FC Schalke 04
·28. November 2023
Gastfamilie van der Schoor: Herzliches Zuhause

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·28. November 2023
Königsblau ist für tausende Fans nicht bloß ein Verein, sondern eine zweite Familie. Für manche gilt das in besonderem Maße: Vereinzelte Spieler der Knappenschmiede leben bei Gastfamilie van der Schoor – und haben neben der sportlichen auch eine persönliche Heimat mit Herz gefunden.
Der Eingang: unscheinbar. Die Gegend: typisch Gelsenkirchen. Und doch steckt in den vier Wänden unweit des Trainingsgeländes ganz viel Schalke 04. Schon das Klingelschild grüßt mit dem Wort „Gastfamilie“, dahinter wartet eine 220-Quadratmeter-Wohnung, die sich über zwei Etagen erstreckt. Der Platz ist auch nötig, denn neben Joschie van der Schoor, seiner Frau Melli und Sohn Fabrice leben hier bis zu drei Knappenschmiede-Talente und bewältigen ihren Alltag zwischen Schule, Training und den Herausforderungen des Erwachsenwerdens.
Der 53-Jährige arbeitet in doppelter Funktion für Königsblau – als „Herbergsvater“ und Betreuer der U17. Über diesen Job hatte sich einst die Tür geöffnet, als Knappenschmiede-Koordinator Max Balster ihn 2017 ansprach und vom DSC Wanne-Eickel in den S04-Jugendbereich holte. Ein Jahr später macht ihm Mathias Schober – heute Direktor Knappenschmiede & Entwicklung und damals Sportlicher Leiter im königsblauen Nachwuchs – ein besonderes Angebot: Er schlägt ihm vor, eine Gastfamilie zu gründen, um vereinzelten Spielern ein Zuhause zu bieten. Das Internat wird für Talente erst ab der U16 zur Option, deshalb brauchte es eine Lösung für jüngere Spieler. Joschie van der Schoor nimmt die Überlegung mit nach Hause zu seiner Frau. „Und was hast du darauf gefragt?“, stellt er heute erneut in den Raum. „Ob du bescheuert bist!“, entgegnet sie und lacht.
Damals muss Melli mit den Gedankenspielen erst einmal warm werden. Kindern ein Zuhause zu bieten, ist Familie van der Schoor keineswegs fremd. Jahrelang nehmen sie Pflegekinder unter ihre Fittiche – mit all den guten und weniger schönen Seiten, die so etwas mit sich bringt. „Hin und wieder war es eine große Herausforderung“, blickt die 46-Jährige heute zurück. „Da kamen auch mal größere Probleme auf.“ Als Sohn Fabrice schwer erkrankt, setzen sie einen Schlussstrich unter das Thema und kümmern sich in erster Linie um sich als Familie. Bis neun Jahre später ein neues Kapitel als königsblaue Gastfamilie beginnt.
Während Melli sich schließlich doch rasch mit dem Gedanken anfreunden kann, muss auch Joschie nicht lange überlegen. Und: Viel Zeit bleibt ohnehin nicht. Die ersten Jungs beziehen bereits im Sommer 2018 die Zimmer in der oberen Etage, der U17-Betreuer packt das Nötigste und quartiert sich selbst im unteren Bereich ein. Nach und nach wird die Wohnung erst zu einem Zuhause, schließlich ziehen auch Melli und Fabrice nach. Für alle beginnt ein neuer Alltag, wie Joschie erklärt: „Schalke beginnt für uns um 6.30 Uhr mit dem Wecker und endet um 22.30 Uhr, wenn wir ins Bett gehen.“
In den vergangenen fünf Jahren hat die Familie schon einige Talente bei sich begrüßt und wieder verabschiedet. Ein paar Tage, während der Ferien, eine Saison oder mehrere Jahre bis zur U16 – die Zeitspannen sind sehr unterschiedlich. Wer infrage kommt, bestimmt der Verein. Bei Besichtigungen schauen alle Parteien, ob die Chemie stimmt. Und Joschie van der Schoor hält dabei mit seiner offenen, direkten Art nicht hinterm Berg. „Die Regeln sind die Regeln“, sagt er und lacht. Bestimmt, aber herzlich. Typisch Ruhrpott.
Momentan kümmern sich die van der Schoors um drei Spieler: Aboubacar Bangoura und Tom Schönfelder aus der U15 sowie Mahmadou Alpha Conde aus der U16. Der Alltag: terminlastig und durchgetaktet. Morgens ruft nach dem Frühstück die Schule, in der Mittagspause schaut das Trio in der Regel kurz zum Essen vorbei. Anschließend geht es erneut zur Gesamtschule Berger Feld und von dort aus meist direkt zum Training. In der Zwischenzeit sind die Jungs häufig in ihren Zimmern. „Da haben sie ihren Freiraum, sie stecken ja auch voll in der Pubertät“, verweist Joschie mit einem Schmunzeln auf die Besonderheiten des Heranwachsens. Aber auch hier gibt es klare Regeln: „Die Freundin kommt mir nicht nach oben!“ Und als ein ehemaliger Kicker mal die Schwester zu Besuch hat, die sein Zimmer aufräumt, gibt es umgehend ein klares Kommando: „Abfahrt!“ Die Schwester geht, der Ertappte muss sich selbst um die Ordnung kümmern.
Dass Melli und Joschi die pädagogischen Aspekte sehr wichtig sind, merkt man beim Besuch sofort. Es gibt Lasagne und Salat, alle drei hauen kräftig rein. „Der Salat wird aber auch gegessen“, sagt Melli und zwinkert den Jungs zu. „Es ist schon so wie daheim mit den eigenen Eltern“, findet Aboubacar Bangoura. Schule ist auch hier ein wichtiges Thema. Tom Schönfelder berichtet von einer Englischarbeit, die er am Vormittag zurückbekommen hat – Note eins. „Da fehlt mir das Plus!“, kontert Joschie im Scherz. Man weiß, wie es gemeint ist.
Wenig später sind die Teller leer, die Talente bringen ihr Geschirr in die Küche, bedanken sich für das Mittagessen und ruhen sich noch etwas in ihren Zimmern aus. Dass der Umgang mit Jugendlichen in diesem Alter vielschichtig ist – erst recht, wenn es nicht der eigene Nachwuchs ist – wissen die van der Schoors zu managen. „Bei Themen wie Heimweh und Liebeskummer kümmert sich die Chefin“, meint Joschie und verweist lachend an Melli. Aber auch er hat immer ein offenes Ohr, ist wichtiger Ansprechpartner. „Zu den Jungs, die mittlerweile erwachsen sind und woanders spielen, haben wir immer noch sehr guten Kontakt“, erzählt der 53-Jährige.
Wie abwechslungsreich der Alltag trotz strikter Taktung sein kann, macht das Paar an einem Thema deutlich, bei dem die Geschmäcker im Wortsinn verschieden sind: Essen. Gibt es einen festen Wochenplan? „Nein, das entscheiden wir spontan, manchmal sogar erst beim Einkaufen“, berichtet Joschie. Einzige Vorgabe: sportlertauglich sollte es sein. „Wenn mittwochs frei ist, dürfen sich die Jungs was wünschen“, ergänzt er. Ansonsten werden die Vorlieben aber so gut es geht berücksichtigt. „Der eine mag dies nicht, der andere mag das besonders.“
Dass Schalke mittlerweile berufliche und private Grenzen der Familie gänzlich verwischt, stört niemanden. „Das ist unser Leben“, bekräftigen Melli und Joschie. An vier Tagen unterstützt er unter der Woche beim U17-Training, am Wochenende ist Spieltag. Wenn keine Partie ansteht, fahren die Talente meist zur Familie in die Heimat – und die van der Schoors haben einen oder zwei Tage für sich. Die Urlaubsplanung richtet sich mittlerweile nach Schulferien und Spielpausen, aber auch das funktioniert reibungslos. Am Ende tobt in jedem Jahr wieder königsblaues Leben in den eigenen vier Wänden. Und genauso familiär wünschen sie es sich für die Zukunft.
… hat sich nach nullvier Minuten bereits heimisch gefühlt.