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Helge Wohltmann·9. Juni 2021

🏳️‍🌈 Homophobie! Darum will kaum jemand in Brasilien die Nummer 24

Artikelbild:🏳️‍🌈 Homophobie! Darum will kaum jemand in Brasilien die Nummer 24

Dass Fußballer eine besondere Beziehung zu ihren Rückennummern aufbauen, ist keine Besonderheit. Dass eine Nummer in einem ganzen Land gemieden wird hingegen schon. Warum also will kaum ein Spieler in Brasilien die 24 tragen?

Auf den ersten Blick und vor allem für europäische Augen ist an dieser Zahl nichts besonderes. In Brasilien ist es hingegen ein Statement, wenn einer der Profis freiwillig mit der 24 auf dem Rücken aufläuft. Er setzt damit nämlich meist ein Zeichen gegen Homophobie.


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Wie es dazu kommt? In Brasilien gibt es seit Jahrzehnten ein populäres Lotteriespiel namens „Jogo do Bicho“ (das Tier-Spiel), bei dem Tieren verschiedene Nummern zugeordnet werden. Der Hirsch, „veado“ auf Portugiesisch, steht dabei für die 24 und da das ähnlich wie die homophobe Beleidigung „viado“ klingt, wollte kaum einer diese Rückennummer haben. Auch um Beschimpfungen von den Rängen zu umgehen.

„Angst vor Vorurteilen“

Guilherme Bellintani, Präsident von Esporte Clube Bahia, beschrieb die komplizierte Situation 2019 in einem Artikel des ‚Bleacher Report‘: „Solange sie verfügbar sind, können sich die Spieler ihre Nummern selbst aussuchen. Wir haben als Klub keinen Einfluss auf ihre Entscheidung. Wenn sie die Nummer 24 nicht nehmen, passiert das aufgrund ihrer Angst vor Vorurteilen, da habe ich keine Zweifel.“ Bahia ist einer der progressiveren Klubs des Landes und startet regelmäßig Kampagnen gegen Homophobie.

Damit sind sie zwar nicht alleine, sie nehmen es allerdings ernster als die anderen Klubs der Liga. Laut ‚Bleacher Report‘ war Ende August 2019 erstmals ein Spiel der ersten brasilianischen Liga aufgrund von homophoben Gesängen unterbrochen worden. Daraufhin posteten alle 20 Klubs auf ihren Social-Media-Kanälen einen Aufruf an die Fans: „Sag ‚Nein‘ zu Homophobie“. Dem Vorschlag der Zeitung ‚Estado de S. Paulo‘, den Mannschaften Punkte abzuziehen, wenn Anhänger durch homophobe Gesänge auffallen, habe allerdings einzig Bahia zugestimmt.

Mittlerweile gibt es aber immerhin auch einige Spieler, darunter auch größere Namen, die die 24 tragen, um Zeichen zu setzen oder weil sie sich nicht einschüchtern lassen wollen. So hatte Bahia Anfang 2020 dann doch einen Spieler gefunden, der mit der Nummer auflaufen wollte. Der defensive Mittelfeldspieler Flávio entschied sich ganz bewusst dafür. Einerseits sei Kobe Bryant, der die Nummer trug, sein Idol. Andererseits sei es ihm auch um die Sache gegangen.

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„Ich habe es also aus zwei Gründen getan. Aber es geht vor allem um die Sache, etwas viel Größeres, was ich zu 100 Prozent unterstütze. Das war es, warum ich mich entschieden habe, die 24 bis zum Ende der Saison zu tragen. Die Zeit ist gekommen, dass wir Vorurteile und diese archaische Intoleranz aus dem Fußball verbannen“, sagte er laut ‚Guardian‘.

Als der Kolumbianer Víctor Cantillo im Januar 2020 zu Corinthians São Paulo wechselte, wollte er seine Nummer mitnehmen, die er bereits in seiner Heimat bei Junior FC getragen hatte.

Corinthians-Sportdirektor Duilio Monteiro Alves wurde laut ‚Guardian‘ von Kameras dabei aufgezeichnet, wie er seinem Neuzugang sagte: „24 hier, nein.“ Duilio musste sich im Anschluss entschuldigen und Cantillo bekam seine Wunschnummer.

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Viel Aufmerksamkeit bekam auch Gabigol, einer der größten brasilianischen Stars, als er im März 2020 beim Rio State Cup die 24 trug und Flamengo zum 2:1-Sieg über Boavista schoss.

Flávio glaubt, dass es „praktisch unmöglich“ sei, dieses Problem und Tabu kurzfristig zu beenden. Die Gesellschaft werde sich aber an die Spieler erinnern, die ein Zeichen gesetzt haben: „Wichtig ist, dass wir uns alle gegenseitig respektieren, egal welche Hautfarbe, welches Geschlecht und welche sexuelle Orientierung wir haben“, so Flávio.


Um den Pride Month – eine globale Feier der LGBTQ+ Gemeinschaft – zu zelebrieren und zu unterstützen, veröffentlicht OneFootball eine Artikelreihe, die die LGBTQ+ Mitglieder unserer Fußball-Welt würdigt.