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·4. Juni 2020

Kommentar: Borussia Dortmund sollte an Lucien Favre festhalten

Artikelbild:Kommentar: Borussia Dortmund sollte an Lucien Favre festhalten

Borussia Dortmund hat die Meisterschaft offiziell abgehakt. Nach der 0:1-Niederlage gegen den FC Bayern München hat der BVB sieben Punkte Rückstand auf den Rekordmeister. Somit hat Lucien Favre auch in der zweiten Saison keinen großen Titel holen können. Ist er noch der richtige Trainer für Dortmund?

Borussia Dortmund: Ziel verpasst

Wir blicken zurück: Vor der Saison zeigte sich der BVB angriffslustig und äußerte, um die Meisterschaft mitspielen und diese im Idealfall auch gewinnen zu wollen. Nachdem die Borussen im letzten Jahr von der Kovac-Elf noch eingeholt wurden und am Ende der Spielzeit zwei Punkte weniger hatten, wurde die Gier nach mehr geweckt. Es folgte eine durchwachsene Hinrunde mit einigen Spielen, in denen sich die Favre-Elf äußerst unglücklich anstellte, wenn man es nett ausdrücken will.


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Im Winter reagierten die Verantwortlichen und verpflichteten mit Emre Can (26) und Erling Haaland (19) Puzzleteile, die der Mannschaft zuvor fehlten. Der deutsche Nationalspieler brachte weitere Physis und Dynamik ins Spiel der Dortmunder und Haaland ist der klassische Stürmer, der dem BVB fehlte. Paco Alcácer (26) hatte zu oft mit Verletzungsproblemen zu kämpfen und strahlte nicht den unbedingten Willen aus, sich langfristig in Dortmund durchzusetzen. Auch deswegen wurde er abgegeben.

Die Rückrunde lief über weite Strecken sehr gut. Favre konnte sein neues 3-4-3-System weiter etablieren, Can und Haaland waren sofortige Verstärkungen. Guerreiro, Hakimi, Zagadou und Brandt blühten auf und die Ergebnisse stimmten – zumindest weitgehend. Die Rückschläge waren allerdings jedes Mal verheerend. Auf das großartige Hinspiel gegen PSG (2:1) folgte ein mutloser Auftritt in Paris (0:2) und Dortmund schied erneut im Achtelfinale der Champions League aus. Im DFB-Pokal zeigte der BVB eine enttäuschende Leistung gegen Werder Bremen (2:3) und flog ebenfalls im Achtelfinale raus.

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So blieb zuletzt nur die Meisterschaft und dort reichten zwei Niederlagen für das endgültige Aus. Gegen Bayer 04 Leverkusen verspielte man innerhalb von zwei Minuten eine wichtige Führung und verlor mit 3:4. Gegen den FC Bayern reichte eine Schwächephase vor der Pause aus, um den Traum vom Titel endgültig platzen zu lassen. Damit hat Favre das Ziel verpasst. Was also nun?

Dortmund: Ist Favre noch der Richtige?

Die Spekulationen nahmen nach dem Spiel gegen die Flick-Elf an Fahrt auf. Wer wird der Nachfolger von Lucien Favre? Niko Kovac? Oder doch Jesse Marsch? Der Schweizer und die sportliche Führung dementierten diese Gerüchte. Aber was sollte der BVB im Sommer machen? Wäre eine Neuausrichtung unter einem anderen Trainer wirklich die Lösung der Probleme in Dortmund?

In der Rückrunde hatte man das Gefühl, dass sich der BVB unter Favre gefangen hat. Die Automatismen der Mannschaft griffen allmählich, wie sie es in der starken Hinrunde der Vorsaison taten. Favre hatte mit Can, Haaland und dem aus der U19 hochgezogenen Gio Reyna (17) weitere Optionen, die dem Kader sehr guttaten. In Dortmund sahen die Fans wieder häufiger eine Mannschaft, die ihre Spiele auch wie ein Topteam anging. Das liegt auch an Favre, der sich so flexibel wie sonst vermutlich noch nie in seiner Karriere zeigte. Seine in der Hinrunde getätigten Maßnahmen griffen. Er hat die Mannschaft auf ein neues Level gehoben. Das Spiel gegen den FC Bayern war zudem ziemlich ausgeglichen. Man konnte mit den wohl besten Bayern, seit dem Abgang von Pep Guardiola, mithalten.

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Favre: Wer sind die Alternativen?

Welcher Trainer, der realistisch zu haben ist, kann das dem BVB garantieren? Niko Kovac hat in München keine Leistungen vollbracht, die ein Favre nicht auch hätte hinbekommen können. Der Rekordmeister war zunehmend mehr von den individuellen Qualitäten der Spieler abhängig. Mit so einem Coach würde der BVB auf gar keinen Fall in den Meisterschaftskampf eingreifen können. Es drohen die Verluste von Real-Leihgabe Achraf Hakimi (21) und Jadon Sancho (20). Insbesondere den Engländer kann man im Grunde nicht ersetzen. Der Kader von Borussia Dortmund ist individuell stark besetzt, aber eben schwächer als der vom FCB. Dazu spielen die Münchener unter Flick extrem starken Fußball.

Der BVB braucht einen Trainer, der das absolute Maximum aus dem Kader rausholen kann und muss dann trotzdem auf Schwächephasen des Rekordmeisters hoffen, um eine Chance auf den Titel zu haben. Von den letzten 15 Spielen hat der FC Bayern 14 gewonnen – und einmal Unentschieden gespielt. So bitter es aus Dortmunder Sicht auch sein mag, es ist keine Schande, nicht Meister zu werden. Bessere Ergebnisse als Favre kann kein Trainer garantieren, der derzeit eine realistische Option für die Borussen darstellt.

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Der Schweizer hat nun auch ein besseres Grundgerüst, als zu Beginn der Saison. Dieses wird weiterhin bestehen. Anstatt den nächsten Umbruch zu vollziehen, wird es darum gehen, nach cleveren Ergänzungen zu suchen, die perfekt in das System von Favre passen. Setzt man auf Favre, hat man quasi die Gewissheit, dass Borussia Dortmund in der kommenden Saison erneut in die Champions League einzieht. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Titel am Ende der Saison rausspringen. Auch wenn er die Ziele (bislang) verpasst hat, sieht man aktuell in Dortmund den qualitativ besten Fußball seit der ersten Tuchel-Saison.

Sollte man dies wirklich für ein Trainer-Experiment aufgeben? Es ist nicht unmöglich mit Favre einen Titel zu holen. Er zeigt, dass er flexibel ist und sich anpassen kann. Der BVB ist eine komplett andere Mannschaft als im Herbst 2019, als man den Titel wirklich verspielte. Die Wahrscheinlichkeit sich mit einem neuen Coach zu verschlechtern, ist ziemlich hoch. Ein Risiko, das ich nicht bereit wäre einzugehen.

Damian Ozako

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

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