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·19. Juli 2023

England-Star: "Dass mein Vater im Knast sitzt, hat meine Karriere beflügelt"

Artikelbild:England-Star: "Dass mein Vater im Knast sitzt, hat meine Karriere beflügelt"

In seiner neuen Amazon Prime Doku "Kalvin Phillips: The Road To City” packt der englische Mittelfeldspieler über seine schwierige Kindheit aus.

Kalvin Phillips (27) hat einige turbulente Jahre hinter sich. In der Saison 2019/20 spielte er mit Leeds United noch in der zweitklassigen Championship. Gerade mal ein Jahr und ein Aufstieg in die Premier League später führte er als Stammspieler die englische Nationalmannschaft ins Finale der Europameisterschaft 2021.


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Nach einer weiteren Saison bei Leeds United wechselte er für die kolportierte Ablösesumme von 49 Millionen Euro zu Manchester City und gewann dort auf Anhieb das Triple, wenngleich er auch aufgrund von Verletzungen eine sehr untergeordnete Rolle in der Mannschaft von Pep Guardiola spielte.

Eine Familiengeschichte, die unter die Haut geht

Nun rollt er in seiner eigenen Amazon Dokumentation seinen Weg zum Fußballprofi auf und blickt auf eine harte Kindheit zurück. Der 27-Jährige wuchs als ältestes von vier Kindern in einer benachteiligten Wohnsiedlung in Leeds weitgehend ohne seinen Vater auf. Mark Phillips, der im Laufe von Kalvins Leben wegen Gewalt- und Drogendelikten immer wieder im Gefängnis saß, verbüßt derzeit eine 12-Jährige Haftstrafe. Er hat den kometenhaften Aufstieg seines Sohnes vom Akademiespieler zum Premier-League- und England-Star verpasst. Die Aussichten vom City-Spieler auf eine Profikarriere waren nicht gut und dennoch hat er es geschafft.

"Mein Antrieb kommt wahrscheinlich daher, dass ich keine Vaterfigur hatte", blickt Phillips in der Doku auf seinen Werdegang zurück. "Mein Vater war immer wieder im Gefängnis. Das hat sich auf unsere Beziehung ausgewirkt, weil wir ihn nicht immer gesehen haben. Ich möchte eine bessere Beziehung zu ihm haben. Als er wegging, wussten wir, dass er eine Zeit lang nicht zurückkommen würde, und das war das Schlimmste."

Kalvin wurde als Drilling geboren, doch eines der beiden Mädchen starb. Mutter Lindsay Crosby, die später noch eine Tochter und einen jüngeren Sohn bekam, hatte zwei Jobs, um über die Runden zu kommen. Sie arbeitete von 9 bis 15 Uhr in einem Geldtransport, ging nach Hause, um das Abendessen für die vier Kinder zu kochen, und arbeitete dann von 19 bis 24 Uhr in einem Pizzaladen.

Lindsay tat auch ihr Bestes, um die Kinder vor der Wahrheit über ihren Vater zu schützen. In dem Dokumentarfilm erklärt sie: "Ich habe versucht, vieles vor den Kindern zu verbergen, weil ich nicht wollte, dass sie denken, das sei in Ordnung. Ich habe immer gesagt, er sei zur Arbeit gegangen, weil ich nicht wollte, dass sie denken, es sei normal, sich so zu verhalten."

Karrierebeginn bei Leeds United

Der englische Nationalspieler wechselte im Alter von 14 Jahren in die Nachwuchsabteilung von Leeds United und kam schließlich 2015 als 19-Jähriger zu seinem Profidebüt und wurde einer der erfolgreichsten Spieler des Vereins.

Im Jahr 2020 wurde im Stadtzentrum von Leeds ein 12 Meter großes Wandgemälde des Spielers aufgestellt, das von dem Straßenkünstler Akse P19 gemalt wurde. "Es ist emotional, dieses große Wandbild mit seinem Gesicht zu sehen, wenn man durch die Stadt fährt", sagt Schwester Jade Charlton.

Während seiner Zeit im Gefängnis verfolgte Mark die Karriere seines Sohnes mit Stolz und die beiden telefonierten alle paar Wochen miteinander. Kalvin Phillips erinnerte sich in einem Interview mit der Times im Jahr 2020: "Er rief mich ein paar Wochen nach unserem Aufstieg an und sagte: 'Hör dir das an.' All die Leute, die im Gefängnis auf einen Anruf warteten, sangen (die Leeds-Hymne) Marching On Together und schlugen gegen die Wände. Es war verrückt."

Wie er mit der Gefängnisstrafe seines Vaters umgeht

Während Kalvin seine fußballerischen Fähigkeiten verfeinerte, verriet er seinen Mannschaftskameraden nicht, dass sein Vater im Wealstun-Gefängnis eingesperrt war, das nur wenige Meter vom Trainingsgelände von Leeds entfernt liegt.

"Als ich jung war, wollte ich nicht darüber reden, aber jetzt ist es so: 'Ja, mein Vater ist im Gefängnis'. Es ist keine so große Sache."

"Wenn mein Vater freigelassen wird, möchte ich einfach versuchen, ein besseres Verhältnis zu ihm zu haben, damit er nicht das Gefühl hat, etwas verpasst zu haben."

Er beichtet, dass er seinen Vater seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hat und deswegen Schuldgefühle hat: "Es war seltsam, denn jedes Mal, wenn ich dort vorbeifuhr, musste ich an ihn denken."

Weiter führt der 27-Jährige aus: "Ich hätte mehr tun können, um meinen Vater zu sehen, aber ich bin sehr beschäftigt, und um ehrlich zu sein, hat er gesagt, dass er nicht möchte, dass wir ihn besuchen, weil er nicht will, dass wir ihn im Gefängnis sehen, und er möchte nicht, dass wir in seiner Umgebung sind.

"Natürlich hat er einige falsche Entscheidungen getroffen, aber ich verurteile ihn nicht dafür, denn ich habe von seiner Erziehung gehört, die sehr hart war. Als er jünger war, wurde er häufig rassistisch beschimpft."

Wechsel zu Manchester City

Nach seinem Wechsel zu Manchester City zog Kalvin mit seiner Jugendliebe Ashleigh Behan in eine luxuriöse Penthouse-Wohnung mit Blick auf das Etihad-Stadium.

In dem Dokumentarfilm sagt er: "Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Glück haben würde, in einem solchen Haus zu leben, vor allem, wenn man es mit dem vergleicht, in dem ich wohnte, als ich jünger war."

Die Wichtigkeit seiner Oma

Die Oma von Kalvin Phillips starb vor zwei Jahren, und die Familie durfte sie wegen des Corona-Lockdowns nicht persönlich im Krankenhaus besuchen, konnte aber Videoanrufe tätigen.

"Ich vermisse meine Oma jeden Tag. Ich verdanke Oma Val wahrscheinlich alles, was ich im Moment habe. Meine Oma ist der einzige Grund, warum ich hier bin. Ich weiß noch, wie sie im Krankenhaus lag und nach Luft rang, und wir sagten: 'Wir lieben dich'. Wir wussten, dass es das letzte Mal war, dass wir das Gesicht unserer Oma sehen würden. Wenn ich mein ganzes Geld verschenken könnte, um noch eine Stunde mit ihr zu verbringen, würde ich das tun.

Schwierige Phase bei Manchester City

In einem bezeichnenden Moment kehrt Kalvin an seinen Heimatort Elland Road in Leeds zurück, kurz nachdem er von Manchester Citys Trainer Pep Guardiola als "übergewichtig" bezeichnet und beim Carabao-Cup-Spiel gegen Liverpool im Dezember nicht berücksichtigt wurde. Er wird von den Fans mit Sprechchören verspottet: "Du bist zu fett, um für Leeds zu spielen".

Doch während viele Premier-League-Spieler auf die Beleidigung mitleidig reagiert hätten, lächelt der freche Kalvin und applaudiert den Zuschauern für ihre Sticheleien.

Trotz kometenhaftem Aufstieg auf dem Boden geblieben

Während des einstündigen Films, der über ein Jahr lang gefilmt wurde, zeigt sich Kalvin bodenständig, plaudert mit Fans und posiert mit ihnen für Selfies vor dem Etihad Stadium.

Kindheitsfreund Liam Duggan besteht darauf, dass Ruhm und Reichtum ihm nicht den Kopf verdreht haben. "Kalvin hat ein unglaubliches Talent, und er kommt aus dem Nichts. Er hat für das, was er hat, gearbeitet und hat sich nie verändert. Das ist ein tolles Beispiel für Kinder, die in seine Fußstapfen treten wollen."

Wiedersehen mit dem Vater

Nach einem holprigen Start bei City gibt es Gerüchte, dass er vor der nächsten Saison wechseln könnte, möglicherweise als Ersatz für Declan Rice (24) nach dessen Wechsel von West Ham zu Arsenal.

Doch wo auch immer er in zwei Jahren spielen wird, er wird auf einen ganz besonderen Zuschauer in der Menge achten. Der Dokumentarfilm gipfelt darin, dass Kalvin seinen Vater zum ersten Mal seit sieben Jahren im Gefängnis besucht. Er will die verlorene Zeit unbedingt nachholen, wenn Mark entlassen wird.

Kalvin sagt: "Er hat nur noch zwei Jahre im Gefängnis und er hat mir genau gesagt, was er tun will, wenn er freigelassen wird, nämlich Fußball schauen. Das ist eine Sache, bei der ich ihm helfen kann. Es wird schön sein, denn ich habe ihn schon so lange nicht mehr gehabt."

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