Kopf hoch, Brust raus! | OneFootball

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SV Darmstadt 1898

·31. Juli 2021

Kopf hoch, Brust raus!

Artikelbild:Kopf hoch, Brust raus!

Immer wieder machte Torsten Lieberknecht nach Abpfiff diese eine Bewegung: Mit der flachen Hand schlug er sich mehrfach an die Unterseite seines Kinns, die Rückseite seiner Finger touchierten dabei leicht seine Haut. Eine Geste, die keiner weiteren Worte bedarf und dennoch in größtmöglicher Deutlichkeit schrie: Kopf hoch! Der Trainer, er war aber nicht der einzige an diesem Freitagabend im Wildparkstadion. Schon während des Spiels peitschten sich alle Lilien immer wieder auf die Brust, die sie demonstrativ nach vorne streckten - sie taten es nach Gegentoren, eigenen Fehlern, aber auch nach Ballgewinnen und gelungenen Aktionen. Und so wurde vor allem eines bei dieser 0:3-Niederlage gegen den Karlsruher SC deutlich: Kopf hoch, Brust raus. Die Lilien, sie lassen sich trotz aller Beschwernisse nicht unterkriegen.

"Das Wichtigste ist jetzt, dass wir den Kopf oben behalten und trotzdem weiter mit breiter Brust auftreten“, schlug Matthias Bader nach Abpfiff genau in diese Kerbe. Es wäre ein leichtes gewesen, die Niederlage auf die zahlreichen Ausfälle zu schieben. Es ehrt Spieler und Trainer, dass sie sich der schwierigen Gesamtsituation bewusst sind, über diese aber nicht lamentieren wollen.


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"Mein Respekt kann größer nicht sein"

Eine erhebliche Anzahl an Akteuren fehlt den Lilien in ihrem aktuellen Aufgebot - aufgrund von Verletzungen, Corona-Erkrankung oder teilweiser Quarantäne. Zwar durften nach Abstimmung mit dem Gesundheitsamt vier Spieler wieder am Spiel- und Trainingsbetrieb teilnehmen, so mussten diese aber separat anreisen sowie sich aufwärmen und durften sich nicht zusammen mit der Mannschaft in einer Kabine aufhalten. Vor diesem Hintergrund betonte Lieberknecht nach Spielende: “Daher habe ich den allerhöchsten Respekt vor meiner Mannschaft und jedem einzelnen Spieler. Mein Respekt kann größer nicht sein.”

Wenn man rein nach den Zahlen geht, dem reinen Resultat, kann man natürlich von 0 Punkten sprechen, in denen der Gegner über 90 Minuten insgesamt die bessere Mannschaft war. Lieberknecht wurde auf der Pressekonferenz gar gefragt, ob man nun von einem „Fehlstart“ sprechen müsse. Ja, es stehen zwei Auftaktniederlagen auf dem Papier. Doch in diesem herausfordernden Gesamtkontext sollten diese eingeordnet werden. Nicht um Alibis zu verschaffen, sondern um den Start verständlich zu machen. “Wenn man beide Niederlagen nach vorne stellt, vergisst man schnell unsere Situation. Damit tue ich mich schwer”, erklärte der Cheftrainer des SV 98. Bader ergänzte: “Es waren heute auch wieder Spieler dabei, die nicht mal in der Vorbereitung über 90 Minuten auf dem Platz standen.” Zudem gab mit Clemens Riedel ein 18-Jähriger sein Zweitliga-Startelfdebüt in der Innenverteidigung, dem sowohl der Trainer als auch die Mitspieler eine sehr gute Leistung attestierten. “Ihn muss ich speziell loben”, sagte Bader: “Aber auch die anderen Jungs haben es super gemacht.”

Denn besonders nach der Pause zeigten die Südhessen starke 30 Minuten. Eine halbe Stunde, in der sie am Ausgleich und der Überraschung schnupperten. “Es gab den Moment, wo wir das Spiel hätten drehen können”, wusste Lieberknecht, der jedoch sah, dass seiner Mannschaft das nötige Spielglück fehlte. Und trotzdem schafften es seine Jungs, die Karlsruher vor Probleme zu stellen. Das musste sogar KSC-Coach Christian Eichner anerkennen: “Großes Kompliment an Darmstadt: Ihrer Einstellung sowie die Art und Weise, wie sie uns heute trotz ihrer bescheidenden Situation Probleme bereitet haben, muss man großen Respekt zollen.”

"Gestärkt zurückkomen und zurückschlagen"

Allerdings wissen die Lilien auch, dass es trotz der dezimierten Personallage auch fußballerische Elemente gibt, die es zu verbessern gilt. Fabian Holland: “Wir hätten uns schon gewünscht, in der einen oder anderen Situation noch mutiger und zielstrebiger nach vorne zu spielen.” Auch defensiv klappte bei den Südhessen nicht alles, hier und da gab es Abstimmungsprobleme der (natürlich) noch nicht eingespielten Truppe. “Es gibt Kritikpunkte, die wir analysieren werden”, vergaß auch Lieberknecht nicht, der aber vielmehr die Einstellung, den Zusammenhalt und den Teamgeist seiner Truppe unterstrich. Genau diese Punkte sind es, die Mut machen für den weiteren Saisonverlauf. Dazu der Cheftrainer des SV 98: “Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn wir diese brutale Prüfung durch- und überstehen, im Laufe der Saison gestärkt zurückkommen und zurückschlagen werden.”

Doch erst einmal warten schwierige Wochen und harte Brocken auf die Mannschaft vom Böllenfalltor. Es gilt, die unterschiedlichen Fitnesszustände der Spieler zu beachten und diese individuell zu steuern. Auf den SV 98 wartet die Aufgabe, die Mannschaft im laufenden Betrieb einzuspieln. Die Spieler über Spielpraxis „matchfit“ zu bekommen. Am kommenden Freitag (6.8., 20.45 Uhr) gastieren die Lilien in der ersten Runde des DFB-Pokals beim starken Drittliga-Team des TSV 1860 München. Und auch dort wird sich der SV 98 der Herausforderung stellen, sich mit Kampf und Leidenschaft gegen alle Widerstände auflehnen. Es gilt: Kopf hoch, Brust raus!

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