FC St. Pauli vs. Hamburger SV 2:2 – Enttäuschung, die stolz macht | OneFootball

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·2. Dezember 2023

FC St. Pauli vs. Hamburger SV 2:2 – Enttäuschung, die stolz macht

Artikelbild:FC St. Pauli vs. Hamburger SV 2:2 – Enttäuschung, die stolz macht

Ein aufreibendes und emotionales Derby endet unentschieden. Der FCSP muss sich über eine Schwächephase ärgern, bleibt aber Tabellenführer. Die Analyse.(Titelbild: Peter Boehmer)

Mit großer Spannung wurde auf dieses Spiel hingefiebert. Und einige Zeit sah es so aus, als wenn der FC St. Pauli dieses Spiel zu einer Art Statement nutzen würde. Ein Unentschieden ist aber natürlich nicht das Ergebnis, um klarzumachen, welche Farben die Kleider der Stadt haben. Trotzdem zeigte dieses Spiel, wie sehr sich die Machtverhältnisse in Hamburg verschoben haben. Denn die Enttäuschung beim FCSP über dieses Unentschieden zeigt klar, dass man sich nicht nur mehr erhofft, sondern auch mehr verdient hatte.


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Die Aufstellung

Eine personelle Veränderung gab es in der Startelf des FC St. Pauli: Connor Metcalfe startete anstelle von Dapo Afolayan auf der rechten Offensivseite. Eine Entscheidung für Metcalfe, nicht gegen Afolayan, wie Fabian Hürzeler nach dem Spiel erklärte. Bemerkenswert: Mit Maurides, Danel Sinani, Etienne Amenyido und Afolayan befanden sich vier Offensivkräfte auf der Ersatzbank. Simon Zoller fehlte kurzfristig im Kader aufgrund eines Trauerfalls.

Beim Hamburger SV gab es gleich drei personelle Wechsel in der Startelf. Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt wurde rechtzeitig fit und ersetzte William Mikelbrencis. Wie erwartet begann Ransford-Yeboah Königsdörffer anstelle des gesperrten Bakery Jatta. Die interessanteste Veränderung gab es im zentralen Mittelfeld: Łukasz Poręba startete auf der Acht. Allerdings nicht anstelle von Immanuël Pherai, der auf linke Offensivseite wechselte und dort Jean-Luc Dompé verdrängte. Es war die klar defensivere Variante, als mit Pherai im Zentrum zu starten.

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Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Hamburger SV

Dominant, aber ohne Killerinstinkt

Nach kurzer Abtastphase zog der FC St. Pauli immer mehr das Spielgeschehen an sich, konnte sich einige gute Situationen erarbeiten. Der HSV stellte sich dem Aufbauspiel des FCSP mit einer Art 4-2-2-2 entgegen. Mit dieser Doppelsechs schien der HSV auf die Positionierung des FCSP in den offensiven Halbräumen reagiert zu haben. Mit nur einem Sechser wären genau diese Räume zu oft unterbesetzt gewesen. Tim Walter sagte nach der Partie, dass dies zu Spielbeginn eigentlich ganz gut funktioniert hätte, man den entgegenkommenden Sechser des FCSP gut im Griff gehabt habe. Doch der FCSP passte seine Spielweise nach kurzer Zeit an, zog seinen Sechser etwas höher, wodurch der HSV weniger gut ins Pressing gekommen ist.

Auffällig war, wie geschmeidig es dem FC St. Pauli gelang, den Ball auf die linke Außenbahn zu bekommen. Es war deutlich zu erkennen, dass sich Philipp Treu genau im Raum zwischen Königsdörffer und Van der Brempt positionierte, sodass beide keinerlei Zugriff auf Treu hatten. Fabian Hürzeler bestätigte nach der Partie, dass man die Positionierung von Treu – der sich sehr viel öfter als bisher üblich klar links außen positionierte – vor dem Spiel genau so abgesprochen hatte, weil man als Trainerteam dort eine Problemzone des HSV ausgemacht hatte. Der FC St. Pauli konnte Treu sehr, sehr oft über ein einfaches Dreieck, meist mit Hartel und Mets, freispielen und dann auf die Kette des HSV zudribbeln.

Problemzonen offengelegt

Dann wurde eine weitere Problemzone des HSV offengelegt: die hintere Viererkette. Denn sobald der FC St. Pauli die erste Pressinglinie überspielte, standen nicht selten die vier HSV-Verteidiger gegen fünf FCSP-Spieler. Noch gefährlicher wurde es, wenn es Marcel Hartel gelang, durch hohe Positionierung und die folgende Bewegung zurück ins Mittelfeldzentrum, Innenverteidiger Guilherme Ramos aus der Viererkette herauszuziehen. Während der FCSP auf der linken Seite oft Platz für Treu schuf – sogar Saad schob dafür häufig weiter ins Zentrum, um Van der Brempt dort zu binden – versuchten sie sich auf der rechten Seite mit einer Überzahl durchzukombinieren. Zu Metcalfe gesellte sich meist Manos Saliakas, auch Jackson Irvine schob in den Raum nach, wenn Metcalfe den Ball erstmal am Fuß hatte.

So entwickelte sich schnell ein einseitiges Fußballspiel, welches mir große Freude bereitete. Die frühe Führung war die logische Konsequenz dieser Dominanz. Über ein Foul in der Szene kann man sicher diskutieren. Das von einigen Seiten „klare Vergehen“ von Mets an Jonas Meffert habe ich aber auch nach mehrmaligem Anschauen nicht erkennen können. Spannend übrigens, dass auch die erste Torchance der Partie, ein Abschluss von Eric Smith nach drei Minuten, durch eine identische Eckballvariante zustande kam. Nach dem 1:0 wurde es dann richtig gut, was der FCSP spielte. Hürzeler: „Wir haben nach der Führung genau den Fußball gespielt, den wir wollten.“

Rick van Heuer Fernandes

Das 2:0 war dann zwar ebenfalls die logische Konsequenz der Überlegenheit, aber geschah eben auch unter gütiger Mithilfe des Gegners. Guilherme Ramos spielte einen fürchterlichen Pass auf Torwart Daniel Heuer Fernandes, der dann feststellen musste, dass auch der „Pitch of The Year“ nicht immer hält, was er verspricht. Natürlich hoppelt der richtig fies und natürlich ist der Pass von Ramos ziemlich schlecht. Wie Heuer Fernandes den Ball dann aber in die eigenen Maschen knallt, ja da dürfte Rick van Drongelen vor Neid erblasst sein. Ein zweifelsohne episches Eigentor, von dem sich Heuer Fernandes, eigentlich ein sehr passsicherer Spieler, nicht mehr so ganz zu erholen schien.

Nach dem Spiel wurde darauf hingewiesen, dass der Treffer nicht hätte zählen dürfen, weil Saad und Eggestein im Moment des Abstoßes auf der Strafraumlinie standen. Vermutlich aufgrund der Schönheit dieses Treffers schaltete sich der VAR nicht ein. Schiedsrichter Felix Zwayer hatte aber, mal wieder, nicht seinen besten Tag, lag auch bei vielen Zweikämpfen teils derbe daneben.

Nach dem 2:0 wurde das Spiel noch einseitiger. Der HSV kam trotz weiterhin hoher Positionierung gegen den Ball kaum mehr richtig ins Pressing. Der FCSP überspielte die gegnerischen Reihen fast mühelos und erarbeitete sich einige Male sogar Überzahlmomente aus dem kontrollierten Spielaufbau. Weil der HSV einfach zu hoch stand und trotzdem nicht ins Pressing kam und der FC St. Pauli sich vorne mit fünf Spielern gegen die Viererkette der Gäste formierte. Fabian Hürzeler fand für diesen Spielabschnitt recht deutliche, aber sehr passende Worte: „Wir hätten sie in dieser Phase killen müssen, hätten das 3:0 erzielen müssen.“ Doch wie schon gegen Hansa Rostock gelang es nicht, sich aus der Überlegenheit mehr als einen Zwei-Tore-Vorsprung zu erarbeiten.

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Formationen des FC St. Pauli und Hamburger SV bei eigenem und gegnerischem Ballbesitz.

Links: Gegen den Ball formierte sich der HSV in der ersten Halbzeit in einer Art 4-2-2-2, gegen das der FCSP gute Lösungen (unter anderem über Philipp Treu) parat hatte. Im zweiten Abschnitt agierte der HSV dann mit einem 4-3-3 gegen den Ball und konnte so mehr Druck auf die Innenverteidiger des FCSP erzeugen.

Rechts: Gegen den Ball agierte der FC St. Pauli oft in einem 5-4-1, fand dabei im ersten Abschnitt zuverlässig die Pressingauslöser. Das 5-4-1 zeigt das Team auch sonst öfter, allerdings weniger regelmäßig als gegen den HSV, was vermutlich mit den tiefen Außenverteidigern des HSV zusammenhing.

HSV stellt um, FCSP wird passiv

Nach der Pause stellte der Hamburger SV seine Formation wieder um: Mit der Einwechslung von Dompé für Poręba folgte eine Umstellung auf das altbewährte 4-3-3. Pherai rückte dafür ins Zentrum auf die Achter-Position, Dompé agierte klar als Linksaußen. Diese Formation hatte dann zwar die eklatanten Schwächen in den offensiven Halbräumen, doch dem FC St. Pauli gelang es zu selten in diese Räume hineinzukommen.

Tim Walter erklärte, dass man umgestellt habe, um mehr Druck auf die im Aufbau breit stehenden Innenverteidiger des FC St. Pauli zu erzeugen. Diese konnten nun, anders als mit dem 4-2-2-2, viel direkter angelaufen werden, von den beiden HSV-Flügelspielern nämlich. Dadurch gelang es dem FCSP nun viel seltener die erste Pressinglinie sauber zu überspielen, weder die Außenpositonen, noch die offensiven Halbräume wurden in angemessenem Tempo und Genauigkeit gefunden. Hürzeler erklärte die Probleme des FCSP in dieser Phase nach dem Spiel so:

„Wir hätten kürzer werden müssen, mit kürzeren Abständen im Spielaufbau, um dann die letzte Linie freizubekommen. Das haben wir in der Hektik und den Emotionen nicht mehr geschafft. Wir haben es versucht, aber es ist leider nicht angekommen.“ Fabian Hürzeler erklärt, wie man auf die Umstellung des HSV hätte reagieren müssen.

Vermeidbare Gegentreffer, trotz HSV-Klasse

So wurde der FC St. Pauli dann in der zweiten Halbzeit sehr viel öfter auch defensiv gefordert. Weiterhin war es zwar nicht so, dass das Pendel in Richtung des HSV ausschlug. Trotzdem war das Spiel nun ausgeglichener. Gegen den Ball fiel der FCSP relativ schnell in eine flachere Formation, als das übliche 5-2-3. Oft bildete sich nach kurzer Zeit ein 5-4-1, mit zwei Ketten also. Das war vermutlich eine direkte Reaktion auf das Aufbauverhalten der HSV-Viererkette. Die blieb nämlich zumeist sehr tief, sodass sie die gesamte Breite des Platzes abdeckte. Von den flexiblen Rotationen, ein Kern-Element des viel zitierten Walter-Balls, war kaum etwas zu sehen. Da der HSV oft über die Außenverteidiger aufbaut und dann im weiteren Verlauf auf der Außenbahn eine Überzahl generieren will, ist es ratsam, ihnen diesen Weg nicht zu einfach zu machen. Das gelang dem FCSP die meiste Zeit.

Hürzeler erklärte, dass es seinem Team in der ersten Halbzeit gut gelungen sei gegen den Ball „den Auslöser zu finden“, also den Moment in dem alle Spieler vorschieben und den Gegner unter Druck setzen. In der zweiten Halbzeit sei man dann aber „passiv“ geworden. Beim ersten Gegentreffer habe man auch einen Auslöser-Moment gehabt, doch dann habe speziell die Fünferkette nicht richtig reagiert. Die hätte nämlich, als der FCSP auf der rechten Offensivseite die HSV-Abwehr anlief, auf der Gegenseite nachschieben müssen, als die Gäste das Spiel verlagerten. Stattdessen hatte Van der Brempt viel Platz und konnte so Königsdörffer ins direkte Duell bringen, der dann die Flanke zu Robert Glatzel hineinbrachte (den Hauke Wahl blöderweise aus den Augen verlor).

Beim zweiten Gegentreffer muss man sich dann ehrlich eingestehen, dass der HSV einfach eine enorm hohe individuelle Klasse besitzt. Der FC St. Pauli verlor den Ball im letzten Drittel, der HSV konnte umschalten, was aber gut wegverteidigt wurde. Doch in der Folge blieb der HSV im Ballbesitz, verlagerte die Seite gegen einen bereits tiefstehenden FCSP, der dann nicht in die Zweikämpfe kam.Auch wenn das beides gut herausgespielt war vom HSV, so ist es doch eine Fehlerkette des FC St. Pauli, die zu beiden Gegentreffern führte. Innerhalb von zwei Minuten war die eigentlich komfortable Führung und auch das bis dahin kontrollierte Spiel des FCSP dahin.

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Marcel Hartel & Co. hatten in der ersten Halbzeit jede Menge Grund zum Feiern.

(c) Peter Boehmer

Stark ist, dass der FC St. Pauli sich nach diesen beiden Treffern relativ schnell wieder fing und weiterhin versuchte, das Spielgeschehen zu dominieren. Doch das gelang nicht mehr so gut wie noch in den ersten 45 Minuten. Zwar war der FCSP sicher weiterhin das bessere Team, insgesamt 18 zu 6 Torschüsse sind ein klarer Hinweis auf die Machtverhältnisse dieser Partie. Doch die Probleme im Aufbau aufgrund der zu breiten Abstände, aber auch die Platzverhältnisse sorgten dafür, dass nun nicht mehr so viel nach vorne ging. Der letzte Abschnitt der Partie war vor allem von ungewohnt vielen Fehlpässen des FC St. Pauli im letzten Drittel geprägt. Doch wenn eines der Teams noch einen Treffer verdient gehabt hätte, dann wäre es sicher der FCSP gewesen. Auch wenn es gegen Ende nur noch ganz selten gefährlich wurde für das HSV-Tor.

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Enttäuschung überwiegt…

Am Ende muss sich der FC St. Pauli ärgern. Sowohl über die beiden Gegentreffer, aus meiner Sicht aber noch viel mehr darüber, dass man das Spiel nicht bereits in den ersten 45 Minuten für sich entschieden hat, es verpasste, die Partie zu killen, wie Hürzeler sehr schön sagte. Die Chancen, um diese Partie bereits vor dem Pausenpfiff zu beenden, sie waren definitiv vorhanden. Der FC St. Pauli ließ aber erneut die Kaltschnäuzigkeit vermissen, um durch diese offene Tür, die man dank toller Leistung selbst aufgestoßen hat, dann auch durchzugehen.

…weil sich die Kräfteverhältnisse verschoben haben

So überwiegt eine deutliche Enttäuschung bei Braun-Weiß. Die Tatsache, dass der HSV, wie Walter auf der PK erklärte, am Ende Dompé wieder auswechselte, nur um Zeit zu gewinnen und Heuer Fernandes in den letzten Minuten nur noch die Bälle nach vorne pöhlte, zeigt ganz klar, wer hier mit dem Punkt zufriedener ist. Und das ist vielleicht dann doch, bei aller Enttäuschung, die positive Erkenntnis: Dass sich der HSV mit einem Punktgewinn beim FCSP zufriedengab, nur noch versuchte, den Rückstand von drei Punkten in der Tabelle zu halten, nicht zu verringern. Denn das zeigt: Auch für den HSV ist dieser FCSP nicht schlagbar. Die Kräfteverhältnisse haben sich verschoben. Der Spitzenreiter der 2. Bundesliga heißt auch nach diesem Wochenende FC St. Pauli.

Immer weiter vor!// Tim

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