Dominik Roßdeutscher: Man will ja nicht mit 26 sterben | OneFootball

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·17. März 2023

Dominik Roßdeutscher: Man will ja nicht mit 26 sterben

Artikelbild:Dominik Roßdeutscher: Man will ja nicht mit 26 sterben

„Nur ein halbes Jahr später und ich wäre tot gewesen“, erinnert sich Dominik Roßdeutscher an die Routineuntersuchung beim Betriebsarzt, die sein Leben retten sollte. Die kurz darauffolgende Diagnose: Leukämie. Heute hat der 27-Jährige den Krebs besiegt, am 28. April jährt sich das Datum seiner Stammzellentransplantation. Inzwischen blickt er optimistisch in die Zukunft, doch hinter ihm liegt eine schwierige und kräftezehrende Zeit, durch die ihn seine Familie, seine Freunde und auch seine Leidenschaft für Schalke 04 begleitet haben.

Im Dezember 2021 muss der Auszubildende zur medizinischen Kontrolle. Dominik steckt mitten in der Lehre zur Fachkraft für Kreislauf- und Müllwirtschaft. Der Termin beim Betriebsarzt – reine Routine. Doch es kommt ganz anders. „Meine Blutwerte waren extrem schlecht, was sich niemand erklären konnte, zumal ich keinerlei Symptome hatte.“ Weil sich der Arzt keinen Reim darauf machen kann, überweist er Dominik ins Krankenhaus, dort nimmt man ihn nach dem Jahreswechsel gründlich unter die Lupe. Ein erster Verdacht wird schnell zur Gewissheit und zieht dem Schalker den Boden unter den Füßen weg.


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„Erst ein paar Tage zuvor habe ich mit meinen Kumpels noch Silvester gefeiert, und am 3. Januar erfahre ich, dass ich Blutkrebs habe.“ Zudem eine besonders aggressive Variante, weshalb kurz nach der Diagnose sofort die Therapie beginnt. „Zehn Tage volles Programm Chemo“, erinnert sich der Bochumer an diese schockierende erste Zeit. Die Behandlung scheint anzuschlagen, es sind nur noch zehn Prozent Krebszellen im Körper. Doch eine Woche später schnellt der Wert schon wieder auf 50 Prozent hoch. Eine Stammzellentransplantation ist unausweichlich.

Mitte Februar startet die DKMS einen Aufruf zur Spendersuche, auch Dominik wendet sich über seinen Instagram-Account an die Öffentlichkeit. Sein Hilferuf geht wie ein Lauffeuer durchs Netz, denn allein durch sein Hobby ist der sympathische S04-Fan vielen bekannt. Seit zwölf Jahren pfeift er als Schiedsrichter im Kreis Bochum. „Mit 15 wollte ich mir ein bisschen Taschengeld dazu verdienen, aber zum Zeitungen-Austragen hatte ich keine Lust.“ So ging er unter die Spielleiter und ist bis heute mit Begeisterung dabei. „Allein über die Schiedsrichterei wurden fast 10.000 Menschen auf mein Schicksal aufmerksam.“

Auch Schalke hilft! erfährt von Dominiks Kampf gegen den Krebs, teilt den Aufruf zur Spendersuche, ebenso Spieler wie Sebastian Polter oder Henning Matriciani. „Sogar aus Österreich und der Schweiz meldeten sich Menschen bei mir. Sie wollten mir einfach alle Gute wünschen oder suchten Rat, weil sie selbst gerade eine ähnliche Diagnose erhalten haben.“ Dominik geht offen mit seiner Geschichte um, verkriecht sich nicht, macht anderen Betroffenen Mut und inspiriert mit seinem Optimismus. „Ich war im Radio, in der Zeitung und sogar bei RTL.“

Bingo! Im März ist ein Spender ermittelt. „Ich weiß nur, dass er aus Frankfurt stammt“, mehr darf Dominik über seinen anonymen Lebensretter nicht wissen. Zur Behandlung geht er in die Uniklinik Essen. Vorbereitend auf die Transplantation muss sich Dominik einer anstrengenden Prozedur unterziehen. „Man zerstört quasi das Immunsystem, damit keine Krebszellen mehr vorhanden sind, aber dadurch hat der Körper auch keine Abwehr mehr.“ 500 Milliliter Spenderblut werden ihm verabreicht, klingt erst mal nicht nach viel. Doch Dominik hat sich intensiv mit seiner Krankheit beschäftigt und erläutert: „Das sind unglaubliche fünf Millionen Blutzellen.“ Dann heißt es warten und hoffen.

Wochen verbringt er in Isolation auf einer speziellen Station, bis sich seine Immunabwehr erholt hat. „Ich war allein in einem Zimmer, niemand durfte zu mir rein, lediglich die Ärzte und das Pflegepersonal, aber auch die nur in Schutzanzügen.“ Eine albtraumhafte Vorstellung. Ablenkung ist überlebenswichtig gegen trübe Gedanken und Einsamkeit. Insbesondere Serien und Fußball sind Dominiks Mittel der Wahl. Am 7. Mai erlebt er in seiner Isolation einen wahren Glücksmoment, den ihm sein Herzensclub mit dem furiosen Aufstiegsspiel gegen den FC St. Pauli beschert. „Ich habe das Spiel ganz allein in meinem Zimmer geschaut und hatte totale Gänsehaut, als es endlich perfekt war.“

Noch emotionaler wird es allerdings, als er endlich die Nachricht erhält, dass sein Körper die Spende angenommen hat. „Das war ein unglaublicher Moment, dieses Gefühl werde ich nie in meinem Leben vergessen.“ Doch er braucht weiterhin Geduld. Zurück daheim muss er sich erneut abschotten: „Ich hatte das Immunsystem eines Säuglings.“ Trotz aller Strapazen hält er sich an den ärztlichen Rat, verlässt selten die Wohnung, trägt Maske: „Man will ja nicht mit 26 sterben.“ Langsam und in kleinen Schritten findet er zurück ins Leben.

Zur Saison 2022/2023 ist es dann endlich so weit: Das Heimspiel der Königsblauen gegen Borussia Mönchengladbach verfolgt Dominik gemeinsam mit seinem Vater und seinem jüngeren Bruder Luc in der VELTINS-Arena. Vor seiner Erkrankung ist der Dauerkartenbesitzer zu jedem Spiel im Schalker Wohnzimmer und seit 2014 fährt er regelmäßig zu den Auswärtsspielen. „Mein Papa hat schon seit 40 Jahren eine Dauerkarte und mich bereits als Dreijährigen mit ins Stadion genommen.“ Da erübrigt sich die Frage, wie der gebürtige Bochumer zu Schalke kam: „Da wurde ich hineingeboren.“

Mittlerweile war er in allen Stadien der Liga, erst vor kurzem konnte er ein weiteres abhaken: „Wir sind mit dem Fanbus nach Berlin zum Spiel gegen Union gefahren.“ Doch wo er bisher noch nie war, das sind die Katakomben der Arena. Um das zu ändern, lud Schalke hilft! den genesenen Königsblauen zum Derby gegen Borussia Dortmund ein. „Das war schon ein Wahnsinnserlebnis, das alles mal in echt zu sehen“, schwärmt Dominik. „Vor dem Spiel waren die Spieler extrem fokussiert und nach dem Spiel wirklich nett und aufgeschlossen.“ Und einigen ist er schließlich auch persönlich bekannt, so auch S04-Chef-Coach Thomas Reis. „Wir kennen uns aus seinen Bochumer Zeiten, weil ich regelmäßig Jugendspiele dort pfeife.“ So freut sich Reis an diesem Abend nicht nur über die tolle Derby-Leistung seiner Mannschaft, sondern ebenso, dass Dominik den Krebs besiegt hat. Einige Siege sind eben wichtiger als andere.

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