige Ludwigsparkstadion. Das angenehme Frühlingswetter hatte an diesem 4. April 2009 rund 3.000 Zuschauer angelockt, die gerade mit ansehen mussten, wie der 1. FC Saarbrücken es zum wiederholten Male verpasste, die knappe 1:0-Führung auszubauen. Der gegnerische Konter hatte den FCS in der Vorwärtsbewegung erwischt, der Spieler mit der Nummer 10 auf seinem gelben Trikot spielte einen Außenristpass über 30 Meter ins Sturmzentrum. Präzise, perfekt getimt, genau in die Schnittstelle der Abwehr der Blau-Schwarzen. Dort nahm der gerade eingewechselte Alexander Rosin den Pass perfekt an, umkurvte Torhüter Tobias Rott und traf zum 1:1-Ausgleich. Ein schönes Tor, gewiss. Elegant vollendet durch den 21-jährigen Mittelstürmer. Aber erst der Pass, der zentimetergenaue, aus dem Fußgelenk geschlagene Ball, dieser Pass eben machte das Tor zu einem besonderen Treffer.
Auf der Saarbrücker Bank hatte Trainer Dieter Ferner die Szene mit besorgter Miene verfolgt. Wieder und wieder hatte er seiner Mannschaft eingebläut, dass man auch als Tabellenerster jedes Spiel seriös, mit großer Laufbereitschaft und durchdachten Angriffen angehen muss. In der ersten Halbzeit waren sie angerannt, hatten den Gegner tief in die eigene Hälfte gedrückt. Vieles war planlos gewesen, manches fast panisch. Das Führungstor war ihnen dann auch erst vor einigen Minuten gelungen. Und nun das! Mit zwei Spielzügen war seine gesamte Abwehr ausgespielt worden. Und doch, er konnte nicht umhin, anerkennend zu nicken. Dieser Pass des Zehners, der war schon klasse, große Klasse.
Auf der Tribüne beugten sich zwei ältere Herren über das Programmheft. Sie suchten die Mannschaftsaufstellungen. Wie hieß dieser Spieler, der die Vorlage zum Ausgleich gegeben hatte? „So’n Ball, den siehste vielleicht in der Bundesliga und auch da nur ab und an“, sagte der größere von beiden und sein Sitznachbar nickte. Ein Bundesligaspiel sahen sie heute nicht, sondern die Begegnung der Oberliga Südwest zwischen dem 1. FC Saarbrücken und der SG 06 Betzdorf. „Hier, ich hab‘s“, sagte der Größere und deutete mit dem Zeigefinger auf eine Spielerliste. „Weller, Marco Weller heißt der Zehner.“ Der andere schaute wieder aufs Spielfeld. „Das war bundesligareif“, murmelte er. „Mindestens.“
Mehr als ein Jahrzehnt später sitze ich Marco Weller gegenüber, virtuell, der Pandemie geschuldet per Zoom. Der wortgewandte Mittvierziger ist ein kommunikativer und reflektierter Gesprächspartner, der anschaulich die Stationen seines Lebens mit und nach dem Fußball Revue passieren lässt. Seine Leidenschaft für diesen Sport, dem er bis heute treu geblieben ist, ist unüberhörbar. Mehrmals in dem Gespräch blitzt sein jungenhaftes Lächeln auf, etwa wenn er Anekdoten aus längst vergangenen Zeiten erzählt, aber ich spüre auch eine Nachdenklichkeit, wenn er über die Schattenseiten seiner Zeit im jogo bonito berichtet, dem schönen Spiel, das bisweilen seinem Namen so gar keine Ehre machen will.
Das Licht der Welt erblickt Marco Weller am 4. August 1977 im siegerländischen Kirchen und wächst in Herdorf, einer Stadt im Herzen des Westerwalds als jüngster von drei Brüdern auf. Er wird in eine fußballverrückte Familie hineingeboren: Sein Vater spielt mit den Sportfreunden Herdorf in den 50er Jahren in der zweiten Liga Südwest, seine beiden Onkel mütterlicherseits tragen zur gleichen Zeit das Trikot des SuS Kaiserau und sind dort Mannschaftskameraden des späteren Nationaltorhüters Hans Tilkowski, sein zweitältester Bruder kommt zu Berufungen in die Rheinlandauswahl.
Auch der jüngste Spross der Familie Weller wird durch das runde Leder magisch angezogen und jagt dem Spielgerät auf den Bolzplätzen der Gegend mit Eifer und Geschick nach. Mit gerade einmal fünf Jahren streift er erstmals das Trikot der Sportfreunde Herdorf über, spielt in der dortigen E-Jugend mit deutlich älteren Mitspielern zusammen – und muss erkennen, dass aller Anfang schwer ist. „Auf Rechtsaußen machte ich mein erstes Spiel“, erinnert er sich. „Und ich hatte im gesamten Spiel nur einen einzigen Ballkontakt.“ Doch schon in der vierten Partie gelingt ihm sein erster Treffer, und lässt diesem, nachdem er zum Mittelstürmer umgeschult wird, noch viele weitere folgen.
Marco Weller im Trikot der SF Siegen im Spiel gegen die Sportfreunde Herdorf 1988 (Foto: Marco Weller)
Hier in Herdorf werden die Grundlagen für seine spätere fußballerische Entwicklung gelegt. „Wir spielten damals auf Großfeldplätzen mit langen Ecken“, erläutert er. „Dies hat mir später in Siegen, wo wir in der D-Jugend zwar auch auf großen Plätzen, aber mit kurzen Ecken spielten, dabei geholfen, die ein oder andere Ecke direkt zu verwandeln.“ Auch die Vorliebe für das Passen und Schießen mit dem Außenrist geht auf diese Anfangszeit zurück – und auf seine Mutter: „Sie bewunderte die Eleganz, mit der Franz Beckenbauer den Ball behandelte und mit dem Außenrist passte, und das habe ich mir dann ihr zuliebe beim ‚Kaiser‘ abgeschaut.“ Der Erfolg bleibt nicht aus, mit dem Außenrist erzielte Freistoßtore werden zu einem Markenzeichen des jungen Marco.
Der technisch versierte Mittelstürmer erzielt Tor um Tor und trägt maßgeblich dazu bei, dass seine Mannschaft sich auch bei den Spielen um die Kreismeisterschaft durchsetzt. Nicht erst bei den dortigen Partien gerät der junge Torjäger in den Blick höherklassiger Vereine. Auch Gerd Grab, Talentscout der Sportfreunde Siegen, ist von Wellers Talent angetan und lotst ihn 1988 zu dem Traditionsklub an der Sieg. Der gebürtige Kirchener benötigt nicht lange, um den Trainer und die übrigen Verantwortlichen von seinen außergewöhnlichen Qualitäten zu überzeugen. Und doch schlagen ihm nicht überall Sympathien entgegen. „Zum ersten Mal spürte ich so etwas wie Neid bei meinen Mitspielern“, erinnert er sich. „In Siegen und später auch in Köln gehörte ich zu den jüngsten Spielern und wurde trotzdem recht regelmäßig in höheren Jahrgängen eingesetzt. Das kam nicht bei jedem gut an.“
Der Wechsel zum 1. FC Köln und erste Berufungen in die U16-Nationalmannschaft
Seine Ballsicherheit und sein gutes Auge für die Mitspieler sind unübersehbar und führen sehr bald dazu, dass er zum „Zehner“ umgeschult wird. Der Trainer rennt damit bei Marco Weller offene Türen ein, trägt doch dessen großes Vorbild das Trikot mit der 10: Diego Armando Maradona. „Ich halte ihn für den besten Fußballer aller Zeiten”, schwärmt er noch heute. „Niemals vor ihm und auch nie danach hat es einen Spieler wie ihn gegeben: Schnell, perfekt am Ball, torgefährlich und auch als Vorbereiter außergewöhnlich gut. Mit fairen Mitteln konnte man ihn eigentlich nicht verteidigen, ihm zuzuschauen war ein Hochgenuss.“
Diego Armando Maradona bei der WM 1982 im Spiel gegen Belgien (Foto: Steve Powell/Allsport/Getty Images)
Marco Weller eifert seinem Idol mit großem Trainingsfleiß und vielen Extraschichten in der häuslichen Umgebung nach. „Ich habe mir zum Beispiel vor unserem Haus mit Steinen eine Slalomstrecke gebaut, die ich dann mit Ball und hoher Geschwindigkeit durchlaufen bin“, erzählt er. Er ist erst 13, als er dafür mit der ersten Berufung in die Westfalenauswahl belohnt wird. Dort trifft er auf einige Mitspieler, die später auch den Weg in den Profifußball finden sollten: Dennis Vogt, Erdal Eraslan, Cetin Güner und Michael Melka. Auch in der Auswahlmannschaft wird Weller zu einer dominierenden Figur auf dem Spielfeld – wie sein Vorbild Maradona. „Ich wollte einfach jeden Ball haben, wollte das perfekte Spiel spielen, ohne Fehlpässe und misslungene Aktionen“, sagt er.
Am DFB-Schülerlager in Duisburg nimmt er mit dieser Auswahl zum ersten Mal im Jahr 1992 teil – und muss den ersten Rückschlag seines jungen Fußballerlebens hinnehmen. „Im zweiten Spiel habe ich mir bei Temperaturen weit über 30 Grad einen Sonnenstich zugezogen und musste schon zur Halbzeit mit Schüttelfrost raus“, berichtet er. „Ich habe die nächsten beiden Tage im Bett verbracht und konnte erst wieder an der letzten Partie teilnehmen.“ Dies ist wohl auch der Grund, warum er für die traditionellen Duelle der U15-Auswahl des DFB gegen England im Wembley-Stadion nur auf Abruf bereitsteht.
„Als kleiner Junge bin ich bei Fernsehübertragungen von Begegnungen der deutschen Nationalelf beim Abspielen der Hymne immer aufgestanden und habe mitgesungen. Ich habe dann meinen Eltern gesagt, dass die Hymne irgendwann einmal für mich gespielt wird.“
Marco Weller ist enttäuscht, nur allzu gerne hätte der gebürtige Kirchener zum ersten Male das Trikot mit dem Adler auf der Brust übergestreift. „Als kleiner Junge bin ich bei Fernsehübertragungen von Begegnungen der deutschen Nationalelf beim Abspielen der Hymne immer aufgestanden und habe mitgesungen“, erzählt er. „Ich habe dann meinen Eltern gesagt, dass die Hymne irgendwann einmal für mich gespielt wird.“ Die Enttäuschung ist recht schnell überwunden, als ihm die Anerkennung zuteil wird, die ihm nach dem Schülerlager noch versagt blieb: Er ist umworben, bekommt Angebote zahlreicher Bundesligisten und kann auswählen, bei welchem Klub er die Karriere zum Profi einschlagen möchte.
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Er macht sich die Entscheidung nicht leicht und bezieht auch seine schulische Ausbildung in seine Überlegungen mit ein. „Ich wollte zunächst zu Hause wohnen bleiben, um meinen Abschluss auf der Realschule in Neunkirchen zu schaffen“, erläutert er. „Deshalb kamen für mich nur Dortmund und Köln in Frage. Der BVB hatte damals eine Bombenmannschaft, und da ich sowieso seit früher Kindheit FC-Fan war und mir beim Effzeh größere Chancen ausrechnete, es dort später in die Profi-Elf zu schaffen, fiel meine Entscheidung schlussendlich zugunsten der Kölner aus.“
Die Trainingsplätze am Geißbockheim werden in der Saison 1993/94 Marco Wellers neues fußballerisches Zuhause. Trainer der B-Jugend ist Martin Siegbert und der lässt seine Schützlinge zunächst einmal laufen – Runde um Runde um den Decksteiner Weiher. „Am ersten Tag liefen wir in Richtung Blau-Weiß und nach wenigen hundert Metern hatte unser Trainer schon zig Leute gegrüßt. Da wusste ich, der läuft hier öfter und das auch noch gerne“, erinnert er sich. Für Wellers laufintensives Spiel erweisen sich diese konditionellen Grundlagen als Segen – und auch seitens des DFB meldet man sich bei ihm.
Die A-Jugend des 1. FC Köln in der Saison 1994/95, Marco Weller sitzend zwischen den beiden Keepern (Foto: Alfred A. Roth)
Er wird in den Kader der U16-Nationalelf berufen für ein Vierländerturnier in Italien und kommt zu seinem ersten Länderspiel – allerdings nicht von Beginn an. „Gegen Italien lagen wir nach der 1. Hälfte 3:0 zurück“, berichtet Weller. „Ich wurde nach der Halbzeit eingewechselt und half bei der anschließenden Aufholjagd, die in einem 3:3 endete – und das gegen die italienischen Defensivkünstler!“ Gegen Spanien und Portugal gehört er zur Startformation und erkämpft sich einen Stammplatz. Er hat es geschafft, man spielt die Nationalhymne jetzt für ihn.
Die erste schwere Verletzung, das Aus für die U16-EM, der Profivertrag beim 1. FC Köln
Auch im Verein läuft es rund für Marco Weller, er hat sich etabliert in dem Team mit seinem Nationalmannschaftskollegen Sascha Bauer und Mitspielern wie Christoph Fleck und Alexander Voigt. Er absolviert auch schon einige Partien für die A-Jugend, freut sich aber besonders auf die U16-Europameisterschaft in Irland. In der Winterpause nimmt er mit dem FC an einem Hallenturnier in Wirges teil. „Ich war zu der Zeit in der Form meines Lebens,“ erinnert er sich. „Wir gewannen das Turnier, ich wurde zum besten Spieler gewählt, verspürte aber zum ersten Male anhaltende Schmerzen in meinem Knie.“
Marco Weller muss einige Zeit aussetzen, wird aber rechtzeitig zu zwei Länderspielen gegen die Türkei wieder fit, die als letzte Vorbereitung auf die Europameisterschaft dienen sollen. Er steht im EM-Kader mit Spielern wie Robert Enke, Marco Villa und Thorsten Ziegner und hat schon mit Marco Reich, einem weiteren Mitspieler, vereinbart, dass man sich in Irland ein Zimmer teilen wird.
Im Abschlusstraining verletzt er sich das Sprunggelenk schwer, will aber unbedingt spielen. Das verletzte Gelenk wird sorgfältig getapt, schließlich wechselt sein Trainer, Bernd Stöber, ihn in der 2. Halbzeit ein. „Ich bekam den Ball, wollte ihn wie gewohnt mit dem Außenrist spielen und blieb im Rasen hängen“, erinnert er sich. „Der Schmerz war unbeschreiblich, ich konnte überhaupt nicht mehr mit dem Fuß auftreten.“ Am nächsten Tag wird er ins Trainerbüro gerufen – und ahnte schon, was kommen würde. „Bernd Stöber teilte mir mit, dass es ihm wahnsinnig leid täte, aber ich könne nicht mit zur EM, die Verletzung, ein mehrfacher Bänderriss, sei zu gravierend.“
Marco Weller vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Zypern am 21.10.1993 (Foto: Marco Weller)
Seine erste große Verletzung, der noch viele folgen sollten, beendet seinen Traum, sich auf der großen Bühne der U16-Europameisterschaft präsentieren zu können und den Lohn für die fleißige Trainingsarbeit und die vielen Extraschichten zu erhalten. „Daran habe ich schon eine Zeitlang zu knabbern gehabt,“ gibt er zu. Seine Enttäuschung macht er mit sich selbst aus, hält sie von seinen Mitspielern fern. „Damals in den 90ern waren die coolen Typen gefragt, die Spieler mit der harten Schale, die nichts zu erschüttern schien“, sagt Weller. „Da durfte man keine Schwäche zeigen, keinen Riss in der Rüstung.“ Erst später findet er Gesprächspartner unter seinen Mitspielern, mit denen er auch über Themen reden konnte, die nicht nur an der Oberfläche kratzten, sondern tiefer gingen. Sascha Bauer, Jugendnationalspieler wie Weller, gehörte dazu und auch der ein Jahr ältere Marcus Korek.
Vor der Saison 1994/1995 schließt Marco Weller die Realschule erfolgreich ab und zieht dann ins Jugendhaus des 1. FC Köln in Hürth-Efferen ein. Sein Zimmer teilt er sich mit Rocco Kühn, ebenfalls Jugendnationalspieler und 1993 aus Dresden zum 1. FC Köln gewechselt. Beide sind Teil der A-Jugend der Kölner, die von Frank Schaefer trainiert wird und mit Bauer, Fleck, Brinkmann und Fischer weitere DFB-Auswahlspieler aufbieten kann. Trotz der individuellen Stärke tut sich das Team in der Mittelrheinliga schwer und belegt zum Saisonschluss einen enttäuschenden dritten Platz hinter Bayer Leverkusen und Alemannia Aachen.
„Damals in den 90ern waren die coolen Typen gefragt, die Spieler mit der harten Schale, die nichts zu erschüttern schien. Da durfte man keine Schwäche zeigen, keinen Riss in der Rüstung.“
Möglicherweise trägt der ausbleibende Erfolg mit dazu bei, dass Wellers Verhältnis zu Frank Schaefer nicht immer frei von Spannungen ist. Nichtdestotrotz zollt ihm der Trainer Jahre später das größtmögliche Lob: “Marco war hinsichtlich seiner Ballbehandlung und der Ballmitnahme bei höchstem Tempo und auf engstem Raum der beste Spieler, den ich je trainiert habe,“ stellte der Übungsleiter fest, der unter anderem Lukas Podolski zu seinen Schützlingen zählte. Allerdings hindern anhaltende Patella-Probleme den jungen Mittelfeldspieler in dieser Saison daran, diese Qualitäten regelmäßig auf den Platz zu bringen. Diese Verletzungsprobleme führen auch dazu, dass er nur zu einem U17-Länderspieleinsatz gegen Ungarn kommt.
In seinem zweiten A-Jugendjahr wird Weller von Siggi Marti trainiert und gewinnt mit einem im Vergleich zum Vorjahr deutlich schwächeren Team die Mittelrheinmeisterschaft. Wellers Freude über das gute Abschneiden der Mannschaft wird allerdings durch die immer schlimmer werdenden Knieprobleme getrübt. Oft muss er mit dem Training aussetzen und verpasst verletzungsbedingt auch so manches Spiel. Und trotzdem – Marco Weller bleibt auch in dieser Situation ein Perfektionist mit höchsten Ansprüchen an sich selbst und an sein Spiel. „Wir haben in der Saison ein Freundschaftsspiel in Olpe gemacht, das wir 8 oder 9:0 gewonnen haben,“ sagt er. „Ich habe zwei oder drei Tore selber erzielt und war Vorlagengeber bei den restlichen Treffern. Siggi Marti hat mir nach dem Spiel zu meiner Leistung gratuliert, ich aber war sauer, weil ich einen (!) Fehlpass gespielt hatte.“
Spieler mit solch hohen Ansprüchen an die eigenen Leistungen sind gefragt, und so überrascht es nicht, dass die Verantwortlichen des 1. FC Köln trotz der Verletzungsprobleme seinen auslaufenden Vertrag verlängern und ihn längerfristig an den Verein binden wollen. Manager Bernd Cullmann führt die ersten Verhandlungen mit dem Jugendnationalspieler und mit Karl-Heinz Thielen, seinem Berater. Schließlich einigen sie sich auf einen Zweijahresvertrag mit einjähriger Option, den Weller nach Cullmanns Entlassung in Anwesenheit von Geschäftsführer Wolfgang Loos unterschreibt. Das Ziel, Profi zu werden, hat Marco Weller erreicht, er freut sich darüber, ist aber weit davon entfernt, euphorisch zu werden. „Für mich war das ein weiterer Schritt, meinen Traum zu verwirklichen“, stellt er fest. „Stammspieler bei den Profis und A-Nationalspieler zu werden, das waren meine eigentlichen Ziele.“
Peter Neururer, der den FC in einem dramatischen Endspurt in der Saison 1995/96 vor seinem ersten Abstieg aus der Bundesliga bewahrt hat, ist Wellers erster Profitrainer. Die Saison lässt sich gut an, der Coach ist von Trainingsleistungen des früheren Siegeners sehr angetan und versichert in einem Telefonat mit Berater Thielen, dass er zukünftig auf den jungen Mittelfeldspieler setzen wolle. Doch nur wenige Tage später werden Wellers Hoffnungen vorerst zunichte gemacht, als er sich in einem Trainingszweikampf mit Janosch Dziwior einen Bänderriss im Knöchel zuzieht und zwei Monate pausieren muss.
Stammplatz in der Reha, neue Hoffnung unter Bernd Schuster, weitere Verletzungen
Auch wenn danach die körperlichen Folgen der Blessur überwunden sind, merkt Marco Weller, dass sich bei ihm etwas verändert hat. „In mir ist damals etwas kaputtgegangen, meine Einstellung zum Fußball war plötzlich eine andere“, erläutert er. „Vorher musste ich unbedingt jeden Ball haben, das Spiel an mich reißen, jetzt wollte ich nur nicht negativ auffallen, entwickelte eine Mitschwimmer-Mentalität.“ Neururer führt zunächst die eher mäßigen Trainingsleistungen seines Schützlings auf die soeben überwundene Verletzung zurück und will ihm Spielpraxis bei den Amateuren verschaffen.
Der junge Mittelfeldspieler nimmt am Abschlusstraining der Zwoten teil, bekommt aber von Trainer Stephan Engels kein Leibchen, das den Spielern vorbehalten ist, die zur Startelf beim anstehenden Spiel gehören. Was dann folgt, schildert Weller so: „Nach dem Training ging ich zur Behandlung bei Jürgen Schäfer und traf dort auf Michael Kostner und Bodo Schmidt. Wir unterhielten uns, Kostner fragte mich, ob ich das nächste Spiel bei den Amateuren bestreiten und dort in der Startelf stehen würde. Ja, ich werde wohl spielen, aber nicht von Anfang an. Daraufhin entrüsteten sich beide und rieten mir, nochmals zu Stephan Engels zu reden, das ginge doch nicht, dass eines der größten Talente Deutschlands bei den Amas auf der Bank sitzen müsse!“
Schnurstracks sucht Weller den Trainer auf, der ihm in ruhigen Worten erklärt, dass er zum Kader für das anstehende Spiel gehöre, aber nicht in der Startelf stehe. „Daraufhin habe ich Stephan Engels gesagt, dass er nicht mit mir rechnen könne. Wenn ich nicht von Anfang spiele, müsse ich ja auch nicht mitfahren.“ Als Peter Neururer von diesem Gespräch hört, rastet er förmlich aus. „Er schrie mich an, was ich mir einbilden würde, das wäre doch kein Kasperltheater hier“, erzählt Weller. Der Coach will sowohl ihn als auch Mitspieler Marcell Fensch aus dem Profikader verbannen und ganz zu den Amateuren schicken, was aber dann doch durch die Intervention des neuen Managers, Carl-Heinz Rühl, unterbleibt. So trainieren beide weiter bei den Profis, spielen jedoch bei den Amateuren.
Wellers Situation im Verein ändert sich auch in der Folgesaison nicht, dafür bezieht seine Hoffnung auf Besserung Nahrung dadurch, dass DFB-Trainer ihn in die U21-Nationalelf beruft. Doch auch hier wiederholt sich ein schon bekanntes Muster: Der Silberstreif am Horizont wird zunichtegemacht durch eine neuerliche Verletzung, diesmal ein Anriss der Patellasehne, den er sich in seinem zweiten U21-Länderspiel zuzieht. Beim FC hat das Traineramt inzwischen gewechselt, Lorenz-Günther Köstner ist auf Neururer gefolgt. Viele Begegnungen gibt es nicht zwischen dem jungen Mittelfeldspieler und dem neuen Trainer. Weller hat gerade erst zweimal unter Köstner trainiert, als es zu der Blessur kommt.
Für den ehemaligen Herdorfer fängt nun eine lange Reha-Phase an, die fast ein ganzes Jahr dauern sollte. Seine Tage verbringt er in Behandlungsräumen, auf Massageliegen und mit Gymnastikbällen. Er hat inzwischen eine eigene Wohnung in Frechen-Königsdorf und nutzt die Abende, um sich abzulenken und von den Strapazen der Reha zu erholen. Er sucht Zerstreuung, die Lichter der Großstadt locken, zieht um die Häuser und lässt dabei so manches Mädchenherz höherschlagen.
Doch die Knieprobleme bleiben, und im Mai 1998 lässt er sich auf Anraten von Bayern-Arzt Müller-Wohlfahrt bei einem Kniespezialisten in Bern operieren. Das Ergebnis ist deprimierend: „Der Chirurg sagte mir nach der OP, dass sich durch die vielen Kniespritzen totes Gewebe in der Patellasehne gebildet habe, dessen unerlässliches Entfernen ein Loch in der Sehne hinterlassen habe, das nicht genäht werden konnte“, berichtet Weller. Wieder prägen Reha-Maßnahmen seinen Alltag, doch diesmal nimmt er sich vor, stärker zurückzukommen als je zuvor. Nach Beendigung der postoperativen Behandlungen erlegt er sich unter Anleitung von Konditionstrainer Uwe Speidel ein straffes Fitnessprogramm auf, das aus je einer Einheit Laufen und Krafttraining besteht – und das Tag für Tag.
Bernd Schuster, Trainer des 1. FC Köln in der Saison 1998/99 (Foto: Tobias Heyer/Bongarts/Getty Images)
Inzwischen hat er den ersten Abstieg in der Bundesligageschichte des 1. FC Köln tatenlos mit ansehen müssen und auch ein neuer Trainer erwartet die Profis im Sommer 1998 – Bernd Schuster, ein Weltstar mit FC-Vergangenheit. Marco Weller zieht sein spezielles Kraft- und Ausdauerprogramm eisern durch und, als er im November ins Mannschaftstraining zurückkehrt, ist er so fit wie nie zuvor. „Ich hatte ein sehr gutes Gefühl, hatte keine Schmerzen und konnte laufen ohne Ende“, erinnert er sich. Bernd Schuster wird schnell auf Marco Weller aufmerksam, spricht viel mit ihm und bindet ihn immer mehr ein.
Der junge Mittelfeldspieler schöpft Hoffnung, es stimmt alles, Trainingsleistungen, Fitnesszustand und mentale Frische. Ende November ist es dann so weit. Schuster nimmt ihn zur Seite und teilt ihm mit, dass er gegen Tennis Borussia sein erstes Spiel machen werde. Vorher solle er noch mit den Amateuren in Langerwehe spielen, um die nötige Spielpraxis zu bekommen. Für Marco Weller scheint das Ziel endlich greifbar nahe, der erste Profieinsatz nur noch wenige Tage entfernt. Doch, wie so oft in seiner Karriere, kommt alles ganz anders. „Das Spiel in Langerwehe ging gut los“, erinnert er sich. „Ich habe nach wenigen Minuten ein Tor gemacht und wollte kurze Zeit später einem langen Ball hinterhersprinten, als es in meinem rechten Oberschenkel „Peng“ machte. Ein Faserriss – Trainingspause, Spielpause, die Partie bei den Profis musste ich mir abschminken.“
Marco Weller will sich davon nicht unterkriegen lassen und trainiert in der Reha, soweit es die Verletzung zulässt. Macht viel, vielleicht zu viel, wie einige meinen. „Die Physios warnten mich, meinem Körper nicht zu viel zuzumuten“, sagt er. „Ich wusste, Schuster setzte auf mich. Und da war die Chance, ein zweites Mal würde ich sie nicht verpassen.“ In der Winterpause nimmt Schuster ihn mit zum Trainingslager der Profis in Chile. „Wir stiegen aus dem Flugzeug aus, kamen aus der winterlichen Kälte in Deutschland und trafen auf hochsommerliche Temperaturen von 30 Grad und mehr,“ erzählt er. „Beim Aufwärmen vor dem ersten Training war ich schon völlig fertig, hatte das Gefühl, kaum Luft zu bekommen. Da war es, das körperliche Loch, vor dem mich alle gewarnt hatten.“
Das Ende seiner Zeit beim FC, der Wechsel nach Dresden, die Rückkehr in den Westen
Der 1. FC Köln nimmt bei seinem 13tägigen Aufenthalt in Santiago de Chile an einem Turnier teil, das nach einem 4:1-Endspielsieg gegen Lausanne Sports gewonnen wird. Marco Weller ersetzt in den letzten 13 Minuten Mittelfeldstar Dorinel Munteau und darf den Siegerpokal mit hochstemmen, merkt aber selber, dass sein Körper den Anstrengungen der vorigen Reha-Phasen nun Tribut zollen muss. So verwundert es nicht, dass Bernd Schuster von Wellers Leistungen wenig erbaut ist. Dessen Verhältnis zum Trainer kühlt in der Folgezeit merklich ab. „Als ich nach der Winterpause zur U21-Nationalelf eingeladen wurde, wollte er mich nicht fahren lassen“, erläutert Weller. „Er sagte, dass ich mir die Einladung nicht verdient hätte. Erst nach einem Telefonat mit DFB-Trainer Hannes Löhr bekam ich dann grünes Licht.“
Die Erklärung dafür, warum Schuster wie auch einige andere Trainer daran Zweifel gehegt haben mögen, dass Wellers zahlreiche Ausfallzeiten nicht immer nötig gewesen wären, fand er viele Jahre später heraus. „Ein Freund zeigte mir ein Video von einem Hallenturnier in Krefeld, an dem ich mit der Traditionself teilgenommen hatte,“ erzählt er. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt erhebliche Knieprobleme und habe schnelle Drehungen und Zweikämpfe weitgehend vermieden. Ich war daher erstaunt, als ich auf dem Video sah, wie rund ich lief und wie flüssig ich mich bewegte, von den Einschränkungen durch meine Knieschmerzen war nichts zu sehen.“ Er hält kurz inne. „Deshalb muss es für Trainer wie Neururer und Schuster im Training den Anschein gehabt haben, dass mir nichts fehlte und ich aufgrund dessen einiges mehr hätte leisten können. Lediglich Co-Trainer Günter Güttler ist es aufgefallen, dass ich nicht rund lief und dass irgendwas passieren musste.“
Marco Weller nach dem Turniersieg der Traditionself des 1. FC Köln bei einem Turnier in Frankfurt 2012 (Foto: Marco Weller)
Der direkte Wiederaufstieg des 1. FC Köln ist inzwischen in weite Ferne gerückt, die zweite Mannschaft der Kölner ist allerdings in der Oberliga Nordrhein in arge Abstiegsnöte geraten. Schuster schickt Marco Weller zusammen mit seinen Mitspielern Stephan Glaser und Claudio Marasa runter zu den Amateuren, um das dortige Team zu verstärken und den Klassenerhalt doch noch zu sichern. Dies gelingt schneller als gedacht, ab April trainiert Weller wieder mit den Profis. Bernd Schuster sind die ansprechenden Auftritte des jungen Mittelfeldspielers bei den Amateuren nicht verborgen geblieben und möchte ihm eine neue Chance geben, im vorletzten Spiel der Saison beim Karlsruhe SC. „Vorher sollte ich noch mit den Amateuren gegen Straelen spielen, um für das Spiel beim KSC bereit zu sein“, erzählt Weller. „Mich plagten zu der Zeit wieder Knieprobleme und ich hatte deswegen eine kurze Zündschnur. Eins kam zum anderen, ich beging ein Frustfoul und sah die Rote Karte. Nichts war es mit dem Einsatz gegen den KSC, die Saison war für mich vorbei.“
„Ich hatte ein langes Gespräch mit Hannes Löhr, der mir zu einer Luftveränderung riet, weil es in meinem Alter und nach so langer Verletzungspause wichtig sei, Spielpraxis zu sammeln.”
Nicht nur das. Sein Vertrag läuft aus, der Verein ist nach wie vor von seinem großen Potenzial überzeugt und will verlängern, auch Ewald Lienen, der das Traineramt in der Folgesaison übernimmt, möchte Marco Weller halten. Der hat sich aber bereits anders entschieden. „Ich hatte ein langes Gespräch mit Hannes Löhr, der mir zu einer Luftveränderung riet, weil es in meinem Alter und nach so langer Verletzungspause wichtig sei, Spielpraxis zu sammeln,“ berichtet der frühere Siegener. „Dynamo Dresden, damals in der Regionalliga Nord/Ost beheimatet, war interessiert. Deren Trainer war Colin Bell, der zwei Jahre lang Co-Trainer bei den Profis gewesen war und mich aus der Zeit gut kannte. Ich unterschrieb bei Dynamo und zog nach Dresden.“
Beim achtmaligen DDR-Meister, siebenfachen Pokalsieger und Stammgast in den europäischen Wettbewerben ist der Ruhm dieser Erfolge längst verblasst. In den späten 90ern dümpelt der Traditionsverein in den Niederungen der Regionalliga Nord/Ost vor sich her und träumt von besseren Zeiten. Man setzt große Hoffnungen in den U21-Nationalspieler Marco Weller, der sich zum Taktgeber und Dirigent im Mittelfeld aufschwingen soll. Doch wie so oft plagen den Neuzugang vom 1. FC Köln Verletzungsprobleme. Eine hartnäckige Achillessehnenreizung hindert den früheren Siegener daran, sein Potenzial abzurufen. Er quält sich zum Training, beißt lange die Zähne zusammen, doch Anfang Dezember 1999 bestreitet er bei dem Kurzeinsatz im Spiel gegen Sachsen Leipzig seine letzte Partie für Dynamo.
Was folgt, kennt er nur allzu gut: Physiotherapie, Medikamente gegen die Schmerzen, Therapiemaßnahmen, um den Heilungsprozess der entzündeten Sehne in Gang zu setzen. Monate später stellt sich heraus, dass ein Knochensplitter, verursacht durch eine alte Knöchelverletzung, für die ständige Reizung der Sehne verantwortlich ist. An Fußball ist nicht zu denken, Marco Weller will einfach nur wieder gesund werden. Weit mehr als ein Jahr wird vergehen, bis er wieder auf den grünen Rasen zurückkehren kann.
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Seine Zelte in Dresden hat er bereits nach seinem letzten Spiel abgebrochen und ist nach Herdorf zu seinen Eltern zurückgekehrt. Im Frühjahr 2001 sind die Beschwerden so weit abgeklungen, dass er wieder an eine intensivere Beschäftigung mit dem runden Leder denken kann. Das Training bei den Sportfreunden Siegen, seinem Jugendverein, absolviert er ohne größere Probleme und liefert dabei Kostproben seines großen Könnens, die die Siegener Verantwortlichen schließlich dazu bewegen, ihn unter Vertrag zu nehmen. Ende Mai, am letzten Spieltag der Regionalligasaison, bestreitet er sein erstes Spiel für die Siegener und erzielt das Siegtor zum 3:2-Auswärtssieg bei 1860 München.
In der zweiten Partie der Saison 2001/02 gelingt ihm das Tor zum 1:0-Erfolg über den VfR Aalen, doch der vermeintliche Silberstreif am Horizont erweist sich erneut als trügerisch, die Verletzungsprobleme suchen ihn immer wieder heim. Der Rücken, die Knie und erneut die Achillessehne erlauben lediglich zwei Einsätze von Beginn an, eine Einwechselung bei der Partie gegen die zweite Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern lässt ihn noch einmal für wenige Minuten das Trikot der Sportfreunde tragen, dann geht auch dieses Kapitel zu Ende.
Der langsame Abschied als Spieler und Neustart als Trainer
Und doch keimt noch einmal Hoffnung auf, Ende April informiert ihn Tony Woodcock, inzwischen Manager bei Eintracht Frankfurt und sein Nachbar in Königsdorf, über das Interesse der Hessen an einer Verpflichtung des inzwischen 24jährigen Mittelfeldspielers. Weller nimmt mit der Eintracht an einem Turnier in Sevilla teil und kommt in der Partie gegen Bröndby zum Einsatz. „In der Halbzeit gab Trainer Armin Kraaz der Mannschaft Anweisungen für die 2. Hälfte und deutete auf mich, als er dem Team sagte, dass sie genauso agieren sollten wie ich“, erinnert er sich. „Ich war erstaunt, mehr als das, ich war total baff, denn ich hatte noch nie zuvor einen Trainer so etwas über einen Testspieler sagen hören.“
Woodcock fährt unmittelbar nach dem Turnier in Urlaub, sichert Weller aber zu, nach seiner Rückkehr die vertraglichen Dinge zu besprechen. „Noch während seines Urlaubs wurde Woodcock entlassen und Trainer Kraaz kurz danach“, berichtet er. „Vorbei war es mit dem Interesse der Eintracht.“ Spätestens jetzt ist sein Traum von einer Karriere als Profi endgültig ausgeträumt.
Der VfL Hamm, dem sich Marco Weller zur Saison 2002/03 anschließt, bietet ihm die Möglichkeit, seine Fußballkarriere in Heimatnähe fortzusetzen und gleichzeitig den schon in Siegen begonnenen, dann aber unterbrochenen Zivildienst zu Ende zu führen. Der Klub gehört der Oberliga Südwest an und findet sich recht bald in Nähe der Abstiegsränge wieder. Zwei Trainerwechsel vermögen den Abstieg in die fünftklassige Rheinlandliga ebenso wenig zu verhindern wie Marco Wellers fünf Tore, die er in 30 Einsätzen verbuchen kann. Die Kölner Viktoria, die in der Oberliga Nordrhein beheimatet ist, meldet sich bei dem früheren Spieler des 1. FC Köln und verpflichtet ihn für die Saison 2003/04. Bei dem rechtsrheinischen Traditionsclub trifft Weller mit Trainer Matthias Hönerbach und den Spielern Daniel Oplustil und Umit Kekilli auf Fußballer mit einer FC-Vergangenheit.
Die Viktoria startet gut in die Saison und findet sich zunächst in der Spitzengruppe wieder, bevor das Verletzungspech mit ungeahnter Wucht zuschlägt. „Es fielen acht oder neun Stammspieler mit zum Teil langwierigen Verletzungen aus, so dass die Viktoria mit vielen jungen Akteuren antreten musste“, erinnert sich Weller. „Auch ich zog mir zwei Bänderrisse zu und fiel in der Endphase der Saison aus, als sich das Team mit Macht gegen den Abstieg wehrte, ihn schlussendlich aber nicht verhindern konnte.“
Obwohl er gerade erst 27 geworden ist, arbeitet Marco Weller fortan daran, eine Perspektive außerhalb des grünen Rasens zu finden. Er hat vor einiger Zeit eine Ausbildung zum Speditionskaufmann begonnen, die er 2006 mit einer IHK-Prüfung erfolgreich abschließt. Seine fußballerische Laufbahn setzt er in der Oberliga Südwest bei der SG 06 Betzdorf fort, für die er in den folgenden fünf Jahren seine Fußballschuhe schnüren wird.
Wie in Hamm und auch bei der Viktoria geht es für Weller mit den Betzdorfern zunächst um den Kampf gegen den Abstieg. In seiner ersten Saison wird der Klassenerhalt noch so eben geschafft, die zweite endet mit dem Abstieg in die Rheinlandliga. Mit Walter Reitz als neuem Trainer gelingt in der Saison 2006/2007 der sofortige Wiederaufstieg und die Etablierung des Vereins in der Oberliga Südwest, wozu Marco Weller durch 32 Einsätze und sechs Treffer in nicht unerheblichem Maße beiträgt. Freiwillig nimmt der frühere Kölner dann den Abstieg in die Kreisliga A in Kauf, als er sich zur Saison 2009/2010 dem VfB Wissen anschließt, für den er zunächst als Spieler und dann als Spielertrainer die Fußballschuhe schnürt. Schließlich konzentriert er sich ganz auf das Traineramt, erwirbt die Trainerscheine C bis A und verhilft dem Verein zur Saison 2014/15 zum Aufstieg in die Bezirksliga. Für manchen Beobachter überraschend trennen sich Verein und Trainer im November 2014 in gegenseitigem Einvernehmen.
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Nach gut einem Jahr Pause kehrt Marco Weller auf die Trainerbank zurück und übernimmt die Übungsleitung bei einem ihm wohlbekannten Verein, der SG 06 Betzdorf. In den nächsten drei Jahren gelingt es ihm, mit der SG den Klassenerhalt in der Rheinlandliga zu sichern. Nach Ablauf seines Vertrages geht Marco Weller aus beruflichen Gründen nach München und nimmt eine zwei Jahre währende Pause vom Fußball. In der Winterpause 2020/21 meldet sich sein Jugendverein, die Sportfreunde Siegen, bei ihm und überträgt Weller das Traineramt der U19 des Vereins. Doch inzwischen hat die Pandemie Deutschland fest im Griff und so kommt es zu der kuriosen Situation, dass Marco Weller bis zum Ablauf des Vertrages im Sommer 2021 kein einziges Mal mit der Mannschaft auf dem Trainingsplatz steht.
Foto: Sportfreunde Siegen
Der SV Ottfingen, ein Traditionsverein aus dem Sauerland, verpflichtet Weller zur Saison 2021/22 und ist mit dessen Arbeit so zufrieden, dass sein Vertrag schon nach wenigen Monaten um ein weiteres Jahr verlängert wird. Die Verantwortlichen des „Am Siepen“ beheimateten Klubs begründen diesen Schritt so: „Wir sind von seiner Arbeit sowie seiner Art der Mannschaftsführung sehr angetan und überzeugt. Wie er, trotz der großen Verletztenmisere, die Mannschaft weiterentwickelt hat und wie man seine Handschrift im Spiel sehen kann, spricht für sich.“
Beruflich in Köln aktiv – und auch für den 1. FC Köln am Ball
Auch der frühere U21-Nationalspieler ist froh darüber, über die laufende Saison hinaus die Gelegenheit zu haben, sein Team zu entwickeln, seine Spielphilosophie zu vermitteln. Dass der ehemalige „Zehner“ dabei einen spielerischen Ansatz wählt, kann kaum überraschen. „Meine Spieler sollen Spaß am Fußball haben,“ erläutert er. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man den hat, wenn man aktiv am Spielgeschehen teilnimmt, spielerische Lösungen findet und mit flüssigem Kombinationsfußball zu Torchancen kommt.“
Auch beruflich hat Marco Weller eine neue Heimat gefunden. Seit dem 1. Juli 2021 ist er für die Swiss Life Select in Köln tätig und verstärkt dort das Team um die ehemaligen FC-Spieler Thomas Olschewski, Sebastian Zinke und Jerome Assauer. „Mich hat überzeugt, wie vielfältig und interessant die Arbeit dort ist und wie sehr der Kunde dabei im Mittelpunkt steht,“ sagt er. Zum Kundenstamm gehören zahlreiche aktive und ehemalige Fußballprofis, so dass Themen rund um das runde Leder auch bei Beratungsgesprächen immer mal wieder präsent sind.
Marco Weller an seinem 1. Tag bei Swiss Life Select mit Direktor Thomas Olschewski (Foto: Thomas Olschewski)
Ich frage Marco Weller, ob er noch Verbindungen zum 1. FC Köln hat. „Aber ja“, antwortet er und da blitzt es auf, das jungenhafte Lächeln. „Seit 2009 spiele ich in der Traditionself des 1. FC Köln mit ehemaligen Mitspielern wie Carsten Cullmann, Holger Gaißmayer und Thomas Cichon, aber auch mit FC-Größen wie Stephan Engels und Wolfgang Overath.“ Besonders beeindruckt ist er von dem nach wie vor großen Ehrgeiz des Ex-Präsidenten und 81fachen Nationalspielers der Kölner, Wolfgang Overath, den er in vielen der über 100 Spiele, die Weller für dieses Team bislang bestritten hat, erleben konnte. „Er will immer noch jeden Ball“, sagt er. „Wie damals, beim Stützpunkttraining in Hennef, als ich zum ersten Male auf ihn traf.“
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In den 80ern und 90ern trainierten die talentiertesten Nachwuchsfußballer des Mittelrheins und Rheinlands einmal die Woche dort unter der Anleitung ehemaliger Profis wie Ewald Hammes und eben Wolfgang Overath. „Overath nahm jedes Mal am Abschlussspiel teil“, erinnert sich Weller. „Und da wurde dann so lange gespielt, bis Overaths Team gewonnen hatte und das konnte dauern.“ Er schmunzelt. „Das haben wir natürlich irgendwann spitzgekriegt und ein paar Törchen mehr zugelassen als nötig, damit die Partie nicht zu lange dauerte.“
In der Rückschau, wie sieht die Bilanz seiner Karriere als Fußballer aus? Marco Weller muss nicht lange überlegen: „Niemand weiß, was möglich gewesen wäre, hätte es nicht diese zahllosen Verletzungen gegeben. Es gab nicht wenige Spielzeiten, in denen ich deutlich mehr Zeit im Behandlungsraum, beim Arzt und beim Reha-Training verbracht habe.“ Er hält kurz inne. „Aber es hat auch Schönes gegeben. Die Spiele für die U-Nationalteams, die Freistoßtore mit dem Außenrist, die Pässe, mit denen eine ganze Abwehr ausgehebelt wurde. Die Finten, die gelangen, die Tricks. Und auch heute, mit 44 Jahren, juckt es mich immer noch in den Füßen, spiele ich im Training immer mal wieder mit.“ Ein versonnenes Lächeln huscht über sein Gesicht. „Mit dem Ball am Fuß ist die Welt eigentlich immer in Ordnung.“
“Und auch heute, mit 44 Jahren, juckt es mich immer noch in den Füßen, spiele ich im Training immer mal wieder mit. Mit dem Ball am Fuß ist die Welt eigentlich immer in Ordnung.“
Was braucht es, damit aus einer verheißungsvollen Begabung auch eine große Karriere wird? „Manch einer hat Glück und ist zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Ich bin der Meinung, wenn jemand außerordentlich gut ist, wird er sich schon irgendwann durchsetzen. Vorausgesetzt, die Gesundheit spielt mit,“ sagt er. „Vor allem aber braucht es eine eiserne Entschlossenheit, einen unbändigen Willen, es schaffen zu wollen. Günter Güttler zum Beispiel, der Co-Trainer von Peter Neururer in Köln war, hat mit Lothar Matthäus in Herzogenaurach das Fußballspielen gelernt. Es gab nicht wenige Fachleute, die Güttler für das größere Talent hielten, aber nicht er, sondern Matthäus hat eine einzigartige Karriere hingelegt und ist Rekordnationalspieler geworden. Weil er mit jeder Faser seines Körpers wollte und mit größter Konsequenz seine Ziele angestrebt hat, Profi zu werden, Titel zu sammeln und bei den besten Clubs Europas zu spielen.“
Foto: instagram/mwell10
Wenig später beenden wir unser Gespräch. Es war kurzweilig, die drei Stunden, die es dauerte, sind wie im Flug vergangen. Vieles wurde gesagt, Interessantes erzählt, Schönes und Trauriges berichtet. Und doch – ein Satz hallt nach, will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen: Mit dem Ball am Fuß ist die Welt eigentlich immer in Ordnung. Stimmt, denke ich, in Zeiten wie diesen vielleicht mehr denn je. Und der Satz trifft wohl besonders auf denjenigen zu, der ihn geprägt hat, auf meinen Gesprächspartner von eben, auf Marco Weller.
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