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·21. Juli 2025

EM 2025: Kett-Reaktion! DFB-Frauen arbeiten sich ins Turnier

Artikelbild:EM 2025: Kett-Reaktion! DFB-Frauen arbeiten sich ins Turnier

Die DFB-Frauen schlagen Frankreich nach langer Unterzahl in einem wohl historischen und epischen Viertelfinale. Acht Dinge, die auffielen.

Es war gewiss kein fußballerisches Feuerwerk, das Deutschland und Frankreich am Samstagabend boten. Technisch und zu großen Teilen auch taktisch fiel die Partie im Vergleich zu den anderen drei Viertelfinals über weite Strecken deutlich ab.


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Und doch war es wohl mit Abstand das epischste K.-o.-Duell der EM 2025 – bisher. Die abermals frühe Rote Karte für Kathrin Hendrich, die im Verbund mit dem sofortigen Rückstand per Elfmeter alle Halbfinal-Hoffnungen der Deutschen im Keim zu ersticken schien, entpuppte sich als Katalysator für ein spektakuläres Comeback.

Sicherlich begünstigt durch für ihre Verhältnisse schwache, weil ideenlose Französinnen. Vor allem aber herbeigeführt durch einen nahezu heroischen Kampf der DFB-Frauen, an den man sich unabhängig vom weiteren Turnierverlauf noch lange erinnern wird. Acht Dinge, die auffielen.

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DFB-Frauen: Taktik kann auch mal egal sein

Aus taktischer Perspektive war die Grundidee von Christian Wück durchaus interessant. Der Bundestrainer reagierte auf den Ausfall von Carlotta Wamser mit der Hereinnahme von Franziska Kett, die links verteidigte. Sarai Linder wechselte dafür auf die rechte Seite. Auch in der Innenverteidigung nahm er aber eine Veränderung vor: Kathrin Hendrich startete auf der Position von Kapitänin Janina Minge, die wiederum ins Mittelfeld vorrückte.

Dafür blieb das deutsche Spiel ohne Zehnerin, denn weder Laura Freigang noch Linda Dallmann spielten von Beginn an. Eine aus mehreren Perspektiven sinnvolle Entscheidung: Denn einerseits hatten beide im sehr flügellastigen System kaum Anbindung ans Spiel gefunden. Und andererseits bot das neue Dreiermittelfeld eine größere Physis für die Arbeit gegen den Ball. Darauf sollte wohl der Fokus liegen.

Minge hätte im 4-3-3 als Ankersechserin dabei helfen können, dass die Halbräume besser verteidigt werden, die in der Gruppenphase zu offen waren. Denn mit ihr im Rücken hätten Elisa Senß und Sjoeke Nüsken etwas breiter verteidigen können. In Umschaltsituationen wollte Wück mit Giovanna Hoffmann zudem eine sehr physische Wandspielerin haben, die Bälle festmacht und auf die schnellen Flügelspielerinnen verteilt.

Ob das funktioniert hätte, steht auf einem anderen Blatt. Erfahren werden wir es wegen des Platzverweises für Hendrich nicht. Dadurch veränderte sich die Spielanlage der Deutschen komplett. Vor allem aber hat die lange Zeit in Unterzahl abermals bewiesen, dass Taktik zwar wichtig ist, aber nicht immer entscheidend.

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Entscheidend war in diesem Spiel die nahezu unglaubliche mentale Leistung des Teams. Die Art und Weise, wie Lücken im System durch immense Laufbereitschaft geschlossen wurden und wie jede Spielerin über ihre eigene Grenze ging, sich in jeden Zweikampf warf. Aufopferungsvoll und heroisch kämpften die Deutschen um jeden Zentimeter des Platzes und trugen so dazu bei, dass Frankreich zu nahezu keinem Zeitpunkt in seinen Rhythmus fand.

Natürlich gehörte auch Glück zur deutschen Erfolgsgeschichte. Mehrfach wurde es gefährlich, zwei Tore wurden durch knappe, aber richtige Entscheidungen zurückgenommen. Genauso hatten die Französinnen aber Glück, als Nüsken einen Elfmeter verschoss. Es ist unstrittig, dass diese intensive und kraftzehrende Spielweise keinen nachhaltigen Erfolg über Jahre verspricht. Aber für dieses Turnier spielt das keine Rolle.

Taktische Tiefe und Komplexität hätte man sich im Vorlauf der EM erarbeiten müssen. Dafür ist es jetzt zu spät. Mit dieser Einstellung und diesem Teamspirit kann trotzdem noch mehr drin sein als das Halbfinale.

DFB-Frauen mit einer Kett-Reaktion

Eine große Rolle auf dem Weg zum Triumph gegen Frankreich spielten die individuellen Leistungen der Verteidigerinnen. Abgesehen von Hendrich, die dem Team mit ihrer zum Haare raufenden Tätlichkeit einen Bärendienst erwies, und Linder, die früh verletzt vom Platz musste, lieferten alle Verteidigerinnen ab.

Herauszuheben sind dabei aber zwei Leistungen. Franziska Kett vom FC Bayern München brachte die französische Offensive zur Verzweiflung. Lange Zeit gewann die Offensivspielerin, die in dieser Saison von Alexander Straus hin und wieder als Außenverteidigerin eingesetzt wurde, nahezu jeden Zweikampf. Insgesamt waren es elf von 17 gewonnen Duellen am Boden – wovon die meisten verlorenen in die Schlussphase fielen, als die Müdigkeit einsetzte.

Kett präsentierte sich in Bestform und hatte auch im eher dürftigen Offensivspiel der Deutschen noch mit die besten Ideen. In der 114. Minute ging es für sie wegen Krämpfen nicht mehr weiter, aber durch ihre leidenschaftlichen und aggressiv geführten Zweikämpfe schien sie im Team eine Kett-Reaktion auszulösen.

Janina Minge füllt die Gwinn-Lücke nach Kräften

Die zweite Leistung, die man defensiv hervorheben muss, ist die von Kapitänin Minge. Die Wolfsburgerin wächst bei diesem Turnier nochmal über sich hinaus und füllt die Rolle, die Giulia Gwinn nach ihrer Verletzung auf dem Platz hinterlassen hat, nach Kräften.

Minge zeigte eine unglaubliche Präsenz im Defensivspiel, ließ viele Angriffe Frankreichs auflaufen und war der sichtbare Dreh- und Angelpunkt der deutschen Defensive. Gerade in der Anfangsphase, die das Team früh hätte brechen können, übernahm sie große Verantwortung.

Während Gwinn ihrer Rolle als Kapitänin neben dem Platz weiterhin nachkommt und der verlängerte Arm von Wück zu sein scheint, beweist Minge, dass sie zu Recht als Vizekapitänin in dieses Turnier gegangen ist.

DFB-Frauen: Die Schüller wird (noch) nicht zur Meisterin

Zu Recht als Stammspielerin in die Europameisterschaft ging auch Lea Schüller. Die Stürmerin des FC Bayern hatte eine überragende Form, bevor das Turnier in der Schweiz startete. Bei den Münchnerinnen traf sie nach Lust und Laune und auch in den Testspielen des Nationalteams hinterließ sie Eindruck.

Statistisch war ihre Gruppenphase angesichts des Systems und des wenig inspirierenden Offensivspiels des Teams auch nicht schlecht. Immerhin zwei Tore gelangen ihr. Sonst war sie aber weitestgehend abgemeldet. Ärgerlich für Schüller: Giovanna Hoffmann zeigte eine ordentliche Leistung gegen Frankreich und tat genau das, wofür sie von Wück aufgestellt wurde. Sie nervte die Französinnen mit Körperlichkeit, Laufstärke und Aggressivität.

Wück scheint sich von der Idee verabschiedet zu haben, dass sein Team mit Offensivfußball und langen Ballbesitzphasen zum Erfolg kommen kann – was vor dem Hintergrund der bisherigen Leistungen die richtige Entscheidung ist. Auch wenn sich der Trainer fragen muss, warum er das Team fußballerisch in keine bessere Ausgangslage bringen konnte.

Für Schüller aber ist das bitter. Denn obwohl sie in Topform war, fand Wück keine sinnvolle Einbindung für sie. Damit geht die unglückliche Nationalelf-Karriere der Stürmerin weiter. Gegen Spanien wird Wück wohl wieder auf die Physis von Hoffmann setzen.

Klara Bühl: Noch nicht ihr Turnier

Unglücklich ist auch das Stichwort für Klara Bühl. Denn eigentlich liefert sie in allen Bereichen Topwerte. Dribblings, Einfluss auf Offensivaktionen, generell Aktionen im Spiel – Bühl ist zweifellos Weltklasse. Nur bei den Torbeteiligungen hapert es.

Immerhin: Gegen Frankreich führte ihre Ecke zum wichtigen 1:1. Ihr erster Assist im Turnier. Darüber hinaus wartet sie aber noch auf die Möglichkeit, diesem Turnier ihren Stempel endgültig aufzudrücken. Gegen Frankreich lief sie zwei-, dreimal klug in die Tiefe, doch Jule Brand schaffte es bei allen Versuchen, ihren Pass ins Nirwana zu spielen.

Noch ist es kein Klara-Bühl-Turnier. Und doch wartet man schon seit dem ersten Spiel darauf, dass dieser Knoten endlich platzt. Denn sie scheint nah dran zu sein. Vielleicht ja ausgerechnet im Halbfinale gegen Spanien.

Von Titan zu Titanin: Ann-Katrin Berger beeindruckt sogar Oliver Kahn

Hoffnungsträgerin gegen die Weltmeisterinnen ist zudem Ann-Katrin Berger. Die 34-Jährige setzte dem epischen Fight der Deutschen am Samstag die Krone auf – mit einer der beeindruckendsten Torhüter*innen-Leistungen in der jüngeren Vergangenheit. Neun Paraden, zwei parierte Elfmeter und oben drauf verwandelte sie selbst vom Punkt.

Hinzu kamen zahlreiche Situationen, in denen sie das Spiel mit dem Ball am Fuß kurzzeitig beruhigen konnte. So streitbar zudem Zeitspiel ist, so wichtig waren auch diese Momente für das deutsche Team. Berger strahlte eine Ruhe aus, die nach ihrer schwächeren Leistung gegen Schweden und der Unruhe, die auch durch den Trainer entfacht wurde, umso mehr beeindruckt hat.

Bei der Torhüterin merkt man, dass sie in ihrem Leben vor allem abseits des Platzes schon zu viel durchgemacht hat, als dass sie auf dem Platz irgendetwas aus der Fassung bringen könnte. Davor muss sogar Torwart-Titan Oliver Kahn seinen Hut ziehen. „Für mich war das bis jetzt die Parade des Turniers“, sagte er im Gespräch mit Sky über die spektakuläre Parade Bergers in der Verlängerung.

Und weiter: „Der ist technisch, koordinativ schwer zu halten, weil du rückwärts läufst. Du musst die Flugbahn des Balles einschätzen, läufst rückwärts, musst dann noch rückwärts abspringen, was auch nicht einfach ist und den Ball noch vor der Linie bekommen.“ Das sei „Weltklasse“ gewesen, so die Bayern-Legende.

Keine Angst vor Spanien

Eine derartige Torhüterinnen-Leistung wird es voraussichtlich auch gegen Spanien brauchen. Die Weltmeisterinnen stellen mit 16 Toren und 12,6 erwarteten Toren (via FBref) die mit Abstand beste Offensive. Ihr strukturiertes, schnelles Kombinationsspiel wird Deutschland vor eine viel größere Herausforderung stellen als es Frankreich getan hat.

Und trotzdem müssen die DFB-Frauen keine Angst und auch keinen zu großen Respekt haben. Spanien mag auf dem Papier dominant auftreten, hat im Turnierverlauf aber auch Schwächen offenbart. Beim 6:2 gegen Belgien brauchten sie lange, um ins Spiel zu finden, Italien gestaltete die Partie ebenfalls eng und auch gegen die Schweiz tat sich der große Top-Favorit schwer.

Wenn Deutschland es schafft, ähnlich leidenschaftlich zu verteidigen wie gegen Frankreich und die Kontersituationen klüger und präziser auszuspielen, haben sie eine gute Chance auf den Finaleinzug.

EM 2025: Jetzt schon ein Erfolg für Deutschland, aber …

Unabhängig davon, wie das Turnier ausgeht, ist die EM 2025 aber jetzt schon ein Erfolg für Deutschland. Dass man mit diesem Kader die Chance hat, weit zu kommen, ist keine große Überraschung. Der Weg ins Halbfinale war mit Polen, Dänemark, Schweden und nun Frankreich aber knüppelhart.

Nicht wenige Expert*innen prognostizierten im Vorfeld eine komplizierte Gruppenphase und spätestens das Aus im Viertelfinale – auch die Miasanrot-Redaktion stellt hier keine Ausnahme dar. Und tatsächlich lief das Turnier ja alles andere als rund für die DFB-Frauen. Umso beeindruckender ist das Ergebnis aber.

Unter die besten Vier zu kommen, obwohl das Team taktisch und fußballerisch gemessen an ihrem Potenzial viel zu viele Limitationen hat, ist ein großer Erfolg. Denn die deutschen Frauen zählen nicht zu den drei, vier absoluten Top-Nationen in der Welt. Dass der Abstand aber nicht riesig zu sein scheint, macht Mut für die Zukunft.

Dafür muss man diese EM aber im Nachhinein unabhängig vom Ausgang richtig einordnen können – mit alle den strategischen und systematischen Schwächen die auf der Ebene des Teams von Spielerinnen bis zum Trainer zu sehen waren. Und mit allen strukturellen Schwächen, die der Fußball der Frauen in der Ausbildung von Trainer*innen und Spielerinnen an der Basis hat.

Der deutsche Erfolg bei dieser EM ist aus vielen Blickwinkeln großartig, darf aber keine Ausrede dafür sein, das zu verschleiern.

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