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·2. Juli 2024

In Ronaldos Schatten blüht wenig: Portugals Superstar wird zur Bürde

Artikelbild:In Ronaldos Schatten blüht wenig: Portugals Superstar wird zur Bürde

Cristiano Ronaldo ist einer der besten Fußballer aller Zeiten. Dass seine Zeit vorbei ist, ist allerdings nicht mehr zu übersehen. Ein Kommentar.

Ronaldo: Denkmal ist zu groß um zu bröckeln

211 Länderspiele, 130 Tore, der EM-Titel 2016 – über Cristiano Ronaldos Verdienste für die portugiesische Nationalmannschaft gibt es keine zwei Meinungen. Das Denkmal des nach Lionel Messi wohl besten Fußballers aller Zeiten ist zu massiv, als dass es jemals zu bröckeln beginnen könnte. Doch zumindest die Farbe blättert ein wenig ab, denn der fünfmalige Weltfußballer tut sich und seinem Land mit seinen Auftritten bei der EM 2024 keinen Gefallen.


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Blitzte in der Gruppenphase zumindest teilweise ein neuer, teamdienlicherer Cristiano auf, war die Vorstellung im Achtelfinale gegen Slowenien nahezu skurril. Portugal suchte in jeder Situation den Altstar, der den Ball zudem stets forderte, egal wie ungünstig er postiert war. Unzählige Flanken flogen in den Strafraum vor Torhüter Jan Oblak, der Großteil ungefährlich. Wenn CR7 mal in aussichtsreiche Situationen kam, war wenig zu sehen vom besten Torjäger der Fußballgeschichte, der schnell verzweifelte und weiterhin dem Rekord als ältester EM-Torschütze hinterherrennt.

Ronaldo ist 39 Jahre alt, fast die Hälfte davon hat er absolute Weltklasse verkörpert, wobei ihm in seinen 30ern die Metamorphose vom spektakulären Flügelspieler zum eiskalten Strafraumstürmer zugute kam. Die Dynamik aus ManUnited-Tagen ist längst verschwunden, doch mittlerweile scheint der Superstar seine vielleicht größte Qualität verloren zu haben: Die Selbstverständlichkeit.

Wo früher klar war, dass der Ball im Netz zappelt, verspringt dem Portugiesen die Kugel. Verteidiger, die einst nur die Rücklichter sahen, stellen mehr und mehr unüberwindbare Hindernisse dar. Das ist keine ganz neue Erkenntnis. Neu ist jedoch, dass Ronaldo das offenbar nun selbst merkt. Die Tränen nach dem verschossenen Elfmeter gegen Slowenien waren die Tränen eines Mannes, dem in diesem Moment erstmals bewusst wurde, dass er zur Bürde wird.

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Reicht es nicht mehr? Ronaldo weint nach seinem verschossenen Elfmeter. (Photo by Justin Setterfield/Getty Images)

20 Torschüsse gab der 39-Jährige bisher im Turnierverlauf ab – Rekord. Ins Tor ging allerdings keiner. Für Aufsehen sorgt nicht mehr der Spieler Cristiano Ronaldo, sondern die Figur CR7. Die Ordner haben alle Hände voll zu tun, Flitzer einzufangen, die ein Selfie mit ihrem Idol machen wollen. Beim letzten Vorrundenspiel wollte ein Fan den früheren Madrilenen sogar beim Eingang zum Spielertunnel anspringen. Ronaldo elektrisiert zwar weiterhin die Massen, dem Spiel seiner Mannschaft zieht er dagegen den Stecker.

Portugal weiß bisher bei dieser EM im Ganzen nicht zu überzeugen. Das nur an dem alternden Mittelstürmer festzumachen, wäre zu kurz gedacht. Doch CR7 schränkt die hochkarätig besetzte Mannschaft zurzeit stark ein. Steht er auf dem Platz, wird das Spiel komplett auf ihn zugeschnitten. Es wirkt, als dürfe nur er Tore schießen, als wäre die Selecao nicht mit dem primären Ziel nach Deutschland gereist, den Titel zu holen, sondern ihrem Rekordspieler einen würdigen Abschied zu schenken. Stand jetzt sind beide Ziele Utopie.

Martinez blockiert Generationenwechsel

Ein Vorwurf muss an dieser Stelle auch Trainer Roberto Martinez gemacht werden. Der Spanier hatte seit seiner Amtsübernahme keinerlei Interesse daran, den von Vorgänger Fernando Santos zumindest im Ansatz eingeleiteten Generationenwechsel fortzuführen. Goncalo Ramos, der Ronaldo während der WM in Katar auf die Bank verdrängt hatte, wurde wieder zum Reservisten degradiert, der 41-jährige Pepe ist weiterhin in der Defensivzentrale gesetzt.

Die Qualifikation für die EM 2024 schien Martinez zwar recht zu geben, schließlich gab sich der Europameister von 2016 mit zehn Siegen aus zehn Spielen keine Blöße – CR7 erzielte zehn Treffer. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass Gegner wie Liechtenstein, Bosnien & Herzegowina oder Luxemburg nicht gerade zur Beletage des europäischen Fußballs zählen. In der gehaltsmäßig erst-, fußballerisch drittklassigen Saudi Pro League trifft Ronaldo schließlich auch noch wie am Fließband.

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Zwei der neuen Leistungsträger: Rafael Leao und Bernardo Silva. (Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Die Auswahl von Roberto Martinez ist jedoch gespickt mit aktuellen Weltklassespielern wie Bruno Fernandes, Ruben Dias oder Bernardo Silva, die mehr Verantwortung übernehmen müssten. Dazu wächst um Rafael Leao oder Vitinha eine vielversprechende Generation nach. Im Schatten von Ronaldo blüht allerdings derzeit wenig. Selten war Portugal in der Breite so gut besetzt, doch statt auf eine homogene Mannschaftsleistung verlassen sich die Iberer weiter auf CR7 – der dieser Rolle nicht mehr gerecht werden kann.

Damit Portugal doch noch zum Titelanwärter werden kann, muss endlich der Fokus auf die Akteure am Zenit ihrer Schaffenskraft gelegt werden. Wenn ein Spieler seiner Mannschaft mehr nimmt als gibt, sollte er nicht von Beginn an auf dem Platz stehen. Ronaldo muss für den zweiten EM-Titel anderen die Bühne überlassen und über seinen eigenen Ego-Schatten springen – der ist jedoch ähnlich groß wie sein Denkmal.

(Photo by DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images)

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