Ikone einer Generation: Wie Sam Kerr den Fußball in Australien prägt(e) | OneFootball

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·13. August 2023

Ikone einer Generation: Wie Sam Kerr den Fußball in Australien prägt(e)

Artikelbild:Ikone einer Generation: Wie Sam Kerr den Fußball in Australien prägt(e)

Der Jubel im Stadium Australia ist so laut, dass man meinen könnte, dass Australien gerade ein wichtiges Tor geschossen hat. Doch dem ist nicht so, denn der Applaus richtet sich an Sam Kerr, die sich gerade zum Aufwärmen an die Seitenlinie begeben hat. Die "Matildas" spielen gerade das Achtelfinale bei der Fuball-Weltmeisterschaft der Frauen gegen Dänemark und der Star-Stürmerin des Teams winken die ersten Spielminuten bei dem Turnier.

Jedes Mal, wenn Kerr auf den großen Leinwänden im Stadion zu sehen ist, bricht tosender Jubel bei den Fans aus. Die 29-jährige ist mit 63 Toren in 122 Spielen die Rekordtorschützin Australiens und die derzeit wohl bekannteste Athletin des Kontinents. Jeder dort kennt ihren Namen, das gold-grüne Trikot der "Matildas" mit ihrer ikonischen Rückennummer 20 ist gerade in den Wochen der WM ein absoluter Kassenschlager. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio spielte sie jedoch aus organisatorischen Gründen mit der 2 auf dem Shirt. Für viele Fans grenzte dies fast an einen Skandal, denn die Nummer 20 ist in Down Under untrennbar mit Kerr verbunden.


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Als wenige Stunden vor Anpfiff des Eröffnungspiels zwischen Australien und Irland in Sydney bekannt wurde, dass die Stürmerin aufgrund einer Wadenverletzung nicht spielen könne, war der Schock bei Fans und Fußballbegeisterten groß. Mittlerweile ist Kerr, die zugleich die Team-Kapitänin der "Matildas" ist, wieder genesen und kam seitdem, unter großem Jubel des Stadionpublikums, zu zwei Kurzeinsätzen bei der WM. Nun steht ihre Mannschaft im Halbfinale des Turniers und hat damit historisches erreicht.

Sam Kerr selbst gelang es auf individueller Ebene bereits mehrfach, Geschichte zu schreiben. In einem Land, in dem es bis heute keine vollständig professionalisierte Frauen-Fußballliga gibt und Sportlerinnen bis heute für mehr Gleichberechtigung, sowie bessere Bedingungen kämpfen müssen, wurde sie zum Vorbild einer ganzen Generation. Ihr Werdegang inspiriert bis heute viele Menschen. Nach mehreren Spielzeiten bei australischen Vereinen, u.a. Perth Glory und Sydney FC, wechselte die Stürmerin 2015 in die amerikanische National Women's Super League (NWSL).

In Australien war sie Fußball-Fans schon vor dem Wechsel ins Ausland ein Begriff und hatte in ihrer Heimat längst mit diversen Tor-Rekorden auf sich aufmerksam gemacht. Durch den Karriereschritt in die USA wurde sie einem noch breiteren Publikum bekannt. Während ihrer Zeit in der NWSL wurde Kerr mehrfach Top-Torschützin und konnte diverse Golden Boot-Awards für sich verbuchen. 2019 trafen die ersten lukrativen Angebote für einen Wechsel nach Europa ein, schlussendlich entschied sich die Stürmerin für den FC Chelsea, für den sie seit nunmehr vier Jahren aufläuft und jede Saison neue Titel sammelt.

In Australien ist Fußball bei weitem kein Nationalsport und in der Vergangenheit fehlten vielen Kindern und Jugendlichen die Berührungspunkte mit ihm. Auch Sam Kerr fand erst im Jugendalter zu dem Sport. "Ich habe Fußball gehasst, als ich ein Kind war", erzählte die Stürmerin einmal in einem Interview. "Ich hatte daheim nie einen Fußball". Bevor sie im Alter von 12 Jahren schließlich doch zu "Soccer", wie es in Down Under heißt, wechselte, spielte sie u.a. Australian Football, zu dem sie durch ihren älteren Bruder gekommen war.

Im Fußball stach Kerr sofort durch ihre Athletik und ihr großes Geschick am Ball hervor und debütierte 2009 als erst 15-jährige für die australische Nationalmannschaft, sowie in der Frauenfußball-Liga des Landes. Seitdem hat sie nicht nur zahlreiche Titel und individuelle Auszeichnungen gewonnen, sondern auch eine ganze Nation dem Fußball näher gebracht. Viele junge Mädchen und Frauen fanden, von Sam Kerr inspiriert, ihren Weg zu dem Sport, weil sie durch den der Erfolg der Stürmerin erkannten, was für sie alles möglich ist.

Ähnliches gelang zuvor nur wenigen Athletinnen aus Australien. Eine große Fußballpionierin des Landes ist Julie Dolan, die erste Kapitänin der "Matildas", die zwischen 1978 und 1988 insgesamt 18 Länderspiele bestritt. Vergangenen Generationen von australischen Fußballspielerinnen wurden damals bei weitem nicht so viel Aufmerksam und Wertschätzung beigemessen wie dem Team, das Australien heute bei der WM vertritt. Dennoch legten sie in der Vergangenheit die Grundlagen für die Erfolge, mit denen Sam Kerr und ihre Mitstreiterinnen nun Millionen von Menschen begeistern.

Für die Stürmerin ist es bereits die vierte WM im gold-grünen Trikot. Bei der Ausgabe des Turniers 2019 in Frankreich wurde zur ersten Fußballspielerin Australiens, die in einem WM-Spiel einen Hattrick erzielte. Im vergangenen Jahr erhielt Kerr die "Medal of the Order of Australia" (OAM), eine der höchsten Auszeichnungen des Landes, für ihre Dienste im Fußball. Diese Ehre war zuvor mit Julie Dolan nur einer einzigen anderen Fußballspielerin zu Teil geworden. Auch international hat Kerr ihr Profil längst gefestigt und wurde 2023 u.a. die erste Frau, die auf dem Cover des Videospiels "FIFA23" abgebildet wurde.

Die Stürmerin hat auf vielen Ebenen auf und neben dem Fußballplatz ihre Spuren hinterlassen und zahlreiche Türen für die nachfolgenden Generationen aufgestoßen. Sie ist Autorin mehrerer Kinderbücher, die in Australien die Schaufenster vieler Buchläden zieren. Auch ist Kerr ein wichtiges Vorbild für die LGBTQ+-Community, sowie Menschen mit Migrationshintergrund. Ihr Vater wurde in Indien geboren, wo bis heute noch weitere Familienmitglieder ansäßig sind. In einem Interview erklärte die Stürmerin, sie sei Stolz auf ihre Wurzeln und darauf, junge indische Mädchen zu repräsentieren, wenn sie Fußball spielte. Nach ihrer überstandenen Verletzung ist Kerr nun auch wieder die große Hoffnungsträgerin der "Matildas" bei der WM.

Noch nie zuvor hatte die Mannschaft das Halbfinale des Turniers erreicht. Als der Ausfall der Stürmerin bekannt wurde, überwogen zunächst die Sorgen, wie sich das Team ohne sie schlagen würde. Zweifelsohne gibt es genug Spielerinnen in dem 23-köpfigen Kader Australiens, die für Tore sorgen können, dennoch ist Sam Kerr aufgrund ihrer immensen Bedeutung für den Fußball der Frauen in ihrem Heimatland kaum aus der Nationalmannschaft wegzudenken. In gewisser Weise war auch deren Spiel auf sie ausgerichtet: lange Pässe in die Sturmspitze, wo Kerr schon auf den nächsten Treffer lauerte, waren ein gängiger Teil der Taktik der "Matildas".

Doch den Partien ohne die Team-Kapitänin konnten auch positive Aspekte abgewonnen werden. Andere Spielerinnen, wie Caitlin Foord, Katrina Gorry und Mackenzie Arnold rückten durch ihre Leistungen mehr in den Vordergrund und das ganze Team zog nie dagewesenes Selbstbewusstsein aus den bisherigen Spielen. Allgemein überwiegt der Anschein, dass der Fokus sich mehr zum Mannschaftsgefüge hin verschoben hat und nicht mehr nur die Rede von "Sam Kerr und Co.", sondern tatsächlichen den "Matildas" als Kollektiv ist.

Lokale Medien sprechen bereits von der besten australischen Frauenfußball-Nationalmannschaft aller Zeiten und mit jeder WM-Runde wird der Hype um sie größer. Sam Kerr hat als Australiens Fußball-Pionierin des 21. Jahrhunderts einen elementaren Beitrag dazu geleistet.

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