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·6. Februar 2023

FC St. Pauli – Hannover 96 2:0 – Der feine Unterschied

Artikelbild:FC St. Pauli – Hannover 96 2:0 – Der feine Unterschied

Der FC St. Pauli gewinnt letztlich verdient gegen Hannover 96. Das Team startete wackelig gegen starke Niedersachsen, übernahm aber Stück für Stück die Spielkontrolle. Dabei überzeugten sowohl taktische Details, aber auch individuelle Klasse. Die Analyse.(Titelbild: Peter Böhmer)

Ich gebe zu: Mit diesem Spiel hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Also nicht mit dem Spiel selbst, welches aus objektiver Sicht ziemlich viel geboten hat. Und auch die Spielweise des FC St. Pauli hat mich durchaus positiv überrascht.


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Die Aufstellung

Im Vergleich zum Spiel in Nürnberg wechselte der FC St. Pauli seine Anfangsformation auf zwei Positionen: Eric Smith kehrte ins Abwehrzentrum zurück und ersetzte Adam Dźwigała, der aufgrund einer leichten Blessur gar nicht im Kader stand. In der Offensive feierte Dapo Afolayan sein heiß ersehntes Startelfdebüt und ersetzte dabei David Otto. Beide Spieler sollten von enormer Wichtigkeit für den Erfolg des FC St. Pauli sein.

Ganz positionsgetreu waren die Wechsel nicht. Afolayan kam auf der linken Außenbahn zum Einsatz und verdrängte dort Lukas Daschner, der dafür ins Angriffszentrum rückte. Hinten rechts in der Innenverteidigung spielte Jakov Medić auf der Dźwigała-Position.Gar nicht im Kader waren Maurides, dessen Knieprobleme dann doch etwas schwerwiegender zu sein scheinen. Auch Afeez Aremu stand nicht im Kader, eine Erkältung soll der Grund gewesen sein.

Auf Seiten von Hannover 96 gab es auch einige Veränderungen. Sebastian Ernst, Bright Arrey-Mbi, Enzo Leopold und Maximilian Beier ersetzten Max Besuschkow, Nicolo Tresoldi, Cedric Teuchert und Luka Krajnc. So war Fabian Hürzeler seinen nur kurz geltenden Ruf als Prophet auch schon wieder los. Er rechnete mit einem Startelfeinsatz von Hendrick Weydandt, der aber nur auf der Bank saß.

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Aufstellung beim Spiel FC St. Pauli gegen Hannover 96

Erst ungute Erinnerungen…

Die erste Minute war noch nicht einmal vergangen, da fühlte ich mich kurzzeitig an das letzte Gastspiel von Hannover 96 am Millerntor erinnert. Denn nach Ballgewinn zog Maximilian Beier sofort tief und stellte die FCSP-Hintermannschaft direkt vor massive Probleme. Mit viel Glück, eventuell auch in Sachen Schiedsrichter-Entscheidung, stand es nicht bereits nach wenigen Sekunden 0:1. In den Anfangsminuten gab es noch eine zweite Szene, bei der Beier nach Ballgewinn sofort den Weg in die Tiefe suchte. Diese Spielweise war auch einer der Schlüssel, die vor knapp einem Jahr für eine äußerst ernüchternde 0:3-Niederlage sorgte.

Sowieso zeigten die Anfangsminuten sehr krass, worauf sich beide Teams fokussierten: Nach Ballgewinn ging es meist sehr schnell tief. Dadurch entwickelte sich ein angenehm kurzweiliges Fußballspiel, weil auf beiden Seiten mutig agiert wurde. H96-Trainer Stefan Leitl sagte nach dem Spiel, dass diese Spielweise mit den tiefen Beier-Laufwegen genau so geplant war. Fabian Hürzeler erklärte hierzu: „Dadurch das Beier gespielt hat war klar, dass sie versuchen immer wieder hinter die Kette zu kommen. Das haben wir vorher auch kommuniziert. Trotzdem gab es ein-zwei Momente, die einfach auch unfassbar schwer zu verteidigen sind. Meine Jungs haben es trotzdem gut wegverteidigt.“

…dann erfolgreiches Positionsspiel

Der Start war für den FC St. Pauli also alles andere als einfach. Doch nach rund zehn Minuten zeigte sich das Team in den Abläufen bei Ballbesitz in seinem 3-4-2-1 gefestigter. Im Vergleich zum Nürnberg-Spiel gab es dann auch sehr gut sichtbare Veränderungen im Positionsspiel bei Ballbesitz: Eric Smith rückte meist vor in den Sechserraum. Dadurch schob Marcel Hartel noch eine Position nach vorne und agierte als eine Art zweite Spitze. Connor Metcalfe und Dapo Afolayan konnten in die Breite ziehen und Manolis Saliakas und Leart Paqarada blieben etwas weiter hinten.

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Positionsspiel des FC St. Pauli in der Partie gegen Hannover 96: In der ersten Halbzeit schob Eric Smith in den Sechserraum und Marcel Hartel auf Höhe von Lukas Daschner. Dadurch ergab sich in einigen Momenten eine Überzahl-Situation für den FCSP in der Offensive.

Das Team von Stefan Leitl setzte defensiv auf eine komplette Spiegelung des FC St. Pauli gegen den Ball. Doch besonders das Vorschieben von Hartel bereitete Hannover 96 Probleme, da sich Hartels Gegenspieler Leopold nicht immer mit zurückfallen ließ. Da die beiden Schienenspieler Muroya und Köhn mannorientiert auf Paqarada und Saliakas agierten, standen dann teilweise drei Innenverteidiger von Hannover in Unterzahl gegen vier FCSP-Spieler in letzter Linie. So kam zum Beispiel Hartel nach zehn Minuten zu einer Großchance, als er (nach feinem Pass von Karol Mets) frei vor Zieler auftauchte, aber leider am Tor vorbeischoss.

Dieses Positionsspiel war einer der Faktoren, der das Spiel leicht aber entscheidend zu Gunsten des FC St. Pauli fallen ließ. Denn dadurch konnte der FCSP die stark mannorientierte Verteidigung von Hannover 96 vor Probleme stellen. Angesprochen auf dieses Positionsspiel musste Fabian Hürzeler auf der Pressekonferenz nach dem Spiel einmal kurz durchatmen (ab Minute 5:50 in diesem Video), denn er wollte sich dabei nicht zu sehr in die Karten schauen lassen:

„Wir wollten Hannover hoch binden, sodass Köhn und Muroya nicht so nach vorne verteidigen konnten. Nürnberg hat uns mit Drei-gegen-Drei gepresst und damit hatten wir heute auch gerechnet. Das es aber Mann-gegen-Mann ist, damit haben wir nicht gerechnet. Wir dachten, dass sie sich binden lassen, das war die Idee dahinter, ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen.“ Fabian Hürzeler zu den Gründen für das FCSP-Positionsspiel.

Mutiges Aufbauspiel wird belohnt

Es bleibt also ein wenig unklar, wie genau der FC St. Pauli vorgehen wollte. So richtig zufrieden wirkte Hürzeler im Anschluss an die Partie nicht damit. Mit Anpfiff der zweiten Halbzeit waren die Bewegungen von Smith und Hartel jedenfalls nicht mehr zu sehen. Mich persönlich wunderte das, da ich dieses Positionsspiel für sehr effektiv hielt. Denn mehr als einmal sorgte es für große Gelegenheiten, weil der FCSP eine Überzahl vor der Dreierkette von Hannover 96 generieren konnte. Ich übersehe also vermutlich irgendetwas.

Um in den Bereich vor der H96-Dreierkette zu kommen, war einiges an Mut, Zutrauen und Können notwendig. In der 17. Minute zeigte die FCSP-Hintermannschaft all das, als sie sich trotz größtem Druck über die rechte Abwehrseite ins Zentrum kombinierte (Hürzeler: „Das war genau das, was ich sehen wollte. Der Mut wurde dann auch belohnt.“), von wo Eric Smith dann einen feinen Pass in die Spitze spielte – den folgenden Schuss von Afolayan konnte Zieler noch parieren, beim Nachschuss von Daschner war er machtlos.

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Fabian Hürzeler freute sich über viele Situationen im Spiel gegen Hannover 96, hat aber auch weiterhin genügend Bereiche, in denen sich das Team verbessern kann. // (c) Peter Boehmer

Nach der Führung folgte die stärkste Phase des FC St. Pauli, die durch das wunderschöne Tor von Connor Metcalfe belohnt wurde. Hannover 96 offenbarte weiterhin Probleme mit dem taktischen Konzept des FCSP, fand dagegen vorerst keine wirklichen Lösungen. Das bedeutet aber nicht, dass das Team von Fabian Hürzeler haushoch überlegen war („Wir hatten auch in der ersten Halbzeit Phasen, wo wir nicht diese Kompaktheit hatten, in denen wir zu passiv wurden.“). Vielmehr war es über die gesamte Dauer ein hochintensives Spiel, bei dem sich auch Hannover 96 immer wieder sehr ansehnlich in Richtung FCSP-Tor kombinieren konnte.

Ein starkes Debüt

„Prinzipiell rede ich jetzt nicht zu gerne über einen einzelnen Spieler“ – so startete Fabian Hürzeler seine Worte zur Leistung von Dapo Afolayan. In der Folge betonte er dann aber, wie wichtig der Neuzugang in der Defensivarbeit gewesen ist und welche Bedeutung Afolayan mit seinen Stärken im direkten Offensivduell hatte.Ich persönlich fand, dass Afolayan noch nichtmal richtig gut eingebunden ist in das Spiel des FC St. Pauli und er seine Stärken in der Offensive gar nicht richtig ausspielen konnte. Und trotzdem war das ein richtig starkes Debüt am Millerntor.

Bereits in den ersten 45 Minuten wurde Afolayan ganze fünfmal gefoult. Für eines dieser Fouls sah Phil Neumann die gelbe Karte. Afolayan selbst wunderte die hohe Anzahl an Fouls nicht („Das bin ich gewohnt“), denn in der League One war er der meistgefoulte Spieler. Wenn das so weitergeht, dann dürfte er auch in der 2. Bundesliga auf ähnliche Werte kommen. Gekrönt wurde die vielversprechende Leistung von Afolayan dann nicht durch ein Tor, sondern durch das sechste Foul an ihm: Nach einem feinen Beinschuss blieb Neumann nichts anderes als ein erneutes Foul übrig, welches die gelb-rote Karte als logische Folge hatte. Das Spiel war damit mehr oder weniger entschieden.

So waren es dann eher die Feinheiten, welche in diesem Spiel den Ausschlag gaben. Das feine Füßchen von Connor Metcalfe (was eine beeindruckende Entwicklung der genommen hat, Wahnsinn!). Das mutige Aufbauspiel mit feinen Pässen von Mets und Smith. Der sich immer wieder in die Bälle schmeißende Manolis Saliakas. Und die vielen Situationen, an denen Dapo Afolayan beteiligt gewesen ist.

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Das Duell zwischen Phil Neumann und Dapo Afolayan sollte ein spielentscheidendes werden.

(Selim Sudheimer/Getty Images/via OneFootball)

(Nach)Gelassen

In den zweiten 45 Minuten schob Marcel Hartel übrigens nicht mehr so weit mit hoch, wie er es noch in der ersten Halbzeit tat. Das musste er aber auch spätestens nach dem Platzverweis nicht mehr, denn Hannover 96 spielte fortan mit einem 4-3-2 weiter und konnte offensiv kaum noch Gefahr erzeugen. Viel näher am Torerfolg war der FC St. Pauli, der das Spiel spätestens nach dem Platzverweis größtenteils kontrollierte, sich aber von Fabian Hürzeler den Vorwurf gefallen lassen muss, in der zweiten Halbzeit etwas nachlässig geworden zu sein:

„Nach dem Platzverweis war ich nicht mehr ganz so zufrieden, weil wir nicht konsequent auf das dritte Tor gespielt haben. Wir hatten zwar die ein oder andere Tormöglichkeit, waren aber nicht mehr so konsequent im letzten Drittel“ Fabian Hürzeler über die zweite Halbzeit gegen Hannover 96.

Das ist eigentlich die beste Kritik: Sich nach einem Sieg anhören zu müssen, dass man nicht noch höher gewonnen hat. Und trotzdem müssen die Ohren gespitzt bleiben. Es gab einfach zu viele Spiele, in denen aus solch einer drückenden Überlegenheit zu wenig gemacht wurde. Und ich möchte gar nicht wissen, wie sich das Spiel nach einem Anschlusstreffer von Hannover entwickelt hätte. Der kam aber nicht, weil der FCSP zwar offensiv nachlässig wurde, defensiv aber trotzdem sehr stabil blieb. Zwar wird das alles etwas verwässert durch die Überzahl, aber das Team ist (den trost- und lustlosen Test gegen Oldenburg ausgeklammert) seit vier Spielen ohne Gegentor.

Der FC St. Pauli holt ganz wichtige drei Punkte gegen Hannover 96. Diese waren verdient und sind vielleicht sogar etwas mehr wert, als eben nur die drei Zähler mehr auf dem Konto. Denn das Team erspielte sich eine ganze Reihe von guten offensiven Momenten und zeigte, dass die neu gewonnene defensive Stabilität eben nicht zu Lasten einer schwächelnden Offensive ging. Das war überzeugend.Der Blick auf die Tabelle zeigt, dass diese drei Punkte aber auch zwingend notwendig waren. Magdeburg ist mit 18 Punkten Schlusslicht der Liga und hat damit gerade einmal fünf Punkte Rückstand auf den FCSP. Also nicht nachlassen jetzt!

Immer weiter vor!// Tim

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