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·17. August 2024

Hallescher FC: Den Nazi zum Ordner gemacht

Artikelbild:Hallescher FC: Den Nazi zum Ordner gemacht

Der FC St. Pauli gewinnt mit Mühe beim Halleschen FC. Besonders froh darüber war man im Gästeblock, denn gegen den angrenzenden Mob hätte eine Niederlage besonders geschmerzt.

Zum Spiel lässt sich kurz sagen, dass ein gutes Pferd eben nur so hoch springt, wie es muss. Außerdem sind knappe Siege gegen einige Fanszenen viel schöner, als so ein schnödes 4:0 wie es Bayern gestern gegen Ulm holte. Ausführlicher und mit viel mehr taktischer Expertise: Tims Analyse von gestern Abend.


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Da ich Halle noch nicht kannte, hatte ich mich für eine entspannte ICE-An- und Abreise mit Übernachtung entschieden. Die Hinreise gestaltete sich entsprechend entspannt, schnell noch die Klamotten ins Hotel und mit ebenfalls angereisten „Feuchten Bibern“ und „Lächerlichen“ mit der Straßenbahn zum Stadion. Als gebürtiger Bremer schließe ich Städte mit Straßenbahnen schnell in mein Herz, auch sonst sah Halle als Stadt wirklich schön aus.Und damit hätten wir die positiven Aspekte der Reise dann auch schon fast abgehakt.

Einlass und Gästeblock

Die Polizei hatte die Seitenstraße vor dem Gästeblock weiträumig abgesperrt, hier hielten auch die Gäste-Reisebusse. Außerdem bemühte man sich offensichtlich eher um den Hannoveraner Weg der Charmeoffensive, statt auf die ja sonst auch oft übliche Art einer möglichst martialischen Abschreckung. Zumindest über die Polizei gibt es also (von meiner Seite) an diesem Abend nichts zu meckern, sollte man ja auch mal festhalten.

Auch die Ordner am Einlass waren, als wir reingingen (etwa eine Stunde vor Anpfiff), entspannt und freundlich. Im Stehplatzbereich war zu dem Zeitpunkt noch viel Platz, dies sollte sich später natürlich noch ändern. Die Trennung zwischen Steh- und Sitzplatzbereich mit den getrennten Eingängen wurde sehr strikt überwacht, zumindest in den Sitzplatzbereich kam man nicht ohne entsprechendes Ticket. Mag grundsätzlich ja auch nachvollziehbar sein, allerdings sind wohl auch einige Personen mit Sitzticket (ebenso nachvollziehbar) in den (nicht kontrollierten) Stehplatzbereich gegangen. Dieser war teils so überfüllt, dass ein paar freiwillige Wechsel in den Sitzplatzbereich alles sehr entspannt hätten. Und wenn dann selbst Personen mit Kreislaufproblemen dieser verwehrt wird… naja.Zur Getränke-/Essensversorgung und zur Klosituation kann ich nichts beitragen, ich habe den Block erst nach Abpfiff wieder verlassen.

Trotteltruppe hier…

Die AfD liegt bei Umfragen in Sachsen-Anhalt aktuell bei knapp 30%. Ein Spiel des FC St. Pauli lockt zudem generell immer mehr als nur den lokalen Nazi-Mob an. Insofern durfte es niemanden überraschen, dass es auch gestern in den angrenzenden Blöcken zur Kurve und zur Gegengeraden einen üblen Kartoffel-Auflauf gab. Rechts (vom Gästeblock aus gesehen) sammelte sich die gleiche Trottelfraktion, die man so oder ähnlich auch bei Spielen in Dresden, Magdeburg oder Rostock antrifft. Grüße an den komplett frei drehenden Typen im Lok Leipzig-Trikot, der so weit überzog, dass er insbesondere nach Abpfiff für viel Unterhaltung bei uns sorgte.

Der Form halber sei erwähnt, dass hier von so vielen Personen Hitler-Grüße gezeigt wurden, dass jede*r Ordner*in wohl einen eigenen gut gefüllten Bus zur nächsten Polizeiwache hätte fahren können. Konsequenzen aber gab es keine, auch klar.Damit dies klar benannt ist: Natürlich sind das Straftaten. Auch wenn man sich als St. Pauli-Fan an derartiges Verhalten inzwischen leider ebenso gewöhnt hat wie an das Ausbleiben der Konsequenzen, wäre es trotzdem wünschenswert, wenn dies konsequenter geahndet werden würde. Hochauflösendes Videomaterial dürfte ja sicher vorliegen.Wäre dies „alles“ gewesen, so hätte man dies aber auch unter der üblichen „FCSP-Spiele im Osten“-Folklore abhaken können.

…organisierter Nazi-Kampfsport da

Was sich hingegen in der Kurve, also vom Gästeblock gesehen aus links, sammelte, hatte eine andere Qualität. Schon der gemeinsame und entschlossene „Einmarsch“ der Gruppe stach hervor. Dabei konnte auch das Abklatschen mit den dort postierten Ordnern beobachtet werden. Auch dies kennt man aus anderen Stadien bereits. Ob genau diese Ordner dann im Zweifel eingreifen, wenn es zu einem Angriff kommt? Zweifellos, fragt sich nur, auf welcher Seite…Immerhin: Irgendjemand schien es aber später für sinnvoll zu erachten, hier zusätzlich zur (inzwischen verstärkten) Ordnerkette auch noch voll gepanzerte Polizei in jenen Bereich zu schicken, die sich dort beobachtend zurück hielt.

„Die Polizei hat im Stadion nichts zu suchen“ ist eine Aussage vieler Fans und insbesondere Fanhilfen. Dies dürfte in den meisten Fällen immer noch so gelten, je nach Sichtweise mag der ein oder die andere dies für Pufferblöcke oder Situationen wie gestern etwas aufweichen. Denn wenn dem Ordnungsdienst das Handhaben der Situation nicht mehr zugetraut werden kann, ist es eben die Aufgabe der Polizei, insbesondere unbeteiligte Personen zu schützen. Denn nicht zu vergessen: Während im Stehplatzbereich des Gästeblocks durchaus ein gewisser Anteil der Fans für eine direkte Konfrontation vorbereitet gewesen wäre, hätte der Sitzplatzbereich ja noch dazwischen gelegen. In diesem befand sich eine größtenteils gänzlich andere Klientel, die auf gar keinen Fall eine körperliche Auseinandersetzung mit Kampfsportlern gesucht hätte.

Aber warum sollte man dem Ordnungsdienst denn ein entschlossenes Eingreifen nicht zutrauen, im Fall der Fälle? Die Braun-Weiße Hilfe (BlueSky) wies darauf hin, wer genau dort im Ordnungsdienst ein Beschäftigungsverhältnis genoss: unter anderem der verurteilte Neonazi Felix Reck. Bevor jemand zweifelt: Uns liegen weitere Screenshots aus Instagram-Stories vor, wo er von Kumpels mit seinem Account getaggt ist und in der Ordner-Weste freundlich in die Kamera lächelt.Ich gehe auch nicht davon aus, dass er die einmalige Ausnahme in der Truppe war.

Lieber Hallescher FC,da habt ihr ja den Bock zum Gärter gemacht!Der organisierte Neonazi Felix Reck als Ordner und das direkt am Gästeblock.—Fanhilfe FCSP— Fanhilfe_FCSP (@fanhilfe-fcsp.bsky.social) 2024-08-16T19:50:13.025Z

Ein Großteil der dort postierten Gruppe an Fans machte sich auch lange Zeit nicht die Mühe, das Spiel zu verfolgen, sondern schaute durch die dazugehörige Sonnenbrille permanent in den Gästeblock. Mit zunehmender Dynamik des Spiels wurde dies aufgeweicht und das Tor von Lars Ritzka zum 2:3 konnten die meisten dann wirklich gut sehen, meinen Glückwunsch.

Artikelbild:Hallescher FC: Den Nazi zum Ordner gemacht

Lars Ritzka trifft zum 2:3, beste Sicht aus dem Hintertorbereich.

// (c) IMAGO / Picture Point LE via OneFootball

„Wir kriegen Euch alle!“

Der Umgang des Gästeblocks mit diesen Umständen lässt sich nicht anders als „stabil“ bezeichnen. „Siamo tutti antifascisti“ sorgte für das gewünschte Echauffieren im Heimbereich. Das „Nazischweine!“ sogar noch nach Abpfiff auf dem Fußweg bei den „normalen“ Heimfans für Verärgerung. Gut, vielleicht haben die wirklich nicht mitbekommen, was sich da direkt am Heimbereich so sammelte, mag ja sein. Auf Social Media wurde sich von nicht Beteiligten teilweise darüber mokiert, dass man doch bei eigenem Rückstand sich lieber um den Fußball als um solch politische Statements kümmern sollte. Dass aber gerade in solchen Umfeldern es als Fangruppierung umso wichtiger ist, hier unabhängig vom Ergebnis klare Haltung zu zeigen, muss ich den Leser*innen dieses Blogs glücklicherweise ja nicht ausführlicher erläutern.

Zusätzlich gab es auch auf Bannern Solidaritätbekundungen mit Antifaschist*innen und spätestens mit dem Führungstreffer konnte man den Mob dann auch mit dem gebührenden Amüsement bedenken. „Wir fahr’n nach Haus, Ihr müsst hier wohn’n!“ war nur einer von vielen Gesängen aus der Richtung, wobei hier beste Grüße an die Hallenser St. Pauli-Fans rausgehen.Ganz generell sei angemerkt, dass da natürlich nicht 12.000 Nazis im Heimbereich unterwegs waren und es auch beim HFC sicher einige korrekte Leute gibt, die es in diesem Umfeld deutlich schwerer haben als es bei uns der Fall ist. Schade für diese Personen, für die das ja sicher auch das Spiel des Jahres war, dass der Eindruck vom Gästeblock aus dann durch die anderen Vorfälle geprägt wird und so in Erinnerung bleibt.

„Ich bin so sauer, ich schmeiße sogar Bier!“

Was zusätzlich vielleicht gar nicht so schlecht war, war der Moment, als die Mannschaft zum Jubel vor den FCSP-Block kam. Da flogen dann nämlich auch diverse Getränke aus dem Heimbereich in die Richtung des Teams und in Kombination mit den „Nazischweine“-Rufen konnten die Spieler sich wahrscheinlich einigermaßen zusammenreimen, was sich da die gesamten 120 Minuten über abgespielt hatte. Zumindest bei Jackson Irvine ging der Blick bei den Rufen immer in die richtige Richtung und er dürfte die Zusammenhänge verstanden haben. „Gar nicht so schlecht“ kann ich natürlich auch nur deshalb schreiben, weil die Weichplastikbecher ihr Ziel größtenteils sowieso verfehlten und niemandem etwas passierte. Lediglich Lars Ritzka versuchte einen der Becher mit der Hand zu fangen, dieser ging dabei aber kaputt.

Die Abreise der Gästebusse haben wir nicht komplett abgewartet sondern gingen zu Fuß zurück in die Stadt. Ohne Farben gekleidet verlief dies unbehelligt. Vor dem Hotelfenster erfüllten sich später in der Nacht dann aber doch noch die üblichen Klischees, von „Ausländer raus!“-Gesängen zu Gigi D’Agostino über das Absingen der ersten Strophe der Nationalhymne, immer wieder unterbrochen von „Scheiß St. Pauli!“-Rufen. Unpolitische Fußballfans, man kennt das, leider.

Da uns in der Liga diese Saison die ganz großen Aufregerspiele ja eher fehlen, war die Tour jetzt mal ganz nett, um derartige Zustände nicht komplett zu vergessen. Grundsätzlich wird aber wohl auch niemand traurig sein, wenn auch in den nächsten Jahren nicht allzu viele Pflichtspiele des FC St. Pauli in Halle stattfinden.

Forza St. Pauli!// Maik

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