Laura Philipp: Mit TSG-Unterstützung auf Hawaii | OneFootball

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TSG Hoffenheim

·4. Oktober 2022

Laura Philipp: Mit TSG-Unterstützung auf Hawaii

Artikelbild:Laura Philipp: Mit TSG-Unterstützung auf Hawaii

Laura Philipp ist eine außergewöhnliche Sportlerin mit einer besonderen Geschichte: Die 35-Jährige lief im Alter von 24 Jahren ihren ersten Triathlon – und hält mittlerweile den Weltrekord im Ironman, dem härtesten Rennen der Welt. Am 6. Oktober startet die Kraichgauerin zum zweiten Mal auf Hawaii. Teile ihrer Vorbereitung auf das weltberühmte Rennen absolvierte sie im TSG-Trainingszentrum in Zuzenhausen – und wird auf Big Island an den Start gehen, um den aus 3,8 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren und 42,2 km Laufen bestehenden Ultra-Triathlon erstmals auf Hawaii zu gewinnen.

In der Schule lernt man für das Leben – diesen Grundsatz kennt jedes Kind. Dass man allerdings auch auf dem Weg zur Schule den Grundstein für seine Zukunft legen kann, ist eine eher weniger verbreitete Erkenntnis. Doch die Entwicklung von Laura Philipp zur weltbesten Extrem-Triathletin ist eine Geschichte voller ungewöhnlicher Wendungen. Und so passt es ins Bild, dass die gebürtige Karlsruherin noch immer von den Erfahrungen zehrt, die sie einst auf dem Weg zur Wieblinger Walldorfschule und zurück ins heimische Lobbach machte: 60 Kilometer legte die damalige Oberstufenschülerin täglich mit ihrem Rad zurück und überwand dabei etliche Höhenmeter. In den Stunden auf ihrem Mountainbike fand die Ausnahmeathletin Gefallen am Kampf gegen sich selbst, entdeckte ein seltenes Faible für Selbstqual und lernte vor allem, dass die körperlichen Grenzen weit jenseits derer liegen, die jeder für sich persönlich definiert.


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Dass sie gut 15 Jahre später den Ironman auf Hawaii absolvieren und in der Folge die weltbeste Zeit in diesem Wettbewerb unterbieten würde, war damals weder Traum noch ein Gedankenspiel – Laura Philipp konnte als Teenagerin nicht einmal sonderlich gut schwimmen und beschränkte sich damals im Wasser vor allem darauf, nicht unterzugehen: „Mit Wasser hatte ich nur beim Duschen Kontakt.“

Ihren ersten Triathlon absolvierte sie mit 24 Jahren, der Aufstieg in die Weltspitze begann in einem Alter, in dem andere Spitzensportler ihre Karriere beenden. Und das in einer Sportart, in der sie nicht mal die Regeln kannte, als ihre derzeitigen Rivalinnen ihren Lebensrhythmus längst dem Triathlon angepasst hatten. 18 Jahre nach den freiwilligen Fahrradtouren und tausende Trainingsstunden später, tritt Philipp im Alter von 35 Jahren auf Hawaii an, um den Ironman in Rekordzeit zu gewinnen und sich zur schnellsten Triathletin der Historie zu küren.

Kurz vor dem Abflug auf die traumhaft schöne Inselkette ist Philipp zurück im Kraichgau. In Zuzenhausen besucht sie die Geschäftsstelle der TSG Hoffenheim, für die sie auf Big Island an den Start gehen wird. Die enorme Vorfreude auf den in den vergangenen zwei Jahren ausgefallenen Wettbewerb ist ihr in jeder Sekunde anzumerken. Sie lacht, spricht mit ihren Augen fast so viel wie mit ihrem Mund und es ist kein Körpersprachen-Studium notwendig, um abzulesen: Laura Philipp ist bereit. Sie freut sich auf die bevorstehende Tortur, den mit vielen Schlägen und Tritten verbundenen Start des Schwimmens über 3,8 km, die erbarmungslose Hitze auf der 180,2 km langen Radstrecke, den mental und physisch quälenden Marathon zum Abschluss des mehr als acht Stunden dauernden Ultra-Triathlons, den die meisten Normalsterblichen nicht einmal in einer Woche absolvieren könnten.

Zu ihnen zählte sich auch Philipp mehr als ihr halbes Leben lang – allerdings gaben die damaligen Fahrten zur Schule ihr schon früh Hinweise auf ihr besonderes Talent, die sie zunächst aber nicht entschlüsseln konnte. „Der Heimweg war immer ein bisschen zäh. Ich war energiemäßig eigentlich immer unterversorgt, bin nach der letzten Stunde hungrig aufs Rad und dann noch mal eine Stunde nach Hause gefahren. Am Schluss wartete dann jedes Mal noch ein Anstieg, da habe ich eigentlich immer einen Hunger-Ast gehabt.“ Doch sie überwand die Qualen – und setzte sich am nächsten Tag wieder auf ihr Rad. Eine Kämpferin, diszipliniert, schonungslos gegen sich selbst und mit einem klaren Ziel vor Augen. Dass war Laura Philipp schon damals – allerdings auch eine junge Frau, die die Vorzüge des Lebens genoss, gern feierte und lange Zeit gar nicht so recht wusste, was sie beruflich machen wollte.

Dass sie nun als Profi-Sportlerin ihr Geld verdient, macht sie „stolz“, bringt sie rückblickend aber noch immer zum Lachen. „Das hätte ich niemals gedacht – und meine Eltern erst recht nicht“, sagt sie. Dabei war ihr erster Kontakt mit dem Triathlon-Sport bereits von beruflicher Natur.

„Ich bin Hoffenheim-Fan“

Hoffenheim beim Ironman auf Hawaii – was unglaublich klingt, wird am 6. Oktober Realität. Dann startet Laura Philipp beim berühmtesten Triathlon der Welt. Möglich wurde die besondere Beziehung durch Athletik-Trainer Christian Neitzert, der den Bundesligisten und die Ausnahme-Sportlerin aus dem Kraichgau betreut und beide Seiten zusammenbrachte. „Ich bin Hoffenheim-Fan und auch oft im Stadion. Leistungssport begeistert mich, und ich finde es extrem gut, in der Arena die Spiele live zu erleben. Das ist nochmal ein ganz anderes Gefühl als vor dem Fernseher. Zudem durfte ich in der Vorbereitung die sensationellen Möglichkeiten der TSG nutzen. Das Gelände mit all seinen Möglichkeiten ist in meinen Augen ein Paradies. Ein Trainingszentrum mit dieser Ausstattung – da schlägt mein Herz höher. Dass es so etwas quasi vor meiner Haustür gibt, hat mich immer angezogen. Und dann kam auf die Idee, dass ich doch für die TSG starten könnte – und aus Spaß ist Ernst geworden. Ich freue mich sehr, denn Hoffenheim ist ein echt cooler Verein aus meiner Heimatregion. Das passt einfach und fühlt sich konsequent und richtig an“, sagt die 35-Jährige. Die Zusammenarbeit mit Neitzert hat sich für Philipp längst ausgezahlt. Zukünftig wird sie sogar offiziell für die TSG Hoffenheim an den Start gehen und ihren Lieblingsklub dann international präsentieren.

Der Fitness-Experte, der vor seiner Zeit bei der TSG im Radsport tätig war, half ihr, „Dysbalancen auszugleichen“ und sie „auf ein neues athletisches Niveau zu bringen“. Während der gemeinsamen Arbeit sprachen beide auch stets über die TSG, Unterschiede und Gegensätze zwischen den Sportarten und Besonderheiten des Fußballs. Eine Sportart, die Philipp sehr interessiert und in der sie trotz aller Unterschiede auch Gemeinsamkeiten ausgemacht hat: „Triathlon und Fußball haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun, aber es gibt dennoch viele Parallelen. Die Fokussierung auf ein Ziel, die enorme mentale Herausforderung, abliefern zu müssen und auf den Punkt fit zu sein. Ich finde das sehr spannend und tausche mich gern mit Fußballern aus.“

Doch nicht nur die Räumlichkeiten der TSG – auch der heimische Kraichgau war ein elementarer Teil ihrer Ironman-Vorbereitung. Die hügeligen Landschaften, in dieser Saison sogar ins Hoffenheimer Heimtrikot eingearbeitet, sind ein perfektes Trainingsumfeld: „Es war im Sommer sehr heiß, da konnte ich mich gut auf die Hitze vorbereiten, die mich erwartet. Zudem machen die Hügel fit, es geht wie auf Hawaii rauf und runter, und die Lauf- und Radstrecken sind sehr anspruchsvoll. Man kann sich nicht verstecken, das hat mir eine gute Grundfitness beschert.“

Allerdings nicht als Sportlerin, sondern als Physiotherapeutin – in jenem Job also, den sie in jungen Jahren als ihre berufliche Zukunft auserkoren hatte. „Ich habe damals eine Profi-Triathletin behandelt. Ich fand es total aufregend, was sie erzählt hat. Und das war die Geburtsstunde meiner Karriere, in diesem Moment entstand die Idee, es wäre cool, mal zu schauen, wie weit ich in diesem Sport kommen kann."

Es ging für Laura Philipp weiter, als es für jede andere Deutsche zuvor im Triathlon gegangen war. Und noch dazu schneller. Nachdem sie sich in stundenlangen Trainingseinheiten das Kraulschwimmen einigermaßen beigebracht hatte, startete sie beim „Heidelberg Man“.

„Da habe ich gemerkt: Wow, das macht ja richtig Spaß und wollte es wieder tun“

Ein lokaler Triathlon mit dem damals verlockenden Vorteil, dass die Neckar-Strömung die Sportler auf dem Weg ins Etappenziel tatkräftig unterstützt: „Ich dachte mir: Irgendwann kommst du schon an, selbst, wenn du dich nur treiben lässt. Das hat gut funktioniert, und auf dem Rad habe ich dann schnell angefangen, die ersten Leute zu überholen – und dann kam ja erst meine Paradedisziplin, das Laufen. Da habe ich gemerkt: Wow, das macht ja richtig Spaß und wollte es wieder tun.“

Sechs Jahre später folgte der erste Ironman für Philipp – mittlerweile zwar jenseits der 30, aber dennoch ein absoluter Neuling des Sports. Ein sportliches Wunder – das neben ihrer herausragenden Fitness auch durch ihre „guten alten deutschen Tugenden“ ermöglicht wurde, wie sie lächelnd erklärt: „Ich hätte das nach meinem ersten Triathlon niemals für möglich gehalten. Man muss für drei Sportarten trainieren, und eigentlich auch alle täglich, etwa vier bis sieben Stunden insgesamt. Da benötigt man schon eine besondere Motivation. Deshalb glaube ich auch, dass viele Deutsche so erfolgreich beim Ironman sind.“

Im Oktober soll nun in einem Wettkampf, der aufgrund seiner schieren Länge und unzähligen Unwägbarkeiten eigentlich nicht zu planen ist, die maximale Belohnung eingefahren werden: der Sieg auf Hawaii in Weltrekordzeit. Zwar hält Philipp die Bestmarke in der Kategorie Ironman, in einem Rennen des Parallel-Veranstalters Challenge lief die Britin Chrissie Wellington aber sieben Sekunden schneller als die Kraichgauerin, deren Bestmarke bei 8:18:20 Stunden liegt.

Für Philipp ist der Trip nach Hawaii trotz der hohen Ziele eine Reise ins Ungewisse. Zur perfekten Akklimatisierung flog sie mit Trainer und Ehemann Philipp Seipp sowie TSG-Athletik-Coach Christian Neitzert, der die Triathletin seit mehreren Jahren betreut, bereits Ende September aufs Inselparadies, um sich an die extrem hohe Luftfeuchtigkeit, den Zeitunterschied und die Wettkampf-Bedingungen bestmöglich zu gewöhnen.

Doch all die penible Vorbereitung kann den zehrenden Wettkampf nicht simulieren, zudem stehen weder ein Marathon noch die gesamten Schwimm- und Rad-Distanzen auf dem Programm, da die langen Regenerationsphasen den Trainingsplan durcheinanderwirbeln würden. Auch als mittlerweile erfahrene Athletin ist der Respekt vor dem Wettkampf mit mehr als 90 Prozent Luftfeuchtigkeit enorm groß: „Für meinen Kopf ist es immer wieder krass, an diese Distanzen zu denken, obwohl ich sie schon mehrfach überwunden habe. Aber ich trainiere halt nie diese Gesamtstrecke. Das sind Richtwerte, auf die ich schaue und dann weiß: Boah, das wird richtig lang.“

Die psychologische Komponente ist beim Ironman noch größer als in anderen Sportarten. Zwar steht der Kampf gegen die Kontrahentinnen für die Zuschauer im Vordergrund – um diesen zu gewinnen, müssen die Athletinnen aber zunächst im Kampf gegen sich selbst siegen. Denn dass Ultra-Triathleten gern mal als „ein wenig irre“ betrachtet werden, ist ihr bewusst. „Auch ich habe trotz der Begeisterung Momente, in denen ich einfach keinen Bock mehr habe, wo es sich ewig zieht. Und dann muss man geduldig sein. Ich möchte eigentlich die ganze Zeit Gas geben oder was erleben, aber vor allem beim 180 Kilometer langen Radfahren passiert eine gefühlte Ewigkeit einfach nichts. Aber ich bin da besser geworden, da hilft auch das Alter ein wenig.“

Somit ist es für die 35-Jährige eine glückliche Fügung, dass ihr eigentlicher Nachteil, das eher schwächere Schwimmen, im Verlauf des Rennens zu einem mentalen Vorteil wird: Philipp kommt kaum einmal in der Spitzengruppe aus dem Wasser, mit dem Aufstieg aufs Rad beginnt also stets die Jagd. Eine Rolle, in der sich Philipp gefällt: „Das Rennen wird am Ende im Laufen entschieden. Und wenn man daran gewöhnt ist, auch ermüdet noch schnell auf den Beinen zu sein, ist es ein Vorteil. Es macht zudem Spaß, eine Läuferin nach der anderen zu überholen, ich bin gern die Jägerin. Wenn man Glück hat und es echt gut läuft, dann kommt man zudem in den sogenannten Flow-Zustand: Man ist so konzentriert und fokussiert, dass man gar nicht mehr merkt, was man da eigentlich macht. Und dann entsteht tatsächlich das Gefühl, dass alles schneller vorbei geht.“

Dass die diesjährige Ausgabe erstmals ein getrenntes Männer- und Frauenrennen vorsieht, bietet die nie dagewesene Chance, auf Hawaii die Ziellinie als Erste zu überqueren – und nicht im Pulk der Männer. Der Moment, wenn die Qualen enden, der Adrenalinpegel sinkt und sich die ersten müden Muskeln melden, ist dabei immer ein Erfolg – unabhängig von der Platzierung. „Man spürt, dass man es erneut geschafft hat, sämtliche vorherigen Barrieren zu sprengen und denkt: ‚Ich kann alles schaffen.‘“

Unmittelbar nach dem Zieleinlauf existiert aber zunächst nur ein Gedanke: Hunger. Nach der fast übermenschlich erscheinenden sportlichen Leistung, während der es statt fester Nahrung nur mit Kohlenhydraten vollgepumpten Zuckersirup gab, dominiert ein Verlangen, das Laura Philipp wieder zurück in den Kraichgau versetzt. In ihre Schulzeit, als sie nach dem letzten Anstieg des Heimweges ermattet und mit müden Beinen ihr Rad abstellte, das Elternhaus betrat und nur einen Wunsch hatte – der einst in Lobbach derselbe war, wie nun auf Hawaii: „Wenn ich völlig fertig im Ziel liege, freue ich mich am meisten auf eine richtig fettige Pizza.“

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