feverpitch.de
·26. August 2025
Diego Simeone: Götterdämmerung in Madrid?

In partnership with
Yahoo sportsfeverpitch.de
·26. August 2025
Mit ausschweifenden Armbewegungen ist Diego „El Cholo“ Simeone schon mehrfach aufgefallen. Ob es um das Aufstacheln des Publikums, wildes Diskutieren mit dem Schiedsrichter oder die Demonstration seiner Manneskraft geht: Der Argentinier ist stets sehr gestenreich an der Seitenlinie unterwegs. Beim Abpfiff gegen Elche sind die Bewegungen kleiner, fast zaghaft, er winkt seine Spieler auf direktem Wege in die Kabine. Um die Colchoneros herum tobt das Metropolitano, nicht vor Freude, sondern vor Wut. Ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert entlädt sich nach dem 1:1 gegen den Aufsteiger über Griezmann und Co. Zwei Spiele, kein Sieg: Noch im August riecht es bei Atletico Madrid bereits nach Krise.
„Wir haben einen tollen Kader und glauben fest daran, Großes erreichen zu können“, hatte Geschäftsführer und Klub-Mitbesitzer Miguel Angel Gil Marin vor Saisonstart erklärt. Nach einem 1:2 zum Auftakt gegen Fast-Absteiger Espanyol und der Punkteteilung gegen den Aufsteiger Elche ist von diesem Optimismus nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil, Simeone – über fast anderthalb Dekaden unantastbar – wackelt auf einmal. Jahrelang war dessen pragmatischer – um nicht zu sagen hässlicher – Ansatz erfolgreich, das gab ihm Recht. Nun, nach vier Jahren ohne Titel und dem Gruppenaus bei der Klub-WM wird die Spielidee zunehmend in Frage gestellt.
Zumal es Atletico immer schwerer fällt, das Image des Underdogs weiterhin glaubwürdig zu verkaufen. Über 350 Millionen Euro wurden seit Sommer 2024 nur in Ablösen investiert. Niemand in Spanien gab mehr aus, nicht Real, nicht Barca. Wirklich überzeugt hat außer Julian Alvarez keiner der Neuzugänge. Auch dieser Umstand ist eine persönliche Niederlage für Simeone, der ein gehöriges Wörtchen bei Transfers mitzureden hat und bereits den 127-Millionen-Mann Joao Felix vergraulte. Nebenbei bemerkt soll der Argentinier selbst rund 40 Millionen Euro brutto pro Jahr verdienen und damit mehr als jeder andere in Spanien. Nicht Flick, nicht Alonso.
Im Gegensatz zum Finanziellen sind sportlich gesehen die fetten Jahre vorbei. Ein Umstand, der auch an den übrig gebliebenen Akteuren aus der Champions-League-Final-Ära zu erkennen ist. Koke und insbesondere Antoine Griezmann sind ein dunkler Schatten früherer Tage und haben eindeutig ihren Zenit überschritten. Doch Simeone vertraut seinen einstigen Helden weiterhin und bietet damit zusätzliche Angriffsfläche gegenüber der kritischen Madrider Medienlandschaft. Neue Gesichter, neue Ideen? Fehlanzeige!
Werden die Leistungen und vor allem Ergebnisse gegen Alaves und nach der Länderspielpause gegen Villareal sowie in der dann startenden Champions League nicht deutlich besser, könnte der Druck auf den ewigen Diego Simeone tatsächlich zu groß werden. Unter Umständen gesteht er sich selbst ein, dass er nicht mehr die Frische hat, sich und die Mannschaft neu zu erfinden. Es wäre nach knapp 15 Jahren nur menschlich und würde an seinem Legendenstatus nichts ändern. Zu viel hat er dem Arbeiterklub in Madrid gegeben. Ein würdevolles Winken zum Abschied, statt wildes Rudern mit den Armen, um sich irgendwie über Wasser zu halten, es ist möglich. Ob Diego Simeone aber tatsächlich der Typ dafür ist: fraglich.