Heute vor 45 Jahren: Borussia bestreitet Weltpokalspiel in Buenos Aires | OneFootball

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Borussia Mönchengladbach

·21. März 2023

Heute vor 45 Jahren: Borussia bestreitet Weltpokalspiel in Buenos Aires

Artikelbild:Heute vor 45 Jahren: Borussia bestreitet Weltpokalspiel in Buenos Aires

In den 1970er-Jahren erfreut sich der Weltpokal in Europa keiner großen Beliebtheit. Weite beschwerliche Anreisen, ein überschaubarer sportlicher Wert, Schwierigkeiten in der Terminfindung sowie die harte Spielweise der südamerikanischen Teams führen dazu, dass in Borussias erfolgreichstem Jahrzehnt insgesamt sieben Mal der Gewinner des Europapokals der Landesmeister auf die Spiele um den Weltpokal gegen den Sieger der Copa Libertadores verzichtet – so wie auch 1977. Der FC Liverpool soll eigentlich gegen die Boca Juniors aus Argentinien antreten, hat aber kein Interesse, und so rückt Borussia als unterlegener Finalist nach.

Die Spieler der FohlenElf sind alles andere als erfreut, mitten im Saisonendspurt 1977/78 ein weiteres Spiel auszutragen. Und dann auch noch eines, für das man insgesamt vier Tage inklusive zweier jeweils 18-stündiger Flüge einplanen muss. Doch für das Gastspiel in Argentinien erhält der VfL 80.000 Dollar – und für das Rückspiel erwartet man hohe Zuschauereinnahmen. „Nur deshalb haben wir diese Strapazen auf uns genommen“, erklärt Manager Helmut Grashoff damals. Und so gesellt sich in einen eh schon vollen Terminplan am 21. März 1978 das Hinspiel um den Weltpokal in Buenos Aires. Im März 1978 bestreitet Borussia so innerhalb von nur vier Wochen acht Pflichtspiele.


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Ohne Trainer nach Argentinien

Die Mannschaft muss nicht nur verletzungsbedingt auf die beiden Toptorjäger Jupp Heynckes und Allan Simonsen verzichten – sie reist sogar ohne Trainer nach Argentinien. Denn Udo Lattek sieht sich lieber das englische Ligapokal-Finale zwischen Nottingham Forest und dem FC Liverpool – Borussias Gegner im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister – an. „Ich habe mir das reichlich überlegt“, sagt Lattek. „Innsbruck habe ich mir wegen Terminschwierigkeiten vorher nicht ansehen können, und das wäre ja fast ins Auge gegangen. Das soll uns nicht noch einmal passieren.“ [Anm. d. Red.: Das Viertelfinal-Hinspiel bei Wacker Innsbruck hatte der VfL 1:3 verloren. Ein 2:0 im Rückspiel sicherte knapp das Weiterkommen.]

Vertreten wird Lattek in Argentinien von Konditionstrainer Karl-Heinz Drygalski. Die Westdeutsche Zeitung glaubt zwar, dass Borussia aufgrund des bevorstehenden Halbfinals gegen Liverpool nur „mit halbem Herzen“ dabei sein werde. Aber dann wird „die Mannschaft plötzlich vom Ehrgeiz gepackt“ und zeigt „über weite Strecke Weltklasse-Fußball.“ Sie gerät im Hexenkessel der legendären „Bombonera“ früh in Rückstand (15.), „doch dann zauberten die Gladbacher mit dem Ball auf dem holprigen Rasen, so dass sie sich schnell in die Herzen der Argentinier spielten.“ Wilfried Hannes (25.) und Rainer Bonhof (30.) drehen innerhalb weniger Minuten die Partie. „Wir waren nicht auf das Tempo vorbereitet, das die Deutschen in der ersten Halbzeit vorlegten“, gibt Boca-Kapitän Rubén Suñé zu. Dass die Boca Juniors doch noch ausgleichen, hat auch damit zu tun, dass es Borussia im zweiten Durchgang ruhiger angehen lässt und sich für die bevorstehenden Aufgaben schont. Oder spielten gar wirtschaftliche Gründe eine Rolle, wie Manager Helmut Grashoff anspricht: „Sollten wir etwa in Buenos Aires gewinnen? Dann hätten wir im Rückspiel vor leeren Rängen gespielt. Dieses 2:2 war unser Wunschergebnis“.

„Nun winkt Borussia sogar der Weltpokal“, titelt die Rheinische Post am Folgetag, an dem die Mannschaft gegen Mittag aus Buenos Aires aufbricht und nach vier Zwischenlandungen in São Paulo, Rio de Janeiro, Dakar und Frankfurt am Donnerstag um 13.45 Uhr endlich ankommt – 25 Stunden und 30 Minuten nach dem Abflug.

„Wettbewerbsverzerrung“

Erst Anfang August – viereinhalb Monate nach dem Hinspiel – kommt es zum Rückspiel. Während sich Borussia lediglich in Vorbereitungsspielen gegen unterklassige Gegner warm schießt, befinden sich die Boca Juniors bereits mitten im Spielbetrieb und grüßen mit fünf Punkten Vorsprung von der argentinischen Tabellenspitze. „Eine Wettbewerbsverzerrung“, finden die Zeitungen. Nicht nur weil der Termin „einen Saisonhöhepunkt vom Ende an den Beginn einer Spielzeit“ verlegt, sondern auch, weil durch den großen Abstand zwischen den beiden Partien die Mannschaft des Hinspiels zerrissen ist. Aus Borussias Startelf in Buenos Aires stehen nur vier auch im Rückspiel in der Anfangsformation. Bei den Boca Juniors gibt es fünf Veränderungen, und so treffen am 1. August 1978 zwei größtenteils neue Mannschaften im Karlsruher Wildparkstadion aufeinander.

Der ungewöhnliche Spielort in Baden-Württemberg bringt viele Fans auf die Palme. Doch da der Bökelberg umgebaut wird und alle anderen Stadien im Umkreis belegt oder keine Option sind, geht es eben nach Karlsruhe, wo sich Borussia ohnehin auf die neue Saison vorbereitet. Von einem Heimspiel kann man wahrlich nicht sprechen. Unter den 38.000 Zuschauern befinden sich nur wenige aus Mönchengladbach – die Partie findet schließlich an einem Dienstagabend 350 Kilometer von der Heimat entfernt statt. Der Verein hatte zwar verbilligte Busse angeboten, doch die WZ, die das Spiel „ein Finale im Wolkenkuckucksheim“ nennt, spricht gerade einmal von „fünf Schlachtenbummler-Bussen“, die sich auf den Weg gemacht haben.

Eine brutale Lektion

Das traditionelle Horn, das die Boca Juniors als Präsent mitbringen, bleibt das einzige Gastgeschenk der Südamerikaner an diesem Abend. Wunderten sich die Journalisten nach dem Hinspiel noch, dass die Partie „entgegen aller Warnungen überaus fair“ war, so haben die Argentinier daraus anscheinend die richtigen Schlüsse gezogen. Nur wenige Augenblicke nach Anpfiff holt Vicente Pernía Allan Simonsen von den Beinen und zeigt den Borussen früh, wie es diesmal laufen wird. Die FohlenElf kommt mit der Härte der Südamerikaner nicht klar - und dann gesellt sich auch noch Pech hinzu. Christian Kulik schießt 30 Meter vor dem eigenen Tor einen Argentinier an, der Ball springt zu Dario Felman, der alleine auf VfL-Torhüter Wolfgang Kneib zuläuft und bereits in der zweiten Minute die Führung der Gäste markiert.  „Das hat unser ganzes Konzept durcheinander gebracht“, so Lattek. „Wenn uns das 1:0 gelungen wäre, hätten allein wir gewonnen.“

Doch so zeigen die Gäste mit „schonungsloser Härte und Kaltschnäuzigkeit“ (RP) den Borussen ihre Schwächen auf. In ihren Kontern finden die Boca Juniors „eine entblößte, teilweise hilflose Abwehr vor“ – und machen noch vor der Pause durch zwei weitere Treffer alles klar. „Da sehen unsere Spieler einmal, wie brutal international Fußball gespielt wird“, bilanziert Lattek.  Und so wird es nach der um drei Tore verpassten Titelverteidigung in der Bundesliga nichts mit dem „Weltpokal als Trostpflaster“ (RP). Die erneute Chance bot sich für Borussia bis heute nicht. Die Boca Juniors verteidigen im November 1978 ihren Titel in der Copa Libertadores – genau wie der FC Liverpool im Europapokal der Landesmeister. Die 18. Ausspielung des Weltpokals kommt allerdings nicht zustande. Diesmal verzichten nicht nur die Engländer, sondern auch die Argentinier.

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