Hannover 96 – FC St. Pauli 2:3 – Taktikanalyse und ungeahnte Glücksgefühle | OneFootball

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MillernTon

·16. Januar 2021

Hannover 96 – FC St. Pauli 2:3 – Taktikanalyse und ungeahnte Glücksgefühle

Artikelbild:Hannover 96 – FC St. Pauli 2:3 – Taktikanalyse und ungeahnte Glücksgefühle

Der FC St. Pauli gewinnt nach knapp 700 Tagen wieder ein Pflichtspiel außerhalb Hamburgs und nach einer 13 Spiele dauernden Sieglosserie wieder in der 2.Liga. Puuh, tief durchatmen.Die drei Punkte verdiente sich der FCSP vor allem durch eine überlegende erste Halbzeit und dadurch, dass sie eine richtig schwierige Phase in der zweiten Halbzeit überstanden haben (wobei man bei zwei Gegentoren nicht wirklich von „überstanden“ sprechen kann).(Titelbild: Martin Rose/Getty Images/via OneFootball)

Die Aufstellungen


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Nach 15 erfolglosen Versuchen, habe ich in meinem Vorbericht endlich mal richtig spekuliert bei den Aufstellungen: Hannover 96 startete im Vergleich zu den letzten Spielen mit identischer Aufstellung. Der FCSP wechselt erwartungsgemäß und startet mit Ohlsson als Rechtsverteidiger anstelle von Dźwigała.

FC St. Pauli macht das Zentrum dicht – und erzielt zwei Tore

Nicht nur in der Formation sondern auch in Sachen Einstellung unverändert im Vergleich zum spielerisch überzeugenden Spiel gegen Kiel startete der FCSP. Und das nach 71 Sekunden direkt erfolgreich. Der FCSP schaltet schnell um, Marmoush schickt Burgstaller die Linie runter, Rodrigo Zalazar rückt klasse von der tiefen Position ein – 1-0. BÄM!

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Ein perfekter Start. Und in der Folge zeigte sich, dass der FCSP nicht nur in Umschaltsituationen sondern auch ganz allgemein viel besser aufgestellt war. Die ersten 30 Minuten gingen klar an den FC St. Pauli.Das lag daran, dass die Formation von Hannover 96 gegen die Mittelfeld-Raute des FCSP nicht funktionierte. Hannover startete in einem 4-3-3. Bei Ballbesitz positionierten sich die offensiven Außen Sulejmani und Schindler auf Höhe der letzten Kette des FCSP und fielen von dort nur selten anspielbar zurück.Daniel-Kofi Kyereh machte genau da weiter, wo er gegen Kiel aufgehört hatte und nahm den gegnerischen Sechser, den richtig starken Jaka Bijol, ganz stumpf in Manndeckung. Bijol machte dadurch, wie auch schon Meffert zuvor, ein blasses Spiel, bis er dann kurz vor Schluss mit Gelb-Rot den Platz verlassen musste.

Dadurch, dass die beiden Außen von Hannover 96 zu oft zu weit vorne „klebten“ war es für den FCSP im 4-3-1-2 relativ simpel die Räume zu besetzen und Ballgewinne zu forcieren, denn Rico Benatelli war im Zentrum quasi ohne Gegenspieler und Auftrag. Dadurch konnte die Dreierkette Zalazar – Benatelli – Becker recht sorglos auf die Seite verschieben, wo der Ball war.

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Doch es war nicht nur die Formation, die in den ersten 30 Minuten klar besser war: Auch die Arbeit auf die zweiten Bälle war erheblich energischer und führte letztlich zum 2-0, als Rico Benatelli zweimal offensiv verteidigte und mit aller Kraft auf den 2.Ball ging.

Woah, was für ein Start! Ich hatte zwar darauf gehofft, dass der FCSP gut ins Umschalten kommt, aber das der Plan so gut aufgeht, war schon richtig gut. In der Folge zeigte sich der FCSP auch unter Druck ballsicher und ich musste mir verwundert die Augen reiben und fragen, ob das der gleiche Ziereis, der gleiche Paqarada, der gleiche Zalazar, Becker, Benatelli, Kyereh ist wie die Spieler, die Ende 2020 auf dem Platz standen. Richtig gut. Ich möchte die 25.Minute und Daniel Buballa besonders hervorheben. In der Folge gab es auch weiter gute Aktionen und Chancen. Der FCSP hatte das Spiel komplett unter Kontrolle. Auch deshalb, da Hannover 96 auf die Formation des FCSP überhaupt keine Lösungsansätze hatte.

Hannover 96 stellt um – und gewinnt die Halbräume

Das Kenan Kocak gut auf Formationen des Gegners reagieren kann, habe ich persönlich im Herbst 2018 kennengelernt, als der FCSP die ersten 20-30 Minuten gegen Sandhausen dominierte, bis Kenan Kocak von einer Fünfer- auf eine Viererkette umstellte und so sehr viel besser Zugriff auf das Spiel bekam (und Blog-Kollege flippa sich fürchterlich aufregte).

Im gestrigen Spiel reagierte Kocak in der 33.Minute mit einem Doppelwechsel und stellte seine Formation von einem 4-3-3 auf ein 4-1-3-2 um. Damit wurde die Formation des FCSP, also das 4-3-1-2, im Mittelfeld sozusagen gespiegelt. Becker, Benatelli und Zalazar hatten nun mit Muslija, Haraguchi und Kaiser direkte Gegenspieler und wurden in wesentlich mehr defensive Duelle gezwungen. Und defensive Zweikampfmaschinen werden alle Drei in ihrer Karriere wohl nicht mehr.Zusätzlich konnte diese Dreierkette des FCSP nicht mehr so sorglos verschieben, weshalb beide Außenverteidiger von Hannover etwas mehr Platz in den Halbräumen hatten. Und die Außenverteidiger des FCSP konnten nicht mehr so gut rausrücken, da nun nicht mehr nur Ducksch, sondern auch Weydandt vorne mit drin stand.

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Aber die Umstellung führte nicht direkt dazu, dass der FCSP das Spiel aus den Händen gab. Zur Halbzeit kann es auch schon 3-0 stehen, kurz nach Wiederanpfiff muss es dann 3-0 stehen.

Stattdessen kommt Hannover 96 doch ziemlich aus dem Nichts zum Anschlusstreffer durch Haraguchi. Und mit dieser 52. Minute starteten 20 sehr wackelige Minuten für den FCSP. Das Spiel wurde chaotisch, Hannover 96 zwang das FCSP-Mittelfeld mehr und mehr in direkte Duelle und gewann diese zu häufig. Falls sich jemand gefragt hat, warum Eric Smith ein so wichtiger Baustein für das Spiel des FC St. Pauli werden kann, schaut euch bitte an, wie sehr Benatelli, Becker und Zalazar in Defensivduellen Probleme hatten.

Kurz nach dem Anschlusstreffer folgt das 2-2. Ein Lehrbeispiel dafür, wie ein offensiver Mittelfeldspieler sich freilaufen kann, wenn sein defensiver Konterpart ihn in seinem Rücken ziehen lässt.In der Folge darf sich der FCSP nicht beschweren, wenn Hannover 96 das dritte Tor hätte folgen lassen. Gefühlt wurde jede einzelne Flanke, die in den FCSP-Strafraum segelte entweder zur Ecke geklärt oder endete mit einem Kopfball/Torschuss. James Lawrence, bitte komm schnell wieder zurück!

FC St. Pauli stellt um – und stabilisiert sich

Wo viele Flanken sind, da sind auch freie Flankengeber. Das Trainerteam des FCSP reagierte darauf, dass sich ziemlich häufig auf der Außenbahn 96-Spieler freispielen konnten und wechselte Adam Dźwigała für Rodrigo Zalazar ein.Damit wurde auch die Formation umgestellt: Fortan wurde mit einem 5-3-2 agiert und konnte dadurch sehr viel besser die Zuständigkeiten auf den Außenbahnen klären. Der FCSP konnte sich damit aus dem Klammergriff lösen.

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Nachdem der FCSP die ersten 30 Minuten dominierte, das Spiel bis zum Anschlusstreffer ausgeglichener war (mit weiterhin leichten Vorteilen für den FCSP), Hannover 96 ab dem Anschlusstreffer klar überlegen war, konnte sich der FCSP mit der Umstellung auf ein 5-3-2 wieder stabilisieren.Dadurch wurde es ein Spiel des Willens in den letzten 20 Minuten. Und der FCSP wurde mit jeder Minute besser, erlangte wieder etwas mehr Kontrolle bzw. hielt Hannover 96 besser vom eigenen Tor weg.

Bevor das Spiel den letzten Höhepunkt offenbarte, gab es einen Aufreger, der Hannover 96 auch nachhaltig in Wallung brachte (ich kann Euch gar nicht sagen, wie zufrieden mich Marvin Ducksch in seiner Rolle als Heulboje nach Abpfiff machte). Hendrick Weydandt stürmte auf Dejan Stojanović zu und wurde von ihm gefällt. Schiedsrichter Sören Storks entschied, dass es kein Foul war. Und es war eine haarscharfe Entscheidung. Letztlich griff der VAR nicht ein, da Stojanović den Ball ganz leicht berührte bevor Weydandt von ihm gelegt wurde. Der DFB äußerte sich zu der Szene im Nachhinein und erklärte, warum der VAR nicht eingriff. Fragt sich nur, ob der VAR eingegriffen hätte, wenn Storks auf Elfmeter entschieden hätte (und ich frage mich, wie Storks das während des Spiels gesehen haben will). (Anm. Maik: Ich bezweifle stark, dass der VAR einen Elfmeterpfiff zurückgenommen hätte. Aber Storks hat das natürlich gut gesehen!)

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Es spricht für den Mut des FCSP, dass auswärts bei Hannover 96, bekanntlich ja auch kein Leichtgewicht der Liga, beim Stand von 2-2 auch kurz vor Schluss weiter ernsthaft versucht wird, vorne etwas zu bewegen.Es spricht für die Moral des FCSP, dass die schwierige Phase zwischen 50. und 70. Minute nicht darin mündete, dass versucht wurde das 2-2 über die Zeit zu bringen.

Was wollen wir auch weiterhin Unentschieden sammeln? Davon haben wir inzwischen genügend und sie bringen uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr weiter. Es müssen Siege her. Das wurde auf wunderbare Weise gegen Hannover 96 in der Nachspielzeit geschafft. Nicht mit der Brechstange, nein, vielmehr mit einem schönen Spielzug über Benatelli, der Dittgen zentral anspielte, der dann richtig gut auf Paqarada rauslegte, was schlussendlich zum ersten Tor von Igor Matanovic führte und damit zu schier unendlichem Jubel auf dem Platz und überall dort, wo in den letzten Monaten viel mitgelitten wurde.Endlich mal wieder drei Punkte! Endlich mal so ein 50/50-Spiel für uns entschieden. Endlich mal wieder nicht seufzend den Bildschirm ausmachen nach dem Spiel. Endlich!

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Der FC St. Pauli gewinnt also in Hannover. Aber nicht, da er ausnahmsweise, am 16.Spieltag, zum ersten Mal diese Saison die Null hinten gehalten hätte. Ob das noch passieren wird? Das ist zumindest nicht ganz so wichtig, wenn Du vorne diese Power hast, die in Hannover entwickelt wurde. Guido Burgstaller, Omar Marmoush und Daniel-Kofi Kyereh sind einfach ein anderes Level. Und wenn Du dann so nen Killer wie Matanovic bringen kannst und dazu die offensive Kreativität von Benatelli, Becker und Zalazar hast… Das ist schon gut und es scheint so langsam ein Rädchen ins andere zu greifen. Wurde aber auch Zeit, so kurz vor Ende der Hinrunde.

Wie überlebenswichtig diese drei Punkte sind, zeigt die Tatsache, dass der FCSP trotz des Sieges weiterhin auf einem Abstiegsplatz steht. Immerhin wurde der Kontakt nach oben wieder hergestellt. Gegen Regensburg kann dann der nächste Schritt gemacht werden.Immer weiter vor!

// Tim

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