FC St. Pauli – FC Schalke 04 2:1 – Meisterleistung | OneFootball

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·5. Dezember 2021

FC St. Pauli – FC Schalke 04 2:1 – Meisterleistung

Artikelbild:FC St. Pauli – FC Schalke 04 2:1 – Meisterleistung

Der FC St. Pauli gewinnt überlegen mit 2:1 gegen Schalke 04. Einmal mehr überzeugte das Team in Braun-Weiß offensiv vor allem in der ersten Halbzeit und konnte da den Grundstein für den letztlich verdienten Sieg legen. Schalke 04 bot erschreckend wenig an, schien aber auch machtlos gegen eine bärenstarke Defensiv-Leistung des FCSP. Der Sieg bringt dem FC St. Pauli die Herbstmeisterschaft, eine Rekord-Hinrunde und eine Rekord-Heimserie.(Titelbild: Peter Böhmer)

Die Aufstellung

Im Vergleich zum Auswärtssieg in Nürnberg wechselte der FC St. Pauli auf nur einer Position: Für Sebastian Ohlsson rückte der wieder fitte Luca Zander auf die Rechtsverteidiger-Position. Ansonsten vertraute das Trainer-Team auf die in Nürnberg erfolgreichen Startelf-Spieler und somit auch weiterhin auf das 4-4-2 mit einer Mittelfeldraute.


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Bei Schalke 04 gab es hingegen gleich mehrere Veränderungen. Auf der Sechser-Position kam Victor Pálsson für den jungen Florian Flick ins Spiel, der aufgrund einer Fleischwunde passen musste. Die Position des rechten Flügelverteidigers nahm wieder Mehmet Aydin ein, der im Spiel zuvor gegen Sandhausen auf der Bank Platz nahm. Er ersetzte den nicht nur namensmäßig älteren Reinhold Ranftl. Ganz vorne musste Schalke die Ausfälle von Churlinov, Terodde und kurzfristig auch Marius Bülter verkraften. Dadurch rückte der zuvor nur im Regionalliga-Team eingesetzte Rufat Dadashov direkt in die Startelf. Zudem standen Felix Wienand, Jimmy Kaparos (beide U23) und Keke Topp (U19) im Aufgebot.

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Überraschend Vollkontrolle

Im Vorbericht wurde Schalke als ein brandgefährliches Umschalt-Team beschrieben, das gerne hoch presst. Davon war in der gesamten ersten Halbzeit überhaupt nichts zu sehen. Schalke 04 bot erschütternd wenig an, zeigte sich bei Ballbesitz des FC St. Pauli sehr passiv. Das lag daran, dass Schalke enorm schlecht in das vorher gerühmte Pressing kam. Dabei war die Positionierung der Schalker Außenverteidiger entscheidend. Ich würde sogar soweit gehen und schreiben: Sie war spielentscheidend.

Bei Ballbesitz agierte der FC St. Pauli vor allem im Angriff enorm klug. Guido Burgstaller und Igor Matanović bewegten sich immer dann, wenn das eigene Team kontrolliert den Ball in den eigenen Reihen hielt, weit auf die Außenbahnen. Damit wollte der FCSP „die Dreierkette von Schalke in Bewegung bringen“ wie Loic Favé auf der PK nach dem Spiel erzählte. Das unterschied sich relativ deutlich z.B. zum Spiel gegen Sandhausen (hier die Analyse davon), als sich die drei Angreifer des FCSP immer zu einem Knäuel vorne zentral zusammenfanden.

Die Positionierung der Angreifer war aus meiner Sicht spielentscheidend, weil sie einen Einfluss auf das Verhalten der Flügelverteidiger von Schalke im Anlaufverhalten hatte. Bei Ballbesitz FC St. Pauli war es immer an diesen Flügelverteidigern, Ouwejan und Aydin, die Außenverteidiger in Braun-Weiß anzulaufen. Dadurch, dass sich Matanović und Burgstaller aber weit außen positionierten, ließen sich die Außenverteidiger von Schalke hinten in der Kette binden. Der Weg, um die FCSP-Außenverteidiger anzulaufen war also enorm weit, sodass diese Positionierung der FCSP-Angreifer den eigenen Außenverteidigern Zeit verschaffte. Und Zeit ist etwas, das man dem FC St. Pauli im Aufbauspiel auf gar keinen Fall geben sollte. Der FCSP konnte sein inzwischen ligaweit gefürchtetes Offensivspiel aufziehen, weil sie auf den so wichtigen Außenverteidiger-Positionen keinen Gegnerdruck hatten. Der Matchplan ging also voll auf (und aus Schalker Seite komplett in die Hose).

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Nachdem Schalke die erste Zeit quasi mit einer Fünferkette spielte und außen eigentlich gar nicht richtig anlief, stellten sie im Verlauf der ersten Halbzeit ein wenig um: Der ballferne Flügelverteidiger ließ sich nun konsequent in die Kette fallen, sodass der ballnahe äußere Innenverteidiger den Weg der Stürmer nach außen bedenkenlos mitgehen konnte. Dadurch spielte Schalke eigentlich hinten mit einer Viererkette. Gebracht hat es nicht sonderlich viel. Denn der FCSP verstand es gut, das Spiel immer wieder zu verlagern, sodass beide Flügelverteidiger weiterhin enorm viele Wege gehen mussten. Erst in der zweiten Halbzeit stellte Schalke konsequenter um, wie Schalkes Co-Trainer Sven Piepenbrock auf der PK nach dem Spiel bestätigte („Wir waren da in der ersten Hälfte zu zögerlich und wollten den Raum nicht zu früh aufgeben. Dann haben wir umgestellt.„).

GB9 – Chef der Angreifer, Chef der Verteidiger

Nach der ersten Halbzeit war es aber eigentlich schon zu spät für so eine effektive Umstellung. Denn der FC St. Pauli nutzte die Räume in den ersten 45 Minuten aus, erspielte sich einmal mehr eine Vielzahl an Torchancen und konnte immer wieder über die Außenbahnen durchbrechen. Natürlich war es Guido Burgstaller, der die beiden Buden machte. Er war es auch, der die Räume auf den Außenbahnen konsequent bespielte (schaut mal, wo der vor dem 1:0 im Raum steht – genau zwischen Innen- und Außenverteidiger, also da, wo ein Team mit einer Fünferkette am anfälligsten ist). Und Burgstaller war es auch mal wieder, der in Sachen Defensivarbeit die Marschroute vorgab. Ein unfassbares Pensum, welches er, wie auch schon gegen Nürnberg, abspulte. Er ist sicher der beste Stürmer, den der FCSP seit Jahren in seinen Reihen hat, aber so wie er defensiv arbeitet, die Gegner anläuft, sich klug im Raum bewegt und seine Mitspieler coacht – ich würde ihn als Trainer auch weiter aufstellen, wenn er noch kein einziges Tor erzielt hätte. Natürlich sind 14 Tore in 16 Spielen ein echtes Ausrufezeichen und ich möchte nicht darauf verzichten. Aber Guido Burgstaller gibt dem Team so viel mehr, als einfach nur Tore zu erzielen.

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Wenn deine Kollegen dich ekstatisch feiern, weil du im Büro mal wieder abgeliefert hast…

Jetzt folgt der Abschnitt, in dem das „Angriffsspiel“ von Schalke 04 beschrieben wird. Das schreibe ich bewusst in „“, denn dieses Angriffsspiel war schlicht nicht vorhanden in den ersten 45 Minuten. Der FC Schalke 04 ist ein Team mit ziemlich klaren Zielen in dieser Saison. Dazu verfügt der Kader über eine wirklich bemerkenswerte individuelle Qualität auf allen Positionen. Das einzige, was sie aber gestern am Millerntor angeboten haben, waren Standards und Einzelaktionen. Es war erschreckend, wie wenig spielerische Lösungen dieses Team auf das, zugegeben sehr gute, Defensiv-Verhalten des FC St. Pauli fand. Dass ein Team mit diesen Ansprüchen und dieser individuellen Qualität nach fast der Hälfte der Saison über wirklich gar keine spielerischen Lösungen in schwierigen Situationen verfügt, ist eigentlich ein Verbrechen und dürfte allen auf Schalke massive Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Selbst in der 2. Halbzeit waren es fast nur Einzelaktionen, die für mehr Gefahr sorgten. Eine immer wiederkehrende war zum Beispiel, dass Dominick Drexler aus seiner zentralen Position auf den linken Flügel auswich, um gemeinsam mit Ouwejan diese Seite zu überladen. Ich habe Schalkes Co-Trainer extra auf der PK gefragt, ob es sich dabei um einen Plan oder um eine situative Bewegung von Drexler handelte. Er bestätigte den Eindruck und erklärte, dass Drexler selbst diese Situationen kreierte. Die einzige wirklich taktische Umstellung, um das eigene Aufbauspiel zu stärken (die Umstellung der Flügelverteidiger passierte, um das Anlaufverhalten zu verbessern), waren die Bewegungen von den äußeren Innenverteidigern Kaminski und vor allem Thiaw. Den beiden bot sich nämlich immer Raum zum Andribbeln, da sie mit ihrer Dreierkette gegen zwei Stürmer spielten. Das taten sie in der zweiten Halbzeit sehr viel häufiger (womöglich auch, weil sie einfach mehr Risiko gehen mussten). Aber dieses Andribbeln nutzten sie eigentlich nur, um im Anschluss einen hohen Ball zu spielen. Kombinationsfußball war von Schalke gar nicht zu sehen.

Eine Abwehr aus Granit – so wie einst Real Madrid

Schalke enttäuschte offensiv aber auch deshalb, da der FC St. Pauli eine sehr konzentrierte und kompakte Defensiv-Leistung zeigte. Dabei war interessant zu sehen, wie gut und geordnet die Defensive mannorientiert verteidigte und zeitgleich eine gute Raumaufteilung bot:Wie bereits beschrieben, stellten Burgstaller und Matanović den Raum vorne zu (und liefen eigentlich erst dann direkt an, wenn Torwart Fraisl den Ball zurückgespielt bekam). Dahinter legte Kyereh in bereits bekannter Manier den gegnerischen Sechser an die Kette (was auch gelang: Pálsson spielte nur 15 Pässe – halb so viele wie z.B. Eric Smith auf der Gegenseite (sofascore)). Entscheidend war, was dahinter in den Halbräumen passierte: Dort waren mit Drexler und Zalazar genau die beiden Spieler, die es eng zu bewachen galt. Dafür gab es mit Hartel, Smith und Irvine gleich drei Spieler. Die mussten aber zeitgleich auch noch die Flügelverteidiger anlaufen oder eng bewachen, wenn der Ball auf der entsprechenden Seite war. Besonders zu Beginn der zweiten Halbzeit, als Schalke längere Ballbesitzphasen hatte, war es eine echte Wonne dem Trio dabei zusehen zu können, wie es sauber verschob, die Gegenspieler wortlos übergab und so zu Dritt gleich vier Gegenspieler in Schach hielt. Der ballferne Flügelverteidiger wurde immer freigelassen, sodass aus der Halbposition angelaufen werden konnte. Smith übernahm dann den gegnerischen Achter auf der ballnahen Seite, während der andere FCSP-Achter den Spieler im Halbraum auf der ballfernen Seite übernahm. Und wenn Schalke dann doch mal schneller verlagerte, gab es noch die FCSP-Außenverteidiger, die anlaufen konnten. Zentral brannte sowieso nichts an. Ziereis und Lawrence hatten mit Pieringer und Dadashov keine Probleme. Ob das mit Bülter und Terodde auch so gewesen wäre, ist natürlich eine andere Geschichte. So aber war es einfach mega kompakt und richtig gut und konzentriert gespielt. Um nur einige Beispiele herauszunehmen: Marcel Hartel kochte Rodrigo Zalazar ein ums andere Mal ab, Eric Smith erstickte unzählige Umschaltmomente durch gute Vorwärts-Verteidigung (und ist einfach der kompletteste Sechser, den die Liga zu bieten hat) und Philipp Ziereis zeigte in Abwesenheit von Jakov Medić, dass auch er ein richtig starker Kopfballspieler ist. Hut ab vor dieser Defensivleistung des Teams! Ich habe es sehr genossen!

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Trotzdem erzielte Schalke den Anschlusstreffer. Bei all der Liebe für das gute Offensivspiel des FC St. Pauli: Aus dieser Überlegenheit muss mehr als eine 2:0-Führung herausspringen. Es ist bemerkenswert, wie sich dieser Spielverlauf mit dem Spiel gegen Sandhausen glich: Eine überragende erste Halbzeit, dann eigentlich weiter Spielkontrolle und plötzlich fällt aus dem Nichts der Anschlusstreffer.Während gegen Sandhausen schnell wieder der alte Vorsprung hergestellt wurde, entwickelte sich gegen Schalke ein echter Fight. Schalke gelang es, den FCSP einzuschnüren – ganz billig mit langen Bällen. Spannend wurde es aber nicht, weil Schalke mehr Druck aufbaute, sondern da der FC St. Pauli teils dilettantisch mit seinen Umschaltsituationen umging. Schalke öffnete mit jeder weiteren Spielminute mehr und mehr Räume, aber je mehr sich diese Räume öffneten, umso schlechter schien der FCSP seine Umschaltmomente zu spielen.So blieb das Spiel bis zum Ende spannend, obwohl der FC St. Pauli das klar bessere Team war und Schalke wirklich sehr wenige Mittel zur Verfügung hatte, um Druck aufzubauen.

Der FC St. Pauli blieb aber stabil und ließ keine Großchancen mehr zu (und generierte in dieser Zeit sogar viel mehr eigene Chancen). So kam dann auch das, was sich das Team für diese Leistung verdient hatte: Ein erneuter Heimsieg. Der achte in Folge (Rekord). Damit hat der FC St. Pauli alle seine Heimspiele in der Hinrunde gewonnen. Und da war keines dabei, bei dem die Leistung nicht stimmte. Zumeist wurden die Gegner (Kiel, HSV, Regensburg, Ingolstadt, Dresden, Rostock, Sandhausen, Schalke) in Grund und Boden gespielt und bereits nach 45 Minuten stand der Sieger fest. Was für eine fantastische Serie.

Artikelbild:FC St. Pauli – FC Schalke 04 2:1 – Meisterleistung

Fabian Hürzeler und Loic Favé lieferten ein Meisterstück ab und stellten ihr Team perfekt auf den Gegner und das Spiel ein.

Meister aller Klassen – mindestens…

Diese Serie endet hoffentlich nicht. Denn ich kann mich einfach nicht sattsehen an diesem Fußball, den der FC St. Pauli diese Saison spielt. Aktuell passt da einfach fast alles zusammen, es ist wie ein nicht enden wollender Rausch. Klar habe ich jetzt schon Angst vor dem Kater, wenn der Rausch mal endet. Aber selbst wenn mal ein Spiel nicht so gut kickt, dann kickt das nächste dafür umso mehr.Dieser Rausch, dieser tolle Fußball hat nun seinen ersten Titel: Der FC St. Pauli ist mit unfassbaren 35 Punkten, noch vor Ende der Hinrunde, Herbstmeister. Davon kann sich niemand was kaufen, klar. Aber habt ihr ne Ahnung, wie fett mein Grinsen seit Abpfiff ist?! Boah ey, St. Pauli geh nie vorbei!

Immer weiter vor!//Tim

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