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·22. August 2025

Es geht beides: kritischer Realismus und Zuversicht

Artikelbild:Es geht beides: kritischer Realismus und Zuversicht

Die Sommervorbereitung ist immer eine Zeit, in der aller Ballast der Vorsaison abgestreift wird. All die negativen Erlebnisse der Vorsaison schimmern nur noch fern in der Erinnerung. Stattdessen wird in Möglichkeiten gedacht. Spieler gehen, neue kommen. Ohne den wöchentlichen Performancedruck wird trainiert. Aus Spielideen werden Spielzüge. Nachwuchsspieler zeigen sich. Wir können träumen. Nämlich den Lieblingstraum aller Fußballfans: „Was wäre wenn …“

Unions Männer-Mannschaft hat uns diesen Sommer nicht träumen lassen. Die Probleme der Vorsaison? Das waren auch die Probleme der Vorbereitung. Selbst wer nicht weiß, dass der 1. FC Union Berlin existiert, weiß: die haben vier 0:1-Niederlagen hintereinander in der Vorbereitung kassiert.


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Union wird häufig als direkter Abstiegskandidat genannt

Offensivspieler wie Hollerbach oder Benes verlassen den Verein. Stürmer treffen nicht. Das Mittelfeld ist so tot wie die Münchener Innenstadt nach 20 Uhr. Alles klar: Union ist ein Favorit auf einen direkten Abstiegsplatz. So sehen es viele Beobachter. Ob in Podcasts (wie beispielsweise im Rasenfunk) oder in statistischen Saisonprognosen (beispielsweise bei GoalImpact).

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GoalImpact-Prognose, Bild via Mastodon

Alles nur Schwarzmalerei? Wohl kaum. Dabei kann man Horst Heldt sicher nicht vorwerfen, die Kaderbaustellen nicht angegangen zu sein. Die Mannschaft wird seit einem Jahr kontinuierlich verjüngt, manch teure Spieler sind gegangen (aber nicht alle, gerade im viel kritisierten zentralen Mittelfeld). Auf der linken Außenbahn wurde mit Derrick Köhn eine Verstärkung geholt, die dort dringend benötigt wird. Nicht nur mit diesem Transfer wurde das Thema Tempo bearbeitet.

Aber man tritt dem Manager sicher nicht zu nahe, wenn man den Kader auch als etwas uninspiriert bezeichnet. So wie es Unions Männer-Team seit gut zwei Jahren an einer konsequent eingeübten und verfolgten Spielidee fehlt, so präsentiert sich auch der Kader. Konnte man sich in Spielzeiten zuvor noch sicher sein, dass die individuelle Qualität des Kaders auf jeden Fall die von mindestens drei anderen Bundesliga-Mannschaften übertrumpfen würde, so fällt dieses Gedankenspiel vor dem Start der aktuellen Bundesliga-Saison schwer. Sehr überspitzt gesagt: Wenn du nicht weißt, wer die Gurkentruppe ist, bist du vielleicht die Gurkentruppe.

Ich teile die Beobachtungen und die Kritik. Was ich nicht teile, ist die Schwarzmalerei. Diese Mannschaft kann zusammenfinden und Serien produzieren. Das Problem sind nicht Angreifer (da dürften Ilic, Ansah, Burke für verschiedene Situationen gut ausgewählte Stürmer sein, die auch gemeinsam für eine zweistellige Anzahl an Toren gut sind). Das Problem ist die fehlende Variabilität im Spielaufbau, teilweise der fehlende Mut im Spiel nach vorne (sei es im direkten Spiel oder in der Positionierung). Themen, von denen ich tatsächlich dachte, dass sie im Sommer angegangen werden.

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Verstärkung für die linke Außenbahn: Derrick Köhn, Foto: Matthias Koch

Union hat (noch) eine herausragende Defensive

Union kann sich (noch) auf eine individuell herausragende Abwehr verlassen, gerade im Zusammenspiel mit den Keepern Rönnow oder Raab. Hier kneift uns das noch geöffnete Transferfenster, das sich von einem Fenster der Möglichkeiten zu Beginn der Vorbereitung zu einer Furcht-Option kurz vor Ende des Sommers verwandelt hat. Die Angst vor einem Abgang von Leite und Doekhi wird uns bis Anfang September begleiten. Bei Leite sehen wir jetzt schon ein fast unwürdiges Transfer-Theater.

„Sebastian, aber woraus speist sich denn deine Zuversicht konkret?“ Ich glaube, dass Union Stand jetzt weiter eine sehr unangenehm zu bespielende Mannschaft ist. Das Team kann defensiv auf funktionierende Mechanismen zurückgreifen. Ich mag Querfeld im Abwehrzentrum und die Idee mit Rothe als linken Innenverteidiger. Die Standards sind variabler geworden. Und ich sehe weiter, dass diese Mannschaft im Wettkampfmodus gut funktionieren kann. Ich vermute, dass die Rückkehr von Aljoscha Kemlein mehr Möglichkeiten im zentralen Mittelfeld eröffnet. Vor allem glaube ich aus Erfahrung an das Thema Fehlerkorrektur im laufenden Prozess bei Union.

Wofür steht Unions Männer-Team sportlich in der Bundesliga?

Das alles kann für den Klassenerhalt reichen. Aber diese Zuversicht macht nicht, dass der Klassenerhalt sicher erreicht wird. Union wird in dieser Saison tief stehende Gegner knacken müssen, um das Ziel zu erreichen. Das bedeutet: Steffen Baumgarts Team muss mit Ballbesitz etwas anfangen können und darf sich nicht im U des Todes verfangen.

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Vision und Umsetzung für die Männer-Mannschaft: Dafür sind Horst Held und Steffen Baumgart verantwortlich, Foto: Matthias Koch

Aktuell fehlt mir die Antwort darauf, wofür Union sportlich in der Männer-Bundesliga steht. Und das ist ehrlich gesagt nie gut, wenn man das nicht weiß. Denn das sind Standardfragen: Was wollen wir erreichen und wie? Interessanterweise kennen wir die Antwort beim Frauen-Team. Auch beim Thema Entwicklung der Infrastruktur und oder auch Fankultur ist klar, wofür Union steht.

Mein Fazit ist das Gegenteil eines Hot Takes: Es ist nicht alles so klar, wie manche Beobachter das sehen. Ganz im Gegenteil: Ich erwarte eine enorm spannende Saison in der Männer-Bundesliga für das Team von Steffen Baumgart. Aber Union muss auch seine Hausaufgaben erledigen, damit das Ziel Klassenerhalt wirklich geschafft wird.

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