FC St. Pauli – SSV Jahn Regensburg 1:0 – Im Willen liegt die Kraft | OneFootball

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·1. April 2023

FC St. Pauli – SSV Jahn Regensburg 1:0 – Im Willen liegt die Kraft

Artikelbild:FC St. Pauli – SSV Jahn Regensburg 1:0 – Im Willen liegt die Kraft

Der FC St. Pauli gewinnt knapp gegen den SSV Jahn Regensburg und damit auch das neunte Spiel in Serie. Der Weg dorthin war sehr steinig, da Regensburg gute Antworten auf das Positionsspiel des FCSP fand. Die Analyse.(Titelbild: Peter Böhmer)

Puuuh, das war ein hartes Stück Arbeit und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dem SSV Jahn Regensburg gelang es mit einem enorm intensiven und gut auf den FCSP abgestimmten Pressingverhalten das Positionsspiel des FC St. Pauli aufzunehmen. Dadurch konnte der FCSP viel seltener als in der Rückrunde üblich kontrolliert ins letzte Drittel kommen. Und so entwickelte sich das Spiel dann auch: Der FC St. Pauli tat sich offensiv schwer und verteidigte am Ende mit allen Kräften den knappen Vorsprung.


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Die Aufstellung

Wie erwartet bot der FC St. Pauli zum fünften Mal in Folge die identische Startelf auf. Im Kader gab es dann aber schon Veränderungen und einen Neuling: Elias Saad feierte sein Debüt im Spieltagskader des FC St. Pauli. Sicher hat er sich während der Länderspielpause auch mit guten Leistungen für einen Kaderplatz empfohlen. Allerdings dürfte die schwere Verletzung von Maurides (Knie-OP) auch seinen Teil dazu beigetragen haben (wir wünschen gute Genesung!).

Beim SSV Jahn Regensburg gab es genau eine Veränderung in der Startelf im Vergleich zum letztlich überzeugenden Spiel gegen den SC Paderborn: Der gelb-gesperrte Benedikt Gimber wurde durch Benedikt Saller ersetzt, der auch gleich die Kapitänsbinde von Gimber übernahm. Allerdings übernahm Saller nicht die Position von Gimber, er agierte rechts hinten in der Viererkette.

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Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen den SSV Jahn Regensburg

Regensburger „Hexagon-Falle“

Eine nicht-personelle Veränderung war dann einer der entscheidenden Punkte, warum der FC St. Pauli Probleme im eigenen Aufbauspiel hatte: Der SSV Jahn Regensburg agiert üblicherweise im flachen 4-4-2 oder 4-2-3-1. Gegen den FCSP entschied man sich aber dafür in einem 4-3-3 zu agieren, Caliskaner und Viet auf den Achter-Positionen. Damit nahm das Team von Mersad Selimbegovic das FCSP-Positionsspiel sehr gut auf.

Zwar veränderte Jahn Regensburg seine Formation, aber von den Grundprinzipien blieb das Pressingsystem bestehen. Das Team erwartete den FCSP kurz vor der Mittellinie und zog dann eine seit längerer Zeit praktizierte und sehr besondere Pressingfalle auf: Im Sechserraum der Gegner öffnet sich vermeintlich Platz. Doch gleich sechs Spieler stehen um diesen Raum herum und sobald der Ball da hinein gespielt wird, schnappt die „Hexagon-Falle“ zu und es wird unangenehm und chaotisch. Dieses Pressing ist ein markantes Merkmal der Regensburger unter Selimbegovic – ich hatte darüber bereits in der Saison 20/21 geschrieben und auch an anderer Stelle wurde das mal intensiv unter die Lupe genommen.

Die veränderte Formation führte zwar dazu, dass das Pressingsystem, also das Hexagon etwas kippte und nur noch ein Stürmer vorne stand, aber ansonsten war es identisch zu dem, was Regensburg sonst auch zeigt. Durch dieses Kippen konnten Christian Viet und Kaan Caliskaner sehr mannorientiert auf Irvine und Hartel agieren. Auch Eric Smith spürte recht konsequent den Atem von Prince Owusu (Smith nach dem Spiel: „Mir ist immer jemand gefolgt, daher hatte ich Probleme die Räume zu finden.“). Doch noch etwas war anders bei Jahn Regensburg, wie Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic auf der Pressekonferenz nach dem Spiel erzählte:

„Wir haben uns entschieden etwas tiefer als sonst zu agieren und wir spielen auch sonst nicht mit einem 4-3-3. Wir wollten dem FC St. Pauli die Räume im Zentrum nicht geben. Ein paar Mal haben sie unsere Stürmer herausgelockt und da hat es gleich gebrannt. Es war also wichtig, dass der zentrale Stürmer nicht zu weit nach vorne geht.“ Mersad Selimbegovic erklärt, warum der SSV Jahn Regensburg seine Formation umstellte.

Mets und Medic haben Fragezeichen

Besonders das tiefere Agieren passt eigentlich nicht so richtig zum Spielstil der Regensburger, die eher ein Interesse an „Chaos“ auf dem Platz haben und ihren Gegenspielern nur ganz wenig Raum lassen. Doch Selimbegovic erklärte, dass dieser hohe Druck zuletzt gegen den FCSP nicht zum Erfolg führte („In den letzten Spielen hat selten ein Gegner, der Druck gemacht hat, Ballverluste provoziert“) und er sich daher für eine tiefere Variante entschied. So behielt Fabian Hürzeler Recht, als er auf der Pressekonferenz vor dem Spiel sagte, dass sich Jahn Regensburg im Defensivverhalten immer wieder speziell auf den Gegner zugeschnitten etwas einfallen lässt.

Der Plan mit dem etwas tieferen Pressing und dabei vor allem einen Fokus auf das Zentrum, er ging eigentlich ziemlich gut auf. Der SSV Jahn Regensburg schaffte es den Innenverteidigern des FC St. Pauli spürbar die Fragezeichen in den Kopf zu setzen. Nur selten dürften Karol Mets und Jakov Medic weniger Gegnerdruck erfahren und trotzdem keine Ahnung gehabt haben, wie sie den Ball nach vorne bekommen können.

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Die „Hexagon-Falle“ des SSV Jahn Regensburg

(links: Positionsspiel des FCSP zu Spielbeginn; rechts: Positionsspiel des FCSP etwa ab Minute 25)

Bei Ballbesitz des FC St. Pauli zogen sich die Regensburger Spieler zu einem Sechseck zusammen, welches gerade breit genug war, um die Außenseiten zu decken, aber auch eng genug, um jederzeit Zugriff auf das Zentrum zu haben. Dieses Pressingsystem ist eines der markantesten in der 2. Bundesliga und wird von Regensburg unter der Leitung von Mersad Selimbegovic seit Jahren in ähnlicher Art und Weise praktiziert.

FCSP tappt zwar nicht in die Falle – aber findet offensiv kaum statt

Und so begann der erste Abschnitt ziemlich verhalten. Der FC St. Pauli hatte zwar viel Ballbesitz, konnte aber nur selten kontrolliert die erste Linie der Regensburger überspielen. Oder er wollte nicht, weil im Zentrum eben nur scheinbar ein Raum vorhanden gewesen ist. Hürzeler betonte, dass sein Team zwar „dominant“ gewesen sei im ersten Abschnitt, aber: „Wir haben zu sehr in die Ballseite reingespielt, keine Spielverlagerungen geschafft.“

Besonders den letzten Punkt möchte ich fett unterstreichen. Dem FC St. Pauli gelang es viel zu selten das Spiel zu verlagern. Dabei gab es durchaus immer wieder Möglichkeiten dazu, Afolayan wedelte häufiger mit den Armen, als dass er den Ball in den Füßen hatte. Doch diese fehlenden Verlagerungen zogen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Partie. Und noch mehr war an diesem Nachmittag zu sehen: Der FC St. Pauli wurde ungewohnt unsicher.

Nach rund 20 Minuten veränderte der FCSP bereits einige seiner Merkmale. Marcel Hartel, der zu Spielbeginn wie üblich weit mit vorschob, blieb nun eher im Zentrum und versuchte häufiger dort eine Überzahl zu schaffen und Eric Smith zu unterstützen. Leart Paqarada, der zu Beginn eher auf seiner Seite „festklebte“ begann nun auch häufiger in den Sechserraum zu schieben. Gebracht hat beides aber nur wenig, denn das eigene Spiel war übersät von individuellen Fehlern. Und mit jedem weiteren Fehlpass schien das Team etwas unsicherer zu werden, was dann natürlich zu noch viel mehr Vorsicht (und weniger Verlagerungsversuchen) führte.

Es war also eine wirklich zähe Angelegenheit, die es am Millerntor zu sehen gab. Doch der FC St. Pauli 2023 ist einfach anders. Selbst in solchen Situationen, in denen nicht wirklich viel geht, also eigentlich fast nichts, wird das Team gefährlich. Und wenn es über einen Standard sein muss, den sich der Gegner quasi komplett selbst reinlegt. Fast müßig zu erwähnen, dass es so ein Tor in der Hinrunde vermutlich nur auf der Gegenseite gegeben hätte. Die Führung zur Halbzeit war jedenfalls eher glücklich als verdient, auch wenn der FCSP mehr vom Spiel hatte.

Einstellung top, Leistung nicht

Die erste Halbzeit war schon nicht so richtig überzeugend, doch die zweiten 45 Minuten zeigten, dass der FC St. Pauli trotz nun neun Siegen in Folge alles andere als ein Überteam ist. Also zumindest in Sachen spielerischen Lösungen. Denn was man den Spielern auf dem Platz nicht absprechen konnte, war der enorme Einsatz, den sie zeigten, wohlwissend, dass das heute irgendwie nicht der beste Tag ist, um einen Gegner komplett aus den Latschen zu schießen. Fabian Hürzeler sagte nach dem Spiel sehr passend: „Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Mit der Leistung nicht. Mit der Einstellung schon.“

Im zweiten Abschnitt agierte der FC St. Pauli meiner Einschätzung nach etwas verändert: Marcel Hartel und Jackson Irvine wichen bei Ballbesitz nun viel häufiger auf die Seiten aus, gaben das Zentrum mehr oder weniger auf (Fabian Hürzeler sagte auf der PK aber, dass es da zumindest von seiner Seite keine taktische Anpassung in diese Richtung gab). An den Kernproblemen änderte das wenig. Der FC St. Pauli nutzte weiterhin zu selten die Möglichkeiten das Spiel zu verlagern und blieb offensiv blass. Bezeichnend: Keiner der drei Offensivspieler hatte mehr Ballkontakte als Nikola Vasilj.

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Die Schönheit der Grätsche – Jackson Irvine agiert gegen Christian Viet nahe an der Perfektion.

(Eibner/imago images/via OneFootball)

Caliskaner-Freiheiten

Nicht erst in der zweiten Halbzeit zeigte der SSV Jahn Regensburg auch offensiv gute Aktionen. Doch abgesehen von zwei Torschüssen, die Vasilj klasse vereitelte (einmal selbstverschuldet), scheiterten die Regensburger meist eher an sich selbst durch schlechte letzte Pässe oder verpatzte Ballannahmen. Insgesamt waren sie aber im zweiten Abschnitt doch klar das gefährlichere Team. Die Quote individueller Fehler war beim FC St. Pauli einfach zu erschreckend hoch und damit luden sie die Gegner auch das ein oder andere Mal ein gefährlich vor das Tor zu kommen.

Interessant war, dass die Regensburger auch auf die Defensive des FC St. Pauli eine gute Antwort hatten: Bei Regensburger Ballbesitz schob Viet aus dem Achterraum häufig nach linksaußen. Blendi Idrizi (toller Spieler) ging dafür in den linken Halbraum. Auf der anderen Seite agierte Sarpreet Singh klar auf der Außenbahn (der eher blass blieb – abgesehen von einer Situation zu Spielbeginn bei der man wohl durchaus auch auf Elfmeter hätte entscheiden können, der Schiedsrichter aber auf Schwalbe von Singh entschied). Den rechten Halbraum besetzte Kaan Caliskaner, der dabei einige Freiheiten genoss.

Denn da Marcel Hartel und Jackson Irvine mit vorschieben im Pressing und Regensburg seinerseits mit fünf Spielern vorrückte, wurde die Fünferkette des FCSP komplett gebunden. Caliskaner rückte aber eher träge vor, blieb meist etwas nach hinten abgesetzt im Raum und sorgte so dafür, dass Karol Mets immer aus der Kette herausrücken musste. Wenn Paqarada nun die dadurch entstandene Lücke nicht aufmerksam schloss, dann boten sich den Regensburgern Räume für tiefe Läufe.

Kollektives Fallen

Noch ein weiteres Element war auffällig: Dadurch, dass Paqarada und Saliakas in der Kette durch Singh und Viet gebunden wurden, konnten sie nur selten beim Anlaufen unterstützen. So blieb dem FCSP im Anlaufen nur der 3-2-Block, also die drei Offensivspieler, sowie Hartel und Irvine. Drei Spieler können aber nur schwerlich eine gegnerische Viererkette komplett anlaufen (ist ja eine Unterzahl). Dem SSV Jahn Regensburg boten sich also häufig Räume auf den Außenverteidigerpositionen, weil der FCSP nicht schnell genug verschieben konnte.

Auf diese Problematiken reagierte der FC St. Pauli meist mit einem kollektiven Fallen. Das Team zog sich viel schneller als üblich in ein 5-4-1 zurück, igelte sich mehr oder weniger recht fix ein. Dadurch konnten die Räume auf den Außenbahnen geschlossen werden und auch Caliskaner wurde in seinen Freiheiten beschränkt. Die Ballgewinne des FCSP waren dadurch aber alles andere als vielversprechend und Jahn Regensburg konnte dadurch ein optisches Übergewicht erzeugen und kam dann ja auch zu der ein oder anderen Chance.

Fokus auf die Null

Allein die Tatsache, dass Nikola Vasilj irgendwann anfing seine Abschläge aus der Hand auch tatsächlich in hohem Bogen nach vorne zu ballern, sagt schon viel über das Spiel, den Spielverlauf und die Probleme des FC St. Pauli aus. Je mehr sich das Spiel dem Ende zuneigte, umso offener wurden zwar die Räume in der Regensburger Defensive. Aber umso deutlicher wurde auch, dass der FC St. Pauli diesen knappen Vorsprung mit Haut und Haaren über die Zeit bringen wollte und ein zweiter Treffer unwahrscheinlicher war als die Null zu halten.

Nicht nur die langen Abschläge, auch die Einwechslung von Betim Fazliji für den hoffentlich nicht verletzten Dapo Afolayan (Hürzeler sprach von einem „schmerzhaften Tritt“, den Afolayan abbekommen habe) spricht eine deutliche Sprache. Positionsgetreu hätte sicher Elias Saad helfen können, besonders in Umschaltmomenten. Aber der Fokus des FCSP lag nicht auf dem zweiten Treffer, sondern auf der Defensive. Nachdem Fazliji kurz nach seiner Einwechslung auf der rechten Offensivseite agierte, stellte der FCSP im Anschluss auf ein 5-3-2 um (mit Fazliji auf der Sechs) und versuchte dadurch defensiv noch etwas stabiler zu werden.

Artikelbild:FC St. Pauli – SSV Jahn Regensburg 1:0 – Im Willen liegt die Kraft

Nine in a row, eight to go!

Wer solche Spiele gewinnt…

Ja, der FC St. Pauli zeigte sicher nicht sein bestes Spiel, vermutlich sogar spielerisch das schwächste bisher in der Rückrunde. Ja, es gab viele individuelle Fehler, die ebenfalls einen großen Anteil daran hatten, dass das Team nicht sein sonst gewohnt gefährliches Spiel aufziehen konnte. Aber der SSV Jahn Regensburg hat es auch einfach richtig, richtig gut gemacht, hatte gute und effektive Antworten auf Offensiv- und Defensivspiel des FC St. Pauli.

So hätte sich der SSV Jahn Regensburg einen Punkt verdient gehabt. Der FC St. Pauli hatte einfach keinen guten Tag erwischt. Und trotzdem feiert das Team am Ende den neunten Sieg in Serie. Denn egal ob es nun spielerisch läuft, ob der Gegner Antworten auf die eigene Spieldee gefunden hat und ob einem jeder zweite Ball verspringt und Pass misslingt: Zu sehen wie die FCSP-Spieler um jeden Zentimeter gefighted haben, die Führung mit allem was sie hatten verteidigten, war eine Augenweide. Und zu sehen, wie Irvine & Co nach Abpfiff völlig eskalieren zeigt, was für ein hartes Stück Arbeit das gewesen ist. Der verdiente Lohn ist ein Spitzenspiel in Heidenheim, zu dem nicht nur der Hypetrain, sondern auch der reale Sonderzug fährt.

Immer weiter vor!// Tim

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