MillernTon
·15. Juli 2025
EU-Panel: „The Price of the Game“

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·15. Juli 2025
FC St. Pauli-Präsident Oke Göttlich nahm an einer Panel-Diskussion im EU-Parlament teil, mit Kristina Schröder war auch eine Vertreterin von „Unsere Kurve“ dabei.Titelfoto: (c) Oliver Hardt / Getty Images via OneFootball
Auf Einladung der „Die Grünen“ EU-Abgeordneten Rasmus Andresen und Erik Marquardt fand am Dienstagvormittag eine Diskussionsveranstaltung in Brüssel statt. Eingeladen waren Mia Güthe (11Freunde), Kristina Schröder (Unsere Kurve e. V.) und Oke Göttlich (FC St. Pauli). Güthe war leider krankheitsbedingt verhindert, sodass Andresen die Moderation übernahm.
Zunächst einmal ist es bemerkenswert und bleibt festzuhalten, dass hier ein Vereinsvertreter (Göttlich) und eine Fanvertreterin (Schröder) bei so einer Veranstaltung auf dem Podium sitzen – und sie nicht als zwei Pole der Diskussion platziert sind, sondern sogar in vielen der großen Themen auf der gleichen Seite stehen. Dies ist für uns wahrscheinlich logisch und selbstverständlich, kann in solchen Zusammenhängen aber gerne immer nochmal zur Kenntnis genommen werden, weil Vereinsfunktionäre über Jahrzehnte meist den Charme und die „Fanperspektive“ von CDU/CSU-Politikern versprühten.
Sowohl Göttlich als auch Schröder begannen mit Eingangsstatements, ehe es nochmal um einzelne Aspekte ging und anschließend EU-Abgeordnete Fragen stellen konnten.Ich werde nicht die ganze Diskussion der gut 90 Minuten zusammenfassen, viele Themen waren auch so allgemein/High-Level, dass sie für die Leser*innen dieses Blogs ohne wirklichen Erkenntnisgewinn wären. Das Gespräch behandelte die Themen: Unterschiedliche Voraussetzungen für die Vereine, Verteilung der nationalen und internationalen (TV-)Einnahmen, externe Investoren mit teils fragwürdiger Herkunft des Geldes und vieles mehr.
Zusammengefasst existiert aber durchaus der Wunsch an die EU, wieder einen Wettbewerb zu ermöglichen / herzustellen / herbeizuführen, der sportlich fair ist. Dass dies nicht per Fingerschnipps machbar ist und selbst im besten Falle ein Prozess über viele Jahre wäre, ist aber auch allen Beteiligten klar. Göttlich wies trotzdem darauf hin, dass die Länge solch eines Prozesses einen nicht davon abhalten sollte, ihn anzustoßen, im Gegenteil.Ebenso wurde klar, dass die Situation in Deutschland mit eingetragenen und mitgliedergeführten Vereinen sowie der „50+1“-Regelung immer noch besser ist, als in vielen anderen Ländern – damit aber auch natürliche Obergrenzen in den Möglichkeiten setzt. Göttlich merkte an, dass selbst bei einem Verein wie dem FC Bayern inzwischen ein Bewusstsein dafür vorherrscht, dass es hier Regulierungen braucht – wenn auch auf einem gänzlichen anderen Level, als der FC St. Pauli sie sich wünscht, aber immerhin.
Kristina Schröder ging zusätzlich auf den Punkt der omnipräsenten Sportwetten und der damit verbundenen Suchtgefahr ein. Inzwischen haben Unternehmen aus dieser Branche selbst bei Amateur- und Jugendsport eine starke Werbepräsenz. In Zeiten, in denen Rauchwerbung verboten und Alkoholwerbung stark eingeschränkt ist, wäre es aus ihrer Sicht sehr wünschenswert, dies auch seitens der EU zu reglementieren.
Im Verlauf der Diskussion wurde auch die Einschätzung des Bundeskartellamtes zu 50+1 diskutiert. Ich habe mich beim Statement von Oke Göttlich dabei ertappt, dies bisher viel zu einseitig betrachtet zu haben. Ich habe mir bisher nämlich immer nur die Frage gestellt, wie man es hinbekommt, dass man die Ausnahmen (Leverkusen und Wolfsburg einerseits sowie aus verschiedenen Gründen RaBa Leipzig und Hannover 96 andererseits) sinnvoll in die Lösung 50+1 integriert. Sollte dies nicht gelingen, drohen schließlich Klagen dieser Konstrukte – und sowas will man ja wahrscheinlich nicht.
Einen Blickwinkel darauf, der mir bisher gar nicht so richtig präsent war: Auch die 32 anderen Mitglieder der DFL könnten selbstverständlich eine Klage gegen die DFL anstrengen, um die Sonderstellung der zwei, drei oder vier Ausnahmen anzugehen. Ausgang? Wie auch im umgekehrten Fall völlig offen, denn es ginge dann grundsätzlich um die Verbandsautonomie. Es wäre ja aber vielleicht ein Weg, den man aus Fansicht viel konsequenter verfolgen könnte, wenn auch ein risikobehafteter.
Um es klar zu sagen: Das war jetzt keine Lösung, die Oke Göttlich offensiv beworben hat, das wäre ja auch seiner Rolle als Mitglied des DFL-Präsidiums überhaupt nicht angemessen und selbst als Präsident des FC St. Pauli könnte man sich da auch schnell die Finger verbrennen. Es war mehr so ein innerer „Aha-Moment“ bei mir selbst, an dem ich Euch teilhaben lassen wollte.
Was genau die EU hingegen an konkreten Schritten unternehmen kann, bleibt abzuwarten. Die Autonomie der Sportverbände besteht und ist sicher auch wünschenswert, jeder Eingriff der Politik in den Sport will da gut durchdacht sein. Zusätzlich kompliziert wird es durch die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Ligen und Verbände, von den Abstufungen innerhalb der Ligen ganz zu schweigen.
Einen weiteren interessanten Punkt brachte Oke Göttlich aber noch mit ein, wohl wissend, dass dies weder kurzfristig umsetzbar noch aktuell mehrheitsfähig bei vielen Vereinen wäre, insbesondere in den Top-Ligen: Wünschenswert wäre demnach ein globaler(!) Tarifvertrag für Fußballspieler*innen, dies genderte er auch bewusst so. Wer im Hinterkopf hat, wie lange beim FC St. Pauli bereits an einem Tarifvertrag für die im Verein beschäftigten Personen gearbeitet wird, kann sich ausmalen, wie beschwerlich der Weg hin zu einem globalen Tarifvertrag für Spieler*innen sein dürfte. Doch so amüsant die Vorstellung auch sein mag und so einfach man „lustige“ Vergleiche zu realen Problemen von Menschen im normalen Arbeitsalltag herstellen kann, so wäre dies doch auf lange Sicht vielleicht tatsächlich ein Weg, um Dinge wie einen „Salary Cap“ oder andere Lösungsmöglichkeiten für die großen Probleme langfristig zumindest anzugehen.
Forza St. Pauli!// Maik
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