Fünf Niederlagen in Folge: Die Gründe für die Durststrecke der SC-Freiburg-Frauen | OneFootball

Fünf Niederlagen in Folge: Die Gründe für die Durststrecke der SC-Freiburg-Frauen | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: 90min

90min

·14. April 2023

Fünf Niederlagen in Folge: Die Gründe für die Durststrecke der SC-Freiburg-Frauen

Artikelbild:Fünf Niederlagen in Folge: Die Gründe für die Durststrecke der SC-Freiburg-Frauen

Das bisher wichtigste Spiel der Saison steht für die Frauen des SC Freiburg vor der Tür: Am Sonntag treten die Breisgauerinnen im Pokal-Halbfinale gegen RB Leipzig an und könnten zum zweiten Mal in ihrer Geschichte das Finale erreichen. Die sportliche Krise kommt daher zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt: Fünfmal in Folge hat Freiburg in der Frauen-Bundesliga verloren, nach einer starken Hinrunde. Um welche Probleme muss Trainerin Theresa Merk sich vor dem Pokalfight kümmern?

"Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß", sagte Andi Brehme einst. Das Zitat könnte aber auch von einer Spielerin des SC Freiburg stammen, denn der Sportklub befindet sich in der Frauen-Bundesliga in einer Mini-Krise. Im März gewannen die Freiburgerinnen kein einziges Spiel, dann schien sich die perfekte Möglichkeit für die Trendwende zu bieten: Heimspiel, volle Motivation, und mit dem Tabellenletzten Turbine Potsdam ein schlagbarer Gegner. Aber haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß, und so verlor Freiburg trotz Dominanz und besten Chancen nach einem Eigentor mit 0:1. Ein Spielverlauf, wie er auch in einem Drehbuch hätte stehen können.


OneFootball Videos


Nach dem Tor war Freiburg der Frust anzumerken, die Elf von Theresa Merk kam kaum noch nach vorne. Von dem Elan, der die ersten Spiele der Saison noch charakterisiert hatte, war nichts zu spüren. In der Hinrunde war Freiburg noch eins der aufregendsten Teams der Frauen-Bundesliga: Hinten fing sich der Sportclub teils einfache Tore und stand sehr offen, aber vorne brachten ansehnliche Kombinationen über die Außenbahnen oft Erfolg.

Theresa Merk setzte auf ein hohes Pressing, die Gegner wurden schon tief in der eigenen Hälfte gestört. Im besten Fall gewann Freiburg dann die Kugel und der Ball war nach einigen schnellen Pässen im Netz. Die jungen Talente rund um Lisa Kolb, Riola Xhemaili oder Svenja Fölmli blühten vorne auf. Bestes Beispiel für diesen teils etwas wilden Spielstils war das 5:2 gegen Essen, oder auch eine 2:4-Niederlage gegen Frankfurt. High risk, high reward, viel Spaß für die Fans.

Das scheint nach der Winterpause verloren gegangen zu sein. Fünfmal verlor Freiburg in Folge, die Spielerinnen und Trainerin Theresa Merk wirken ratlos. "Es hilft jetzt nur, den Kopf freizubekommen und nach der Länderspielpause neu anzugreifen", sagte Merk nach der Potsdam-Niederlage. Ein Reset-Knopf würde den Freiburgerinnen nun gut tun - aber was sind überhaupt die Gründe für die März-Misere?

Erklärungsversuch 1: Schwere Gegner

Freiburg in Aktion gegen Hoffenheim - die TSG ist kein leichter Gegner / Alexander Scheuber/GettyImages

Einen ersten Erklärungsansatz bietet ein Blick auf die Gegner: Ganz einfach waren Freiburgs Spiele in der Niederlagenserie nicht. Mit Frankfurt und Hoffenheim trat der SC gegen zwei Champions-League-Aspiranten an. Vor der Saison wäre dort wohl kein Sieg eingeplant gewesen, und auch nicht unbedingt gegen Leverkusen, das individuell ähnlich gut besetzt ist wie Freiburg.

Die herausragende Hinrunde hat die Erwartungen hochgeschraubt, vielleicht auch zu weit nach oben. Freiburg befindet sich noch mitten in einer Entwicklung und ist noch kein ernsthafter Konkurrent für die Top 4 der Tabelle. Das sieht auch die Birgit Bauer-Schick so, die im 90min-Interview sagte: "Theresa Merk und ihr Trainerteam versuchen, sich selber und die Mannschaft zu entwickeln. Ich finde, es ist am Anfang fast zu gut gegangen."

Selbst wenn die Niederlagen gegen Frankfurt und Hoffenheim sowie Leverkusen mit der individuellen Qualität teilweise erklärt werden können, bleiben aber noch die Spiele gegen Essen und Potsdam.

Erklärungsversuch 2: Die Chancenverwertung und das Spielglück

Auffälligster Punkt ist hier zunächst die Chancenverwertung: Gegen Essen traf Freiburg mehrmals Aluminium, ließ Topchancen liegen. Beim Duell gegen Potsdam waren die Möglichkeiten nicht ganz so hochkarätig, hätten aber trotzdem für mindestens ein Tor sorgen müssen. Die Chancenverwertung ist definitiv ein Teil des Problems, aber auch eine allzu bequeme Erklärung.

Betrachtet man die ganze Saison, übertrifft Freiburg seinen xG-Wert immer noch, schießt also mehr Tore, als es statistisch zu erwarten wäre. In der Hinrunde war die Chancenverwertung teils unglaublich gut, wobei sicher auch ein Funken Glück eine Rolle spielte. Es war also damit zu rechnen, dass sich eines Tages nicht mehr jeder Distanzschuss von Janina Minge perfekt ins linke Eck senken würde. Auch Freiburgs Abteilungsleiterin im Frauenfußball, Birgit Bauer-Schick, sieht das im 90min-Interview so:

"Die Vorrunde war richtig gut, und wir hatten auch Spielglück. Das braucht man meiner Meinung nach in jedem Spiel, und das geht uns jetzt leider etwas ab."- Birgit Bauer-Schick im 90min-Interview

Trotz aktuell ausbleibendem Spielglück: Freiburg erarbeitet sich aktuell nicht so viele und so gute Chancen, dass man von einem Chancenwucher als einziges Problem sprechen könnte.

Erklärungsversuch 3: Der mentale Faktor

Spielerinnen sind keine Maschinen, und dass eine solche Niederlagenserie aufs Gemüt schlägt, ist wohl schwer zu vermeiden. Besonders nach dem Gegentor gegen Potsdam war dem SC der Mangel an Selbstbewusstsein anzumerken. In dem Punkt wirkt die Situation ähnlich wie die des 1. FC Köln, der sogar bis zum 4:0-Erfolg gegen Duisburg elf Bundesliga-Spiele lang ohne Sieg und ohne Tor blieb. Mit dem Kantersieg platzte dann endlich der Knoten, der Trend scheint positiv.

In Freiburg ist die Lage zwar noch nicht ganz so dramatisch und den Abstieg muss man im Breisgau nicht fürchten. Dennoch ist das Team sichtlich etwas aus der Spur gekommen, besonders nach dem 1:2 gegen Essen. "Ich hoffe, dass die Mädels jetzt nicht vor jedem Schuss nachdenken, aber die Leichtigkeit ist vielleicht ein bisschen weg. Egal wo wir sind, gerade treffen wir das Tor nicht - und in der Vorrunde haben wir es getroffen, egal wo wir waren", meint Birgit Bauer-Schick dazu.

Die Auswärts-Schlappe gegen Essen war die erste Niederlage der Saison gegen einen Gegner, der auf dem Papier schwächer einzuschätzen war. Auch hier war zu erwarten gewesen, dass es früher oder später so weit kommt - im ungünstigsten Fall entwickelt sich dann eine kleine Negativspirale daraus. Aber nur der Kopf verliert noch keine Spiele - auch die Taktik von Theresa Merk schien nicht immer aufzugehen.

Erklärungsversuch 4: Freiburg ist zu berechenbar geworden

Zu Beginn wirkte Freiburgs Ansatz überraschend neu: Ein Team aus dem Mittelfeld, das sich traut, ein hohes Pressing zu spielen und dabei defensive Probleme in Kauf nimmt. Ein erfrischender Anblick in der Frauen-Bundesliga, wo spielerische Ansätze gerade bei den Teams in den niederen Tabellenregionen eher rar sind. Gegen Bayern, Wolfsburg, Frankfurt und Co. hat man selten eine Chance, also gilt es, sich hinten reinzustellen und auf eine möglichst niedrige Niederlage zu hoffen. Natürlich wird fleißig der "mutige Offensivfußball" betont, den man spielen wolle, aber oft sieht die Realität in Duisburg oder Bremen doch etwas anders aus.

Und wer will es diesen Teams schon verübeln? Die Erfahrung hat gelehrt, dass andere Ansätze zumindest kurzfristig gefährlich sein können. Die TSG Hoffenheim war eins der ersten Mittelfeld-Teams, das auf Ballbesitz setzte und kam damit in die Champions League, aber auf dem Weg dahin musste die ein oder andere schmerzhafte Niederlage verkraftet werden.

Freiburg setzte also auf den etwas riskanteren Weg, als er zuvor unter Daniel Kraus gefahren wurde. In den ersten Spielen attackierte der SC den Gegner früh, worauf viele Teams offensichtlich nicht eingestellt waren. Die SGS Essen etwa, die nach 45 Minuten, in denen nur Freiburg spielte, mit 0:5 überrollt wurde. Die erste Halbzeit war ein Paradebeispiel dafür, wie Freiburgs Fußball aussehen soll - aber in der zweiten Hälfte zeigte sich in Ansätzen die Fragilität des Konstrukts. Essen schoss noch zwei Tore, wirkte am Ball weniger verunsichert und zielte genau auf die Schwachstellen in Freiburgs Verteidigung. Das intensive Pressing des SC ist körperlich sehr anstrengend, oft fehlten in den letzten Minuten daher die Körner.

Während viele Gegner am Anfang mit Freiburgs Spielplan nicht richtig umzugehen wussten, haben sich jetzt einige Ideen herauskristallisiert, wie man Freiburg schlagen kann. Essen etwa überließ Freiburg bewusst den Ball, stellte sich defensiv solide auf und setzte auf lange Bälle. Zwei davon führten dann auch zu den einzigen Toren des Spiels. Hoffenheim dagegen schlug Freiburg gewissermaßen mit seinen eigenen Waffen und setzte auf ein gut koordiniertes Pressing, gegen das der Sportclub eingeschüchtert wirkte. Besonders in der Defensive sind die Schwachpunkte deutlich geworden, so etwa der zu große Abstand zwischen den Verteidigerinnen oder Tempodefizite.

Fazit: Eine wirkliche Krise oder ein normales Zwischentief in der Entwicklung?

In den vergangenen Spielen hat sich erneut gezeigt, dass die Verteidigung von Freiburg nicht gerade ein Bollwerk ist. Auch der ursprüngliche Plan mit dem Pressing ging nicht mehr immer auf, und Freiburg wirkte in der Rückwärtsbewegung teils unsicher. Während die außergewöhnliche Chancenverwertung diese Problemchen in der Hinrunde noch kaschierte, fiel diese Stärke in den letzten Spielen weg.

Um von einer echten Krise zu sprechen, ist es aber noch zu früh. Für ein Team mit jungen Spielerinnen und einer neuen Trainerin sind kleine Schwächephasen normal - wichtiger ist nun, welche Lektionen aus den Niederlagen gezogen werden und wie der Spielplan angepasst wird. Am Sonntag gegen Leipzig ist Freiburg trotz allem Favorit, und mit einer konzentrierten Leistung sollte der Einzug ins Finale möglich sein.

Impressum des Publishers ansehen