MillernTon
·12. November 2024
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Beim FC St. Pauli herrschen gleichzeitig Stolz und Enttäuschung. Zudem gibt es Verletzungssorgen, aber auch gute Nachrichten.(Titelfoto: Stefan Groenveld)
Nach der Niederlage des FC St. Pauli gegen den FC Bayern München wussten viele nicht so genau, was sie damit anfangen sollten. Stolz sein, weil gegen einen übermächtigen Gegner nur mit dem „knappsten aller Ergebnisse“ (Blessin) verloren wurde? Oder enttäuscht sein, weil trotz des Lobes eine Null auf der Habenseite steht? Nach dem Spiel war vom FC St. Pauli eine Mischung aus Beidem, Stolz und Enttäuschung, zu hören. Weder Spieler, noch Trainer waren glücklich mit dem Ergebnis, wollten aber die Leistung auch richtig eingeordnet wissen.
Denn zwar hat der FC St. Pauli gegen den FC Bayern München offensiv nur recht wenig Chancen gehabt, doch das ging zuletzt allen FCB-Gegnern so. Defensiv ließ man erst gegen Spielende Großchancen zu, unter anderem, weil man aufgrund des Rückstands etwas offensiver werden musste. Niedrigere xG-Werte des FC Bayern München als ein Wert von 1,2 wie gegen den FC St. Pauli gab es für den FCB zuletzt im Mai 2024 (gegen Wolfsburg), im Februar 2024 (gegen Leverkusen) und Januar 2023 (! – gegen Leipzig). Man wurde am Millerntor also Zeug*in eines seltenen Ereignisses.
So war dann auch die Stimmung in der Mixed Zone: Die sehr vorsichtige Herangehensweise in der Offensive erklärte Jackson Irvine mit notwendigem Respekt: „Wir wussten genau, wenn wir die Räume öffnen, dann sind unsere Gegenspieler fähig, uns zu killen“, und zeigte sich mit dieser Arbeit sehr zufrieden: „Wir haben extrem wenig Chancen zugelassen.“Für mehr Punkte auf dem Konto reichte diese Leistung des FC St. Pauli gegen den FC Bayern München allerdings nicht. Irvine: „Wir sind nicht glücklich mit dem Ergebnis, können aber viel aus der Partie mitnehmen.“ Und sowieso: „Solche Spiele werden unsere Saison nicht entscheiden.“
Was genau kann man denn aus diesem Spiel mitnehmen, Jacko? „Ich habe das Gefühl, das Team wächst mit jedem Spiel mehr und mehr, wir werden jede Woche besser. (…) Die Arbeit gegen den Ball ist unser Fundament. Wir haben in den ersten drei Spielen gemerkt, dass wir ohne dieses Fundament nicht erfolgreich sind.“Und dann waren da noch die Worte von Dapo Afolayan, der auf den Punkt brachte, was den FC St. Pauli trotz der Niederlage stolz machen sollte: „Man hat gemerkt, dass sie wussten, wie hart dieses Spiel für sie werden wird, wie schwer es ist, gegen uns zu punkten. Wir als Team und Verein können stolz darauf sein, mit welchem Respekt vor uns der FC Bayern München vor uns angetreten ist.“
Mit Blick auf die Konkurrenz hat der FC St. Pauli durch die Niederlage gegen den FC Bayern München an diesem Spieltag etwas Vorsprung eingebüßt und sogar einen Tabellenplatz verloren. Der VfL Bochum erzielte spät den Ausgleich und holte seinen zweiten Punkt in dieser Saison. Auch Holstein Kiel war nahe dran am Punktgewinn in Bremen, fing sich aber kurz vor Schluss noch das 1:2. Ganz ohne Tore ist die TSG Hoffenheim ausgekommen, die 0:0 gegen den FC Augsburg spielte und nun ohne Trainer dasteht, weil man sich am Montag von Pellegrino Matarazzo getrennt hat. So wirklich schmerzhaft war die Niederlage des FC St. Pauli also nicht.
Damit man vielleicht sogar gegen die Bayern mehr als nur lobende Worte und Respekt für die Leistung bekommt, hätte man mehr Gefahr in der Offensive erzeugen müssen. Blessin erklärte nach der Partie, dass vor allem das Tempo der FCB-Innenverteidiger ein Problem für den FC St. Pauli gewesen sei, genauso wie eine Müdigkeit, die sich mit der intensiven Arbeit gegen den Ball erklären lässt.Für beide Probleme gäbe es theoretisch Lösungen. Doch diese sind aktuell nicht verfügbar. Denn die Verletztenliste des FC St. Pauli ist momentan ungewöhnlich lang.
Es ist total müßig sich damit zu befassen, wie Elias Saad und Scott Banks mit ihrem Tempo das Spiel des FC St. Pauli hätten verändern können. Sicher ist aber, dass sie dem FCSP gegen Spielende am Samstag mindestens in physischer Hinsicht nochmal hätten helfen können. Um offensiv nochmal mehr Tempo zu erzeugen. Doch Saad fällt aufgrund einer Bänderverletzung länger aus und auch bei Banks sieht es nicht so aus, als wenn er nach der Länderspielpause wieder einsatzfähig ist. Blessin erklärte, dass man beim 23-jährigen, der an einem Knochenödem im Rücken laboriert, aktuell nicht wirklich absehen könne, wann er wieder spielfähig ist – und dämpfte damit die Hoffnungen auf eine Rückkehr für das Gladbach-Spiel.
Philipp Treu fehlte dem FC St. Pauli in der Partie gegen den FC Bayern München, könnte aber zum Gladbach-Spiel wieder zurückkehren. // (c) Stefan Groenveld
Ähnlich schwierig ist die Prognose bei Connor Metcalfe, dem Blessin eine Qualität bescheinigt, mit der er dem FC St. Pauli „extrem weiterhelfen würde.“ Seit Wochen plagen den 25-jährigen Symphysenprobleme und auch bei ihm ist eine Rückkehr überhaupt nicht absehbar. Zu Saisonbeginn ist er Stammspieler gewesen, ehe erstmals Probleme auftraten. Ein paar Spielminuten gegen Leipzig, eine Halbzeit in Freiburg – mehr kamen seitdem nicht hinzu. Zwar attestiert Blessin ihm aktuell „kleine Fortschritte“, aber inzwischen dürfte Metcalfe so lange raus sein (die Freiburg-Partie war Ende September), dass er auch nach Ende der Beschwerden einige Zeit brauchen wird, bis er wirklich wieder spielfit ist.
Als wären diese drei Ausfälle nicht bereits genug, fallen auch Simon Zoller, sowie die drei Torhüter Sören Ahlers, Ben Voll und Sascha Burchert länger aus – das Lazarett des FC St. Pauli kommt damit so üppig daher wie lange nicht mehr. Die „Abrufbarkeit“ der Spieler war eine der großen Stärken des FCSP, das betonte auch Andreas Bornemann immer wieder. Aktuell ist sie es nicht. Dabei wäre besonders mehr personelle Auswahl in der Offensive enorm wichtig. Denn die guten Leistungen gegen den Ball sind zwar die Basis für den Erfolg des Teams. Doch ohne eine Steigerung der Offensivgefahr wird es schwierig, die Ziele zu erreichen.
Immerhin gibt es auch gute Nachrichten aus dem Lazarett. Zum einen erklärte Alexander Blessin bereits vor dem Bayern-Spiel, dass man auf eine Rückkehr von Philipp Treu noch während der Länderspielpause hoffe. Der Außenverteidiger hatte sich eine Muskelverletzung im linken Oberschenkel zugezogen, diese sei aber weniger schlimm als befürchtet, so sein Cheftrainer.Und dann sind da noch News vom Montag, die Mut machen: Eric Smith hat sich keine strukturelle Muskelverletzung zugezogen. Hier ist ebenfalls zu hoffen, dass der Innenverteidiger bald wieder zurückkehren wird, die Ausfallzeit wesentlich kürzer ist, als zu befürchten war.
Wann genau Treu und Smith wieder voll mit dem Team trainieren können? Unklar. Ob Banks und Metcalfe während der nun anstehenden Länderspielpause wieder ins Teamtraining einsteigen? Ebenfalls unklar. Zwar erfreuen sich Länderspielpausen auch weiterhin größter Unbeliebtheit. Aber dieses Mal dürfte sie aus Sicht des FC St. Pauli zur rechten Zeit kommen. Weil sie wichtige Zeit verschafft, damit Spieler wieder zurückkehren können.
Doch bis es soweit ist, muss der FC St. Pauli erst einmal ohne insgesamt 13 Spieler des Kaders planen. Neun sind verletzt, dazu sind vier (Irvine, Sinani, Vasilj, Mets) auf Länderspielreise. Eine Absage des Testspiels am kommenden Donnerstag gegen Eintracht Braunschweig kommt für Blessin trotz der vielen Ausfälle aber nicht infrage. Weil es zu wichtig ist für andere im Kader. Dabei geht es vor allem für Spieler mit wenig Spielzeit darum, in den „Wettkampfmodus zu kommen“, wie Blessin erklärt und nennt dabei Adam Dźwigała, David Nemeth und Fin Stevens als Beispiele. Zudem hat dem FCSP-Cheftrainer während der letzten Länderspielpause gefallen, wie sich der Nachwuchs geschlagen hat: „Ich will die U19-Spieler wieder sehen. Die haben sich letztes Mal echt gut angestellt.“
„Gut anstellen“ ist auch eine passende Beschreibung für den FC St. Pauli in den bisherigen Bundesligaspielen. Denn was das Spiel gegen den FC Bayern München erneut gezeigt hat: Der FC St. Pauli ist in der Bundesliga angekommen. Angesichts der letzten Leistungen dürfte niemand mehr davon sprechen, dass der FCSP kein ernsthafter Konkurrent im Abstiegskampf ist. Diese Erkenntnis ist nicht neu und Alexander Blessin reagierte, wie auch einige Spieler, etwas genervt darauf, als er am Samstag damit konfrontiert wurde. Weil sie alle wissen, dass dieses Lob über das Mithalten-Können wertlos ist, wenn nicht Stück für Stück Punkte eingefahren werden.
Gerade in den fünf Spielen bis zur Winterpause könnte man sich beim FCSP etwas ausrechnen: Auswärts ist man bei spielfreudigen Teams zu Gast (Gladbach, Leverkusen, Stuttgart), da kann wieder gezeigt werden, wie ein kompaktes 5-4-1 nahe der Perfektion aussieht. Ans Millerntor kommen zuerst Kiel und danach Bremen. Beides Spiele, bei denen sich der FC St. Pauli mit einer anderen Art des Fußballspielens etwas ausrechnen dürfte. Und dabei hoffentlich mit einigen Spielern auf dem Platz, die der FCSP aktuell schmerzlich vermisst.
// Tim
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