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·7. März 2023

Kein Weg zu weit: Mit dem Rolli zum Ruhrstadion

Artikelbild:Kein Weg zu weit: Mit dem Rolli zum Ruhrstadion

7 Kilometer, 4 Stunden, 1 kleines Derby und am Ende 3 Punkte – das beschreibt den Samstagnachmittag von Florian Wichert, genannt Flo, und seinem Vater Andreas in Zahlen. Die beiden Wattenscheider, wie sie gerne betonen („Bochumer steht nur in unserem Pass“), sind waschechte Königsblaue und hatten sich vor Jahren „aus einer Bierlaune“ heraus geschworen: Wenn der S04 mal wieder gegen den VfL Bochum spielt, laufen wir zum Ruhrstadion. In Flos Fall nicht korrekt formuliert, denn der 22-Jährige sitzt im Rollstuhl. Doch Hindernisse kennt er nicht.

Pünktlich um 11 Uhr geht’s los am Wattenscheider Hellweg und in Begleitung der Freunde Detlef Dahlbeck (oben im Bild links) und Thorsten Altfeld (Mitte). Immer der Nase nach, die Alleestraße entlang, vorbei am Rathaus und der Glocke des Bochumer Vereins Richtung Castroper Straße. „Knapp vier Stunden waren wir unterwegs“, erzählt Flo, der auch Tage nach dem Spiel noch über den 2:0-Sieg der Knappen beim Reviernachbarn strahlt. Die Strecke beinhaltet selbstverständlich einige Zwischenstopps, dank der gut ausgebauten Büdchen-Infrastruktur im Revier ist fürs Wegbier gesorgt.


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Ganz schön lange hat es gedauert, bis sie ihren Plan in die Tat umsetzen können. Erst versinkt der VfL elf Jahre in der Zweitklassigkeit. Als dann der Aufstieg perfekt ist, gibt man sich die Klinke in die Hand, und der S04 geht ab. Jetzt endlich wieder ein Straßenbahnduell – als Kellerderby. „Es war ein tolles Erlebnis für uns“, berichtet Vater Andreas begeistert, „der gemeinsame Weg zum Stadion, die Wahnsinnsstimmung. Das Ergebnis war das Tüpfelchen auf dem i.“ Flo schaut nach dem Spiel positiv auf den Abstiegskampf: „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Klasse halten werden.“

Positiv scheint seine Grundhaltung zu sein, was seine königsblaue Einstellung betrifft wie auch die Zuversicht, mit der er sein Leben trotz schwerer Erkrankung meistert. Der 22-Jährige leidet von Geburt an SMA, umgangssprachlich als Muskelschwund bezeichnet. Es handelt sich um eine genetische Krankheit, weshalb er nie laufen konnte und sich heute vom Hals abwärts nicht mehr bewegen kann. Doch das hält ihn nicht davon ab, seine Schalker zu unterstützen. Seit 2011 besitzt er eine Dauerkarte für die VELTINS-Arena und ist auch auswärts so oft wie möglich im Stadion.

Die Begeisterung hat er von seinem Papa geerbt. Der 56-Jährige ist bereits seit 1990 Mitglied und war vor der Geburt seiner beiden Kinder Allesfahrer. Das S04-Trio komplettiert Schwester Franzi. Die 23-Jährige spielt selbst Fußball und besucht mit Vater und Bruder so viele Spiele wie möglich. In Bochum ist sie nur mangels Eintrittskarte nicht mit von der Partie. Einzig Mutter Carina schlägt aus der Art. Doch sie unterstützt quasi passiv, indem sie sich um die beiden Hunde kümmert: Fiete und – wie sollte er auch anders heißen – Stan Libuda.

Früh beginnt Flo seine Knappen-Karriere: „Mit drei Jahren war ich erstmalig im Stadion, woran ich mich nicht mehr wirklich erinnern kann.“ 2011 erleben die Wicherts das DFB-Pokalfinale in Berlin als Familien-Highlight, selbst Carina ist dabei. „Als ich mit dem S04 aufgewachsen bin, lief es immer erfolgreich.“ Bis der Verein vor einigen Jahren ins Stolpern gerät. „Ich dachte nur noch: Was ist das denn?“ Doch Flo nimmt das Leben, wie es kommt, so auch beim Fußball. „Die voranschreitende Kommerzialisierung stößt mich ohnehin ab. Ich will ehrliche Arbeit sehen.“ Und die bekommt er aktuell auf Schalke wieder geboten: „Ich merke ja, dass die Spieler wollen, damit kann ich mich identifizieren.“

Und er haut sich ebenfalls rein, um seinen Verein zu unterstützen. „Die Heimspiele sind für uns gut zu bewältigen“, erklärt Andreas, der einen Van fährt, in dem er Flo mit seinem schweren Rollstuhl transportieren kann. Doch Auswärtsfahrten sind mit Strapazen verbunden. Zum Spiel in Bremen sind sie erstmals mit dem ICE gereist, ganze 17 Stunden waren sie unterwegs. Spaß hatten sie trotzdem. Auch den Regionalzug hat das Gespann schon für zahlreiche Partien in der Nähe genutzt. Flo schwärmt von diesen Touren: „Es herrscht eine tolle Atmosphäre, und man kommt mit anderen Schalkern ins Gespräch.“ Der 22-Jährige erntet zudem viel Bewunderung und Respekt für die Art, sein Schicksal zu meistern. Und das nicht nur von Schalkern, wie Andreas oft erlebt hat: „In Dortmund haben an einer Treppe sofort Schwarz-Gelbe mit angepackt, um uns zu helfen.“

Aus diesen vielen tollen gemeinsamen Momenten schöpfen sie die Energie für ihre Reisen, selbst wenn die Punkteausbeute vielleicht mal wieder zu wünschen übriglässt. Gefragt nach weiteren Höhepunkten, muss Flo nicht lang überlegen. Ja klar: „Der Aufstieg! Aber besonders toll war das Spiel in Nürnberg eine Woche danach.“ Nach Abpfiff enterten viele Anhänger den Rasen – auch Flo. „Mit meiner Schwester und meinem Vater habe ich Einlass durch ein Tor bekommen und konnte über eine Rampe aufs Spielfeld. Eine unbeschreibliche Stimmung, ein Wahnsinnsmoment!“ Es sind nicht Punkte, Siege oder Titel, die die Königsblauen für ihn ausmachen: „Es ist dieser Zusammenhalt. Ich kann nicht in Worte fassen, was mir der Verein bedeutet. Schalke ist einfach magisch.“ Und Menschen wie Flo sind es, die Schalke einzigartig machen.

Wer mehr über Florians S04-Leidenschaft erfahren möchte, kann ihm auf Instagram folgen: instagram.com/rolliultra_s04

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