Treffpunkt Betze
·6. März 2025
Dr. Markwart Herzog: "Der FCK hat eine jüdische Tradition“

In partnership with
Yahoo sportsTreffpunkt Betze
·6. März 2025
Kaum jemand hat sich so tief in die Geschichte des 1. FC Kaiserslautern eingegraben wie Dr. Markwart Herzog. Der promovierte Religionsphilosoph hat sich in seinem Buch "Der 'Betze' unterm Hakenkreuz“ intensiv mit den Roten Teufeln in der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Im Interview mit Treffpunkt Betze spricht das Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur über seine Recherchen, neue Erkenntnisse und die Rolle Fritz Walters.
Betze-News direkt aufs Smartphone? Kein Problem mit unserem Whatsapp-Channel: https://bit.ly/betze_whatsapp
Treffpunkt Betze: Hallo Herr Dr. Herzog, erzählen Sie uns etwas über sich. Wie sind Sie zum FCK gekommen?
Dr. Markwart Herzog: Mein Vater hasste Fußball. Wir durften früher eigentlich nicht Fußball spielen, mussten sogar die kurzen Hosen unter den normalen Klamotten tragen, um dann heimlich auf einem Acker kicken zu können. Später wurde ich gelegentlich von einem Freund der Familie ins lokale Stadion zum VfR Heilbronn mitgenommen, habe mich dann doch für den FCK entschieden. Wahrscheinlich, weil die 'Klopper vom Betzenberg' jede Saison totgesagt wurden und doch immer wieder dem Schicksal ein Schnippchen schlugen.
Mein erstes FCK-Spiel war im Stuttgarter Neckarstadion (Anm. d. Red.: am 31.05.1975), als der VfB unbedingt gewinnen musste, um nicht abzusteigen. Doch der FCK schaffte dank Hannes Riedl einen seiner seltenen Auswärtssiege und die Stuttgarter stiegen zwei Spieltage später ab. Ein weiteres Spiel ist das legendäre 2:0 gegen die Bayern in der Aufstiegssaison 2010/11.
Treffpunkt Betze: In Ihrem Buch "Der 'Betze' unterm Hakenkreuz“ schreiben Sie über die Verstrickungen zwischen dem NS-Regime und den Roten Teufeln. Wie muss man sich den Betze in dieser Zeit vorstellen? Welche Personen prägten den FCK in dieser Zeit?
Dr. Markwart Herzog: Der 1. FC Kaiserslautern verhielt sich wie viele andere Vereine opportunistisch. Am 9. April 1933 beschlossen 14 Vereine, die an der Endrunde zur süddeutschen Meisterschaft teilnahmen, darunter auch der FCK, ihre jüdischen Mitglieder auszuschließen. Der FCK war der erste Verein, der diesen Arierparagraphen einführte und damit eine Vorreiterrolle einnahm. Eine entscheidende Persönlichkeit war der damalige Vorstandsvorsitzende Ludwig Müller. Als Funktionär ging er den antisemitischen Weg der Gleichschaltung mit, um das Beste für den Verein herauszuholen.
Als Privatmann pflegte er aber weiterhin Kontakte zu jüdischen Mitgliedern und nahm sie auch zu Auswärtsspielen mit. Das sind neuere Erkenntnisse, die mich gezwungen haben, Passagen meines Buches zu revidieren. Aber eines bleibt untrennbar: der FCK und seine jüdischen Akteure. Als Fritz Walter mit acht Jahren zum FCK kam, hatte der FCK einen jüdischen Schriftleiter, einen jüdischen Mannschaftsarzt, jüdische Sponsoren - eben eine jüdische Traditionslinie. Walter selbst verweigerte beispielsweise in Briefen stets den Hitlergruß.
Treffpunkt Betze: Was können wir als FCK-Gemeinschaft tun, um dieses jüdische Erbe im Verein zu bewahren?
Dr. Marktwart Herzog: Ich war einmal in einer großen Berufsschule in Kaiserslautern eingeladen, um über den Nationalsozialismus zu sprechen. Die Veranstaltung war freiwillig und trotzdem war die Aula sehr gut besucht. Und obwohl am Ende meines Vortrags die Glocke läutete, blieben alle sitzen und beteiligten sich an einer spannenden Diskussion über den FCK und den Nationalsozialismus. Das war ein Schlüsselerlebnis für mich. Man kann und sollte das Thema konstruktiv aufgreifen und öffentlich verarbeiten. Stefan Kuntz hatte mich zum Beispiel gebeten, im Stadionmagazin über die jüdischen Mitglieder des Vereins aufzuklären und zu informieren. Das "Thema FCK im Nationalsozialismus" hat großes Potenzial.