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·3. Mai 2021

Die Trainersuche des 1. FC Köln: Es braucht eine Vision für die Zukunft

Artikelbild:Die Trainersuche des 1. FC Köln: Es braucht eine Vision für die Zukunft

Gastbeitrag von Denis (TrotzdemHier-Podcast)

„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“- dieses Bonmot des verstorbenen Bundeskanzlers Helmut Schmidt wird immer wieder spöttisch und applaus-heischend in diversen Fernseh-Talkshows, meist von eher wenig kreativ denkenden „Alt-Internationalen“, in die Runde geworfen, wenn irgendjemand einfordert, dass die Handlungen einer sportlichen Führung einem gewissen Plan und einer gewissen Struktur folgen sollten. Dies wird dann gemeinhin „Vision“ genannt: Eine Idee davon, für welche Idee von Fußball, für welche strategische Ausrichtung der eigene Club denn stehen solle. Genau das also, was dem 1. FC Köln seit Jahren fehlt.


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Um eines gleich vorweg zu nehmen: Der Geschäftsführer Sport, Horst Heldt, hat noch immer keine dankbare Aufgabe beim FC. Noch immer hat er mit sogenannten „Altlasten“ seiner (Vor-)Vorgänger zu kämpfen, die er zwar im Sommer teilweise von der Gehaltsliste streichen konnte, von denen, inklusive Anthony Modeste im Winter, aber ganze acht Spieler nur verliehen werden konnten und ab Sommer wieder zum Kader gehören werden. Den allermeisten dieser acht Spielern wird eher keine sportliche Zukunft im Kader des 1. FC Kölns beschieden sein.

Neuer Impuls von außen gesucht

Zudem kommt die Ungewissheit bezüglich der Liga-Zugehörigkeit und damit auch des Kerns der jetzigen Mannschaft. Denn es scheint fragwürdig, ob Spieler wie Ellyes Skhiri, Sebastiaan Bornauw oder Ondrej Duda den bitteren Gang in die 2. Bundesliga mit antreten würden – zumal der FC durch den Abstieg wohl zu Verkäufen gezwungen sein wird und diese drei durchaus Begehrlichkeiten geweckt haben dürften. Außerdem besitzen mit Marius Wolf eine tragende Säule sowie mit Salih Özcan und Elvis Rexhbecaj zwei wichtige Ergänzungsspieler keinen Vertrag mehr in Köln – ebenso wie, der Vollständigkeit halber, Vizekapitän Marco Höger und Kaderspieler Max Meyer.

Als wären das aber noch nicht der Unwägbarkeiten genug, muss Horst Heldt auch noch damit leben, dass eines der drei Präsidentenämter vakant werden könnte. Dies hat jedoch sicherlich weniger Auswirkungen auf den Spielbetrieb wie die andere große Vakanz: Jene auf dem Trainerposten. Da Friedhelm Funkel klar kommuniziert, dass er nur für den Rest der Saison zur Verfügung stehe und sich eine ganze Spielzeit nicht mehr zutraue, wird spätestens zu Beginn der Vorbereitung auf die neue Saison ein neuer Trainer benötigt. Da internen Angestellten wie etwa André Pawlak, Mark Zimmermann oder Stefan Ruthenbeck eher weniger Chancen eingeräumt werden, soll der Neue wohl ein Mann von außen sein.

Das Problem: ein fehlendes Trainerprofil

Auch dieser Neue wird sich mit all jenen oben dargelegten Unwägbarkeiten herumschlagen müssen. Daher ergibt es durchaus Sinn, dass Heldt sich nun bereits mit Kandidaten trifft und deren Bereitschaft und Vorstellungen abklopft. Am Donnerstag nannte Frank Lußem im „Kicker“ dann auch die drei Kandidaten, mit denen der Kölner Sportchef sich am ersten Mai-Wochenende treffen möchte: Peter Stöger, Steffen Baumgart und Thorsten Fink. Was die drei eint: Sie wären ab Sommer verfügbar. Was die drei nicht eint: eine gemeinsame Spielidee.

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Während Stögers Augenmerk in seinen ersten dreieinhalb Amtsjahren beim FC vor allem auf einer stabilen Defensive lag, hat Baumgart sich zu Erstligazeiten einen Namen dadurch gemacht, mit dem SC Paderborn selbst bei einem hohen Rückstand noch offensiv zu wechseln. Thorsten Fink hat beim FC Basel mit ruhigem Ballbesitz, der dann blitzschnell zu Ein-Kontakt-Fußball werden sollte, von sich reden gemacht. Was die drei immerhin gemeinsam haben, ist, dass sie bevorzugt mit Viererkette, Doppelsechs und zwei Stürmern spielen ließen, wenn auch in gänzlich anderen Ausrichtungen.

Welche Idee von Fußball will der FC verfolgen?

Aber genau darin liegt ja die Crux: Anstatt jetzt jene Trainer anzufunken, die gerade verfügbar sind – ob sie nun eine gemeinsame Idee von Fußball eint oder nicht – wäre es nicht sinniger, dass der Sportchef erst einmal festlegt, welches spielerische Profil der FC in Zukunft zeigen sollte? Denn in all den oben aufgezählten Unsicherheiten liegt ja auch eine Chance: Zum Beispiel muss Heldt ja womöglich ein komplett neues Mittelfeld zusammenstellen, in dem einzig Jonas Hector und der neu verpflichtete Jung-Kapitän von Rapid Wien Dejan Ljubicic als Fixpunkte verbleiben könnten.

Das kann, trotz der begrenzten Mittel, aber auch reizvoll für einen Sportvorstand sein: Heldt kann hier für die nächsten drei bis vier Jahre festlegen, welche Idee von Fußball das Kölner Mittelfeld verkörpern soll. Wünscht man eher einen technisch versierten Ballbesitzfußball oder doch lieber ein verdichtendes, zerstörendes Zentrum, das auf schnelle Ballgewinne und Umschaltmomente aus ist? Möchten die „Geißböcke“ weiterhin, trotz fortgeschrittenen Alters, das Mittelfeld um Hector herum aufbauen oder um Ljubicic? Oder um beide? Und wo soll Hector eigentlich genau spielen? Immer da, wo er gerade gebraucht wird?

Ganz ähnliche Fragen könnte man auch für die Viererkette stellen – gerade für die Innenverteidigung, wo am Geißbockheim mit Rückkehr Lasse Sobiech schon nicht mehr geplant wird und gegebenenfalls Bornauw und Jorge Meré abwandern könnten. Oder im Sturm, wo Modeste bereits hastig verliehen wurde und Emmanuel Dennis und Tolu Arokodare beide ebenfalls im Sommer nicht mehr unter Vertrag sind. Und letztlich muss man auch fragen, ob der FC mit Timo Horn im Tor weiter überdurchschnittliche Reflexe behalten, aber dafür jedwede Spieleröffnung von hinten einbüßen möchte.

Es ist die Vision, die fehlt

Zwar sind das natürlich Entscheidungen, die man auch mit einem Trainer gemeinsam fällen kann – aber es ist ja nun mal gerade kein Trainer da, weshalb Heldt die luxuriöse Position hat, anstatt Spieler für den Trainer zu holen (so wie man im Sommer und Winter gleich drei Spieler für Rechtsaußen verpflichtet hat, um „Gisdol-Fußball“ spielen lassen zu können), einen Trainer engagieren zu können, der zur vorhandenen sportlichen Vision passt. Und dann weitere Transfers auf ein Zusammenspiel von Vision und Trainer ausrichtet – und eventuell sogar einmal schaut, ob nicht auch einige der aus der Leihe zurückkehrenden Spieler in dieses neue Profil passen könnten.

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Aber genau diese Vision ist es, die dem FC bislang gefehlt hat. Für welchen Fußball standen denn die „Geißböcke“ in den letzten fünf Jahren? Die Antwort ist offensichtlich: immer für den, den der aktuelle Trainer gerade spielen lassen wollte. So wird Achim Beierlorzer sicherlich das eine oder andere Mal heimlich geflucht haben, dass er mit einem für Markus Anfang zusammengestellten Kader den ihm vertrauten Fußball aus der Red-Bull-Schule spielen lassen sollte.

Strukturierter Neuaufbau angesagt

Nun ist es aber gerade die Aufgabe des Geschäftsführers Sport, langfristige Visionen zu entwickeln und einen Club idealerweise personenunabhängig aufzustellen. Und gerade Horst Heldt pocht gegenüber Kritikern gerne darauf, mehr Ahnung von Fußball als diese zu haben. Deshalb wird sich der FC-Sportchef vor allem an diesem Transfersommer messen lassen müssen und für sich selbst entscheiden müssen, ob er lieber weiter von Trainer zu Trainer am Kader herumdoktern oder doch lieber in längerfristigen Strukturen denken möchte, die sich bestenfalls sogar von den U-Mannschaften in den Herrenbereich durchziehen. Sein im vergangenen Frühjahr vorzeitig verlängerte Vertrag bis 2023 befähigt ihn schließlich dazu, Dinge mittelfristig anzuschieben – und die Chance zum konstruktiven Neuaufbau ist durchaus vorhanden. Denn: Wer Visionen hat, soll zwar zum Arzt gehen – normalerweise trägt ein Arztbesuch aber auch zur Genesung bei.

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