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·27. Oktober 2021

Gladbach im Pokal gegen Bayern: Und immer siegt der FCB

Artikelbild:Gladbach im Pokal gegen Bayern: Und immer siegt der FCB

Heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky) treffen sich die großen Rivalen der Siebziger im DFB-Pokal wieder. Borussia Mönchengladbach gegen FC Bayern München elektrisiert die Fans noch immer. Seltsamerweise sind sich die Serienmeister eines goldenen Jahrzehnts im Pokal erst 1984 zum ersten Mal begegnet - insgesamt ist es nun die achte Partie. Die Borussen, die heute Heimrecht haben, warten in dieser Pokalpaarung noch immer auf den ersten Sieg. Trotzdem war es immer eng, teilweise hochdramatisch. DFB.de schaut in die Geschichtsbücher.

Das größte Drama stand gleich am Anfang. Am Donnerstag, 31. Mai 1984, trafen sie sich im Frankfurter Waldstadion im Finale eines Wettbewerbs, der einer der spektakulärsten der Geschichte war. Denn im Halbfinale waren 26 Tore nötig, ehe die Finalisten ermittelt worden waren. Borussia schlug Werder Bremen 5:4 nach Verlängerung, am nächsten Tag trennten sich Zweitligist Schalke und die Bayern ebenfalls nach Verlängerung 6:6! Erst in der Wiederholung (3:2) erreichte Bayern das Finale, das im Zeichen des Abschieds stand - auf beiden Seiten ging ein großer Spieler. Karl-Heinz Rummenigge bestritt sein letztes Spiel für die Bayern, um nach zehn Jahren und 162 Ligatoren für 10,5 Millionen Mark zu Inter Mailand zu wechseln. Und Borussia verlor ihren Jungnationalspieler Lothar Matthäus - pikanterweise an die Bayern.


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Der Wechsel schlug hohe Wellen, Borussen-Trainer Jupp Heynckes versuchte es mit Zuckerbrot und Peitsche. Einmal ließ er Matthäus auf der Bank, dann bot er ihm Geld aus eigener Tasche - doch Matthäus war nicht zu erweichen und ging nach München. Hoch und heilig versprach er den Fans: "Ich möchte mich mit dem Pokalsieg im Gepäck nach München verabschieden." Es sollte anders kommen, und er spielte dabei eine Hauptrolle.

Finale 1984: Matthäus vergibt im Elfmeterschießen

Das Endspiel war zwar nicht annähernd so torreich, wie es die Halbfinales versprochen hatten, aber es hatte Klasse. Bayern begann zwar besser, aber Borussia ging nach einer Matthäus-Ecke, die Frank Mill einköpfte, in Führung (31.). Die Zeit verrann, und Udo Lattek wechselte zu den Rummenigge-Brüdern noch die anderen Stürmer Dieter Hoeneß und Reinhold Mathy ein. Aber das ersehnte Tor musste ein anderer machen: Nationalspieler Wolfgang Dremmler, ein defensiver Mittelfeldspieler, den man heute einen "Sechser" nennen würde. Aus spitzem Winkel schoss Dremmler nach Mathys Pfostenschuss das vielleicht wichtigste Tor seiner Karriere (81.), das den 61.000 auf den Rängen und den 22 auf dem Platz eine Verlängerung bescherte. Sie blieb torlos, das ebenso faszinierende wie grausame Elfmeterschießen musste nun über den Pokalsieg entscheiden.

Lothar Matthäus wollte eigentlich nicht schießen, wurde aber von Heynckes bedrängt und nahm sich dann den Ball als erster. Er geriet etwas in Rücklage, der Ball stieg hoch über das Tor von Jean-Marie Pfaff. Mancher fühlte sich an Uli Hoeneß erinnert, der 1976 in Belgrad im EM-Finale auf gleiche Weise verschoss. Doch in diesem Fall war noch nichts gelaufen, und als Klaus Augenthaler, Bayerns vierter Schütze, an Uli Sude scheiterte, ging kurz danach auch das Elfmeterschießen in die Verlängerung.

Gladbachs Niederlage wird zwar immer mit Lothar Matthäus in Verbindung gebracht, doch den entscheidenden Fehlschuss leistete sich Verteidiger Norbert Ringels, der den Pfosten traf. Mit dem 16. Schuss versüßte dann Michael Rummenigge seinem großen Bruder den Abschied und sicherte Bayern den siebten Pokalsieg. Matthäus saß derweil wie ein Häufchen Elend am Boden, sprach von "der bittersten Stunde in meiner Laufbahn" und musste sich noch jahrelang "Judas"-Rufe gefallen lassen, wenn er mit den Bayern an den Bökelberg musste.

Halbfinale 1985: Elfmeter entscheidet erneut für Bayern

Das nächste Pokalspiel fand indes im Olympiastadion statt. Am Ostermontag 1985 sahen sie sich im Halbfinale wieder, und erneut fiel die Entscheidung vom Elfmeterpunkt. Der gnadenlose Pokalfight ging nach 90 torlosen Minuten in die Verlängerung. "Es war ein Spiel mit Haken und Ösen. Von der Spielkultur der 70er-Jahre waren beide Teams weit entfernt", richtete der kicker streng.

Das Spiel wäre wohl auch in die Wiederholung gegangen, hätte Schiedsrichter Heitmann nach 101 Minuten nicht Elfmeter gegeben. Warum Bayern-Stürmer Dieter Hoeneß im Zweikampf mit Thomas Herbst zu Boden gegangen war, darüber stritten sie hinterher erbittert. Frank Mill lästerte: "Die Einwechslung von Herrn Heitmann hat uns aus dem Konzept gebracht. Mit Zwölf gegen Elf gewinnt sich's leicht. Hoeneß mache ich gar keinen Vorwurf, was der gemacht hat, gehört halt zum Geschäft."

Thomas Herbst, früher bei Bayern, wollte von einer Berührung rein gar nichts wissen und berichtete vielmehr von "drei Ellenbogenschlägen von Hoeneß in meinen Magen". Der Bayern-Stürmer schwor dagegen hoch und heilig: "Ein ganz klares Foul." Sören Lerby ließen die tumultartigen Szenen, die sich nach Abpfiff fortsetzten, unberührt. Eiskalt verwandelte der Däne den Elfmeter, der Bayern ins Berliner Finale führte. Lothar Matthäus kam nicht in die Verlegenheit, denn Lattek hatte ihn zuvor ausgewechselt. Später sagte Matthäus: "Heute hätte ich auch nicht geschossen".

1987: "Wie bei James Bond"

Auch am 25. Oktober 1987 schenkten sich die Rivalen nichts, wieder ging es in die Verlängerung. Ihr erstes Pokalduell am Bökelberg stieg an einem Sonntag und wurde, obwohl es erst die zweite Runde war, wie die vorherigen beiden auch live übertragen. Den ZDF-Zuschauern wurde allerhand geboten. Mit einigem Anlauf entwickelte sich das nächste Drama. Ludwig Kögls Pfostenschuss nach 65 Minuten war das Startsignal für Bayerns Großangriff. Als Michael Rummenigge das 0:1 köpfte, frohlockte auch Jupp Heynckes, nach Matthäus der nächste Überläufer ins Bayern-Lager, bei seiner ersten Rückkehr auf den Bökelberg, wo er als Spieler und Trainer 20 Jahre verbracht hatte. Aber seine Ex-Truppe gönnte ihm nichts. Christian Hochstätter glich aus (77.), und auch Hansi Dorfners Führungstor (97.) in der Verlängerung hatte nicht lange Bestand: Borussias Edeljoker Günter Thiele sorgte für den 2:2-Endstand (100.).

Am Mittwoch, 11. November, fand das damals noch übliche Wiederholungsspiel statt. In München kamen zwar mehr Zuschauer (42.000) als am Bökelberg (34.000), doch war das Olympiastadion halb leer. Selbst Uli Hoeneß war nicht da, als Schiedsrichter Werner anpfiff – aber das hatte einen guten Grund. Dieses Spiel erlebte eine der spektakulärsten Einwechslungen der Fußballhistorie. Bayerns Millionenstar Mark Hughes, von Barcelona ausgeliehen, bestritt an diesem Mittwoch ein Länderspiel mit Wales in Prag. Das endete eine Stunde vor Anpfiff in München, und Uli Hoeneß persönlich holte Hughes am Stadion ab, fuhr ihn zum Prager Flughafen, wo ein gemieteter Learjet wartete. Hughes traf zur Halbzeit in München ein und wurde nach 63 Minuten, kurz nach Gladbachs Führung durch Thiele, eingewechselt.

"Ein Coup à la James Bond", feierte der kicker Hoeneß’ Bravourstück, von dem nicht mal die Bayern-Spieler wussten. Ein Tor schoss der Waliser nicht mehr, aber Anteil am 3:2 – natürlich wieder nach Verlängerung – hatte er trotzdem. Die Borussen waren regelrecht geschockt, Michael Frontzeck etwa glaubte ein Gespenst zu sehen. Wieder war "der kleine Rummenigge" der Matchwinner – er schoss zwei Tore –, und Matthäus hatte keine Hemmungen mehr, seinem Ex-Klub einen Ball einzuschenken, der die Verlängerung überhaupt erst möglich gemacht hatte.

1996 und 2007: Es geht auch ohne Verlängerung

In den beiden nächsten Spielen gab es keine Verlängerung mehr. Am Mittwoch, 2. Oktober 1996, fehlten dazu allerdings nur fünf Minuten am Bökelberg, ehe Giovanni Trapattonis Bayern zum Sieg kamen. Es stand nach Toren von Jörg Neun (9.) und Thomas Strunz (28.) 1:1 und eigentlich waren die Borussen dem 2:1 näher, 34.500 sahen eine packende Partie, die wiederum live übertragen wurde. "Beide Mannschaften gönnten sich keine Verschnaufpause, und in dem offenen Schlagabtausch mit höchster Geschwindigkeit ergaben sich natürlich auch Fehler auf beiden Seiten im Aufbau", schrieb der kicker. Lothar Matthäus konnte keine machen, er fehlte verletzt. Alexander Zickler aber war auf dem Platz und schloss in der 85. Minute nach Vorarbeit von Markus Babbel einen Konter ab, der Bayern in die dritte Runde brachte.

Auch am Reformationstag 2007 traf man sich in der zweiten Runde, und obwohl erstmals formal ein Klassenunterschied bestand, da Borussia abgestiegen war, kam auch diese Neuauflage des Klassikers live im ZDF. Immerhin trafen zwei Tabellenführer aufeinander.

Die Borussen machten eine Art Betriebausflug, wusste man doch nicht, wann sie die Allianz Arena mal wieder sehen würden. Präsidium, Spielerfrauen, fast die ganze Geschäftsstelle und 7000 Fans hofften auf die Sensation – und danach roch es bis zur Halbzeit. Marko Marin prüfte Kahn-Vertreter Michael Rensing mehrmals, eher glücklich war das 0:0 nach 45 Minuten für die Bayern. Dann erlöste Luca Toni den Großteil der 69.000 mit zwei schnellen Toren, die ihm jeweils Lukas Podolski auflegte. Ein Weitschuss von Marcel Ndjeng belohnte die Borussen nach 70 Minuten für ihr Engagement und sorgte noch für etwas Spannung, ehe Ottmar Hitzfelds Edeljoker Miroslav Klose den 3:1-Endstand herstellte. Es war der fünfte Sieg im sechsten Pokalspiel gegen die Borussen.

2012: Keine Komödie von Dante

Am 21. März 2012 fielen erstmals gar keine Tore. Das Halbfinale im neuen Mönchengladbacher Stadion musste nach 120 Minuten ins Elfmeterschießen. In dem schrieb der Borusse Dante eine Tragödie, im Gegensatz zu seinem historischen Namensvetter, der vor 800 Jahren lieber Komödien geschrieben hatte. Doch der Reihe nach: Die Bayern reisten mit einiger Skepsis an den Niederrhein, denn die Borussia hatte sie dort erst im Januar in der Liga geschlagen (3:1) und auch das Hinspiel in München gewonnen (1:0). Präsident Rolf Königs sagte: "Dreimal in einer Saison gegen sie zu gewinnen, ist fast unmöglich, aber wir wollen das Unmögliche versuchen."

Die Trainer hießen damals Lucien Favre und Jupp Heynckes, auf beiden Seiten standen Spieler, die heute noch da sind: Tony Jantschke und der eingewechselte Patrick Herrmann bei der Borussia, Manuel Neuer und Thomas Müller bei den Bayern. Auch in der Liga wäre es ein Knallerspiel gewesen, da stand Borussia auf Platz drei, drei Zähler hinter den Bayern (Zweiter). Seit dem Vortag war klar: Der Sieger würde auf Meister Borussia Dortmund (1:0 bei Greuther Fürth) treffen. Umso erbitterter der Kampf um Berlin, der auch nach zwei Stunden nicht entschieden war. Bayern hatte mehr Chancen, Gladbach die besseren und in der 83. Minute hätte Marco Reus das Tor des Tages erzielen müssen – doch Manuel Neuer hielt mit einem fantastischen Reflex.

"Ich hätte ihn nicht schießen lassen"

0:0 nach 90 und 120 Minuten, das sieht nur oberflächlich enttäuschend aus. Im kicker erhielt die rasante Partie eine 1, denn es war ein 0:0 der allerbesten Sorte. Tore mussten nun im Elfmeterschießen fallen. Die Bayern begannen und legten dreimal vor (durch Alaba, Ribery und Lahm), Borussia zog zweimal gleich (Daems, Herrmann), dann kam Dante. Der Brasilianer, das war das Komische an der Tragödie, hatte bereits einen Vertrag bei den Bayern unterschrieben. "Ich hätte ihn nicht schießen lassen. Das war nicht sehr klug, er stand sicher unter einem besonderen Druck", sagte Bayern-Präsident Uli Hoeneß.

Favre ließ ihn doch schießen, zumal Dante nach eigener Aussage "ganz ruhig" war – und prompt wiederholte sich die Geschichte. Es passierte, was schon im Finale 1984 passierte: Ein künftiger Münchner im Borussen-Dress schoss den Ball übers Tor. Matthäus ließ grüßen. Auch in diesem Fall war es völlig absurd, ihm Absicht zu unterstellen. Noch eine Parallele zu Frankfurt 1984: Es war nicht der entscheidende Elfmeter. Nach Lahms 4:2 verschoss noch Havard Nordtveit, der an Neuer scheiterte. Die Bayern fuhren nach Berlin, wo sie ihre höchste Finalniederlage überhaupt kassierten (2:5 gegen Borussia Dortmund). Die Gladbacher konnte das nicht trösten, näher an Berlin waren sie seither nie.

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