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·3. Juli 2024

Die PSR der Premier League: Endlich Konsequenz oder der Sargnagel für kleine Vereine?

Artikelbild:Die PSR der Premier League: Endlich Konsequenz oder der Sargnagel für kleine Vereine?

Aktuell sorgt in England ein Transfergebaren zwischen einigen Teams der Premier League für Aufsehen. Insbesondere vier Vereine scheinen untereinander munter ihre Spieler zu tauschen. Der Grund: Die Einhaltung der Profit and Sustainability Rules soll gewährleistet werden. Aber sind diese Regeln überhaupt sinnvoll? Oder fallen sie massiv zum Nachteil der kleineren Vereine aus? Ein Streitgespräch.

Premier League: Worum geht es bei den PSR?

Ein Blick auf die Wechsel in der Premier League in den vergangenen Wochen könnte dem internationalen Fußballfan durchaus das ein oder andere Fragezeichen auf der Stirn beschert haben. Ian Maatsen geht vom FC Chelsea zu Aston Villa, Lewis Dobbin zieht es vom FC Everton ebenfalls nach Villa, Tim Iroegbunam wiederum verlässt Birmingham und geht an den River Mersey, während Omari Kellyman Villa ebenfalls den Rücken kehrt und seine neuen Zelte an der Stamford Bridge aufschlägt. Darüber hinaus wechselt Lewis Hall von den Blues zu Newcastle United. Das Tauschgeschäft zwischen Newcastle und Nottingham Forrest, welches Elliot Anderson nach Nottingham und Odysseas Vlachodimos inklusive 41 Millionen Euro zu den Magpies bringt, schlägt in die selbe Kerbe.


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Mitten im Epizentrum dieser Transferorgie stehen mit dem FC Chelsea, dem FC Everton, Aston Villa und Newcastle United also vier Vereine. Während man im ersten Moment noch von einem Zufall ausgehen könnte, erkennt man auf den zweiten Blick: Diese Wechsel sind absolutes Kalkül. Um die Profit and Sustainability Rules der Premier League einzuhalten, sind alle vier Klubs dringend auf schnelle Einnahmen angewiesen. Was genau es mit diesen Regeln auf sich hat, erfahrt ihr in diesem Artikel genauer.

Aber warum genau ist es überhaupt notwendig, die Finanzrichtlinien der besten Liga der Welt zu umgehen? Sind die an der Transfertrickserei beteiligten Teams nicht an einer soliden Wirtschaft interessiert, oder sind die PSR ein unfaires Konzept, das kleine Vereine benachteiligt und dringend mal überarbeitet werden müsste?

Darüber debattieren die 90PLUS-Redakteure Philipp Overhoff und Lukas Heigl.

Die PSR: Endlich mal ein Instrument, das greift!

Wie malerisch schön wäre eigentlich eine Fußballwelt, in der es Regeln gäbe, die das an Wahnsinn grenzende “Wirtschaften” einiger Vereine limitieren würde? Ach ja, diese Regeln existieren ja sogar. Dass man von der Umsetzung dieser Richtlinien so selten etwas mitbekommt, ist leider bezeichnend für den Zustand, in dem sich unser aller Lieblingssport mittlerweile befindet. Das von der UEFA eingeführte Financial Fairplay (FFP) stellt nichts weiter als eine Farce dar – das ist so ziemlich jedem Fan bewusst. Die auf dem Papier bestehenden Regeln werden entweder gar nicht, viel zu lax oder nur bei den kleineren Vereinen des europäischen Kontinents durchgesetzt.

Die Profit and Sustainability Rules der Premier League spiegeln im Vergleich dazu einen harten, aber durchaus angenehmen Kontrast wider. Denn anders als ihr Pendant auf europäischer Ebene kommen diese tatsächlich konsequent zur Anwendung. Erst in der vergangenen Saison wurden dem FC Everton und Nottingham Forrest im laufenden Ligabetrieb Punkte abgezogen. Dass dieses Prozedere beiden Vereinen fast die Ligazugehörigkeit gekostet hätte, ist hart, aber dennoch fair. Everton gab insbesondere in der zweiten Hälfte der 2010er Dekade absurde Summen für (schlechte) Transfers aus und ruinierte sich darüber hinaus mit absoluten Horror-Verträgen seine Gehaltsstruktur. Nottingham Forrest dagegen “erwirtschaftete” vor Beginn der Saison 2022/2023 als Aufsteiger ein Transferminus von sage und schreibe 190 Millionen Euro.

Es ist also nur logisch und nachvollziehbar, dass die Premier League ihren Klubs in Form der PSR vorschreibt, innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums maximal 105 Millionen Pfund Verlust machen zu dürfen. Neben der Garantie eines halbwegs fairen finanziellen Wettbewerbs bewahren Regelungen wie diese die Vereine vor einem wirtschaftlichen Selbstmord und verhindern, dass diese sich allzu sehr verschulden. Der FC Barcelona lässt grüßen!

Artikelbild:Die PSR der Premier League: Endlich Konsequenz oder der Sargnagel für kleine Vereine?

(Photo by Cameron Smith/Getty Images)

Teams wie der FC Chelsea, Newcastle United, Aston Villa oder der FC Everton finden sich nun selbstverschuldet in der Situation wieder, die Finanzregularien durch fadenscheinige Deals untereinander umgehen zu müssen. Die genannten Klubs stehen dabei exemplarisch für die wirtschaftliche Entwicklung, die die Liga in den letzten 20 Jahren genommen hat. Die 2013 eingeführten PSR der Premier League waren dementsprechend die einzig nachvollziehbare Reaktion.

Noch werden Chelsea und Co. mit ihrem Transfergebaren höchstwahrscheinlich durchkommen, da die Liga aktuell keinen rechtlichen Hebel besitzt, um ein solches Geschacher zu unterbinden. Doch die Premier League bewies schon einmal, dass die PSR dynamisch und nicht statisch sind. Noch vor wenigen Jahren konnten beispielsweise die Ablösesummen für Neuzugänge buchhalterisch über die komplette Vertragsdauer abgeschrieben werden, was dazu führte, dass vor allem der FC Chelsea seine Neuankömmlinge mit schwindelerregend langen Arbeitspapieren über sieben oder acht Jahre ausstattete.

Die Liga reagierte und schob dieser Praktik in der Zwischenzeit einen Riegel vor. Ähnliches dürfen wir daher auch in Bezug auf den aktuellen Trend der Transferticks erwarten. Denn die PSR sind endlich mal ein Finanzinstrument, das konsequent und ohne Rücksicht auf Verluste durchgreift. Und genau deswegen sind sie auch so wertvoll.

(Philipp Overhoff)

Fairer Wettbewerb wird verhindert

Ja, die Vereine haben in den letzten Jahren viel Geld ausgegeben und jetzt getrickst, um zu verhindern, dass ihnen das auf die Füße fallen kann. Ein solches Vorgehen wäre grundsätzlich zu verurteilen. Nicht jedoch dann, wenn die Regeln einen fairen sportlichen Wettbewerb verhindern. Und genau das ist bei den Finanz- und Nachhaltigkeitsregeln der Premier League der Fall. Denn die Big Six haben einen derart großen finanziellen Vorsprung (der Umsatz der Big Six liegt im Schnitt bei über 800 Millionen Euro und damit doppelt so hoch wie bei den ärgsten Verfolgern), dass es mit guter Arbeit und ohne das Verletzen der PSR nicht möglich ist, sich sportlich dauerhaft mit den Topteams zu messen und in Bereiche vorzustoßen, in denen der eigene Verein mehrfach in Folge um die Qualifikation für die Champions League mitspielen kann.

Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder gesehen, und wir sehen es auch aktuell an den beiden Beispielen Aston Villa und Newcastle United. Für Teams, die gut arbeiten und sich an alle Regeln halten, ist die Europa League das höchste der Gefühle, was die Beispiele West Ham United und ganz besonders Brighton & Hove Albion zeigen. Die Seagulls arbeiten europaweit seit Jahren wohl mit am besten, doch jedes Jahr werden ihnen die besten Spieler sowie Mitarbeiter weggekauft, mehr als Platz sechs ist nicht möglich, und das auch nur, wenn die Big Six straucheln.

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(Photo by GLYN KIRK/AFP via Getty Images)

Die beiden letzten Vereine, die es in den erlauchten Kreis der Topteams geschafft haben und sich dort auch etablieren konnten waren Manchester City und Tottenham. Beide Klubs schafften den Aufstieg noch vor Einführung der aktuellen Finanz- und Nachhaltigkeitsregeln. Unter den aktuellen Regeln wäre es für beide Teams – auch für die Spurs – schwer bis unmöglich gewesen, aus den Top Four eine Big Six zu machen.

Andere Optionen denkbar?

Regeln im Hinblick auf den Umgang mit den eigenen Finanzen per se sind dabei überhaupt nicht abzulehnen. Niemand will, dass plötzlich ein Verein in der Premier League Insolvenz anmelden muss, wie es in den niedrigeren Spielklassen in England durchaus immer wieder vorkommt. Aber zum einen wurde die Grenze von 105 Millionen Pfund maximaler Verluste über einen Dreijahreszeitraum seit Jahren nicht an die deutlich gestiegenen Umsätze der Vereine angepasst. Hier müsste man einen Quotienten einführen und keine fixe Zahl.

Zum anderen müssten die Regeln deutlich besser balanciert sein als im Moment. So ist das reine Betrachten des Umsatzes viel zu kurz gedacht bei der Frage, wie viel Geld die einzelnen Vereine ausgeben können. Manche Vereine haben besonders reiche Besitzer, die auch bereit sind, zu investieren (Newcastle oder Aston Villa zum Beispiel). Warum gibt man diesen Besitzern nicht die Möglichkeit, den Betrag, den sie über den Umsatz hinausgehend investieren wollen, auf ein Treuhandkonto der Premier League zu überweisen, um die Kostendeckung zu sichern? Dieses und ähnliche Konzepte wären deutlich sinnvoller, als eine starre Zahl zu nennen, die unverrückbar feststeht.

(Lukas Heigl)

(Photo by David Rogers/Getty Images)

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