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·21. August 2025
Fabregas‘ spektakuläres Projekt: Como Calcio hat Europa im Visier

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·21. August 2025
Am Comer See träumt man vom internationalen Geschäft. In puncto Transfersusgaben hält Como Calcio schon mit den europäischen Schwergewichten mit, an der Seitenlinie steht ein Welt- und Europameister. Doch wie realistisch ist es, dass sich der Vorjahres-Aufsteiger der Serie A tatsächlich unter die Aushängeschilder des italienischen Fußballs mischt?
Es sind immer noch ein Stück weit verkehrte Welten beim sonst so beschaulichen Como Calcio. Mit der Ankunft von Cesc Fabregas im August 2022 fing alles an. Ein spanischer Weltstar bei einem Zweitligisten, der nun wahrlich nicht zu den Alphatieren des italienischen Fußballs zählt. Drei Sommer später sind die Lariani auf dem besten Weg dahin – und Fabregas steht mittlerweile an der Seitenlinie statt selbst gegen den Ball zu treten.
In seiner ersten Saison als Cheftrainer führte der Ex-Mittelfeldmann von Barca, Arsenal und Chelsea Aufsteiger Como direkt auf einen starken zehnten Platz in der Serie A. Mit einem wilden Mix aus jungen Spielern um dem alles überragenden Nico Paz, Legionären wie den beiden Deutschen Yannik Engelhardt und Marc-Oliver Kempf sowie Altstars á la Raphael Varane, Sergi Roberto und Pepe Reina mischte der Aufsteiger vom Fuße des Comer Sees das italienische Oberhaus auf.
Dass Como eine derartige Strahlkraft für junge wie für alte Spieler entwickelt hat, liegt ganz zentral an Fabregas selbst, der damals noch als Spieler praktisch den ersten Schritt machte und damit eine Welle der Euphorie rund um die Mannschaft aus dem 83.000-Einwohner-Touristenort lostrat. Dass der Klub aus Norditalien vor fünf Jahren noch in der Drittklassigkeit zu Werke war und mittlerweile mit den Topteams der Nation mithalten kann, hat aber weniger einen fußballromantischen Ursprung und dafür viel mehr mit zwei indonesischen Milliardären zu tun, die den kleinen Klub mit Geld vollpumpten.
(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)
Robert und Michael Hartono, denen unter anderem ein Tabakkonzern gehört, erwarben Como Calcio im Jahr 2019. Ihr Vermögen beträgt über 50 Milliarden Euro, was den Vorjahres-Aufsteiger zum reichsten Klub Italiens macht. Und so verhält er sich auch auf dem Transfermarkt. Schon in den vergangenen Jahren gaben die Biancoblu deutlich mehr Geld für neue Spieler aus als das die Konkurrenz aus ähnlichen Gefilden tat.
In der laufenden Transferperiode hat Como bereits 104 Millionen Euro in Neuzugänge investiert und damit knapp mehr als zum Beispiel PSG. Wie schon im vergangenen Sommer lag das Augenmerk vor allem auf jungen Spielern. Insbesondere auf den Flügelpositionen wurde kräftig eingekauft, für beide Seiten in Jesus Rodriguez und Jayden Addai ein jeweils 19-Jähriger geholt. Zusammen mit Nicolas Kühn, der aus Glasgow kam und das deutsche Legionärszelt auf drei Mann erhöht, sollen sie die Qualität auf den Außenbahnen erhöhen.
In Alex Valle und Ignace van der Brempt wurde zudem ein neues Außenverteidiger-Pärchen geholt, Maxime Peronne verstärkt das defensive Mittelfeld und Martin Baturina soll Dreh- und Angelpunkt Paz auf der Zehn entlasten.
Der Fabregas von 2022 und der Varane von letztem Jahr ist in diesem Sommer Alvaro Morata, der seine Leihe bei Galatasaray abgebrochen hat und sein Glück nun unter dem ehemaligen Chelsea-Weggefährten Fabregas versucht. Ein Knipser in vorderster Front würde den Lariani in jedem Fall gut zu Gesicht stehen – in der abgelaufenen Spielzeit war Winterneuzugang Assane Diao, der auf dem linken Flügel zu Hause ist, mit acht Toren der treffsicherste in Blau-Weiß.
(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)
Die Offensive ist mit dem neuen Personal sowohl in der Spitze als auch in der Breite besser aufgestellt und dürfte nun besser den bei Real Madrid ausgebildeten Nico Paz entlasten, der auf der Zehn Kreativgeist, Torschütze und Arbeiter in einer Person ist und auch in der neuen Saison der absolute Schlüsselspieler in Fabregas‘ System sein wird. Der 38-jährige Spanier setzt zumeist auf ein 4-2-3-1, das er je nach Gegner aber auch variabel anpasst. Die Guardiola-Schule ist mittlerweile auch an den Comer See expandiert: Die Mannschaft soll viele Dreiecke bilden, Überzahlsituationen schaffen, aus einem gepflegten Ballbesitz heraus Torchancen kreieren.
Dabei fiel der sehr dominante Spielstil in der abgelaufenen Saison der Defensive zum Opfer, häufig passten Absicherung und Abstimmung nicht, die Gegner kamen über Konter zu Toren. Vor allem hier muss Fabregas noch feilen, wobei zur ganzen Wahrheit auch gehört, dass die Hintermannschaft im Vergleich zur Offensive auch qualitativ teils deutlich abfällt. Womöglich werden die Verantwortlichen hier nochmal auf dem Transfermarkt aktiv.
Auf der Abgangsseite müssen sie das ohnehin, denn aktuell umfasst der Kader von Como Calcio 41 Mann und ist damit ganz schön aufgebläht. Mit 51 Zu- und 42 Abgängen (inklusive Leihspieler und Eigengewächse) allein in diesem Sommer herrscht extrem viel Fluktuation in der Mannschaft, was Fabregas die Arbeit und auch das Beibringen seiner anspruchsvollen Spielidee natürlich nicht gerade erleichtert.
(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)
Auch wenn Como keinen schmerzhaften sportlichen Verlust erfahren musste und daneben die Qualität auf mehreren Positionen deutlich erhöht hat, muss Fabregas und seiner Mannschaft also eine gewisse Zeit eingestanden werden. Je nach dem, wie schnell die Automatismen in der in Teilen neu formierten Offensive sitzen, ob Morata alte Torjäger-Qualitäten wiederentdeckt und ob künftig, womöglich noch mit neuem Personal, dann auch die Abstimmung in der Defensive besser funktioniert, ist ein Platz unter den ersten sieben aber nicht unrealistisch. Abreißen wird der Hype in und um Como herum unabhängig vom Abschneiden so schnell auf jeden Fall nicht. Dafür ist das Projekt zu namhaft, spannend und zukunftsträchtig.