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·21. Januar 2021

Die große Enttäuschung

Artikelbild:Die große Enttäuschung

Ist es wirklich ein Aufreger, dass offenbar Vorstand und Teile des Präsidiums die Aufklärung des Datenskandals behindern und an der Weitergabe der Daten beteiligt waren oder zumindest davon gewusst haben könnten? Also Stefan Heim, der als Finanzvorstand wohl keine 700.000,- EUR freigibt, ohne zu wissen, wofür. Also Jochen Röttgermann, in dessen Marketingressort die Ausgliederungskommunikation fiel. Also Rainer Mutschler, der damalige Projektverantwortliche der Ausgliederung. Und Dr. Bernd Gaiser, der womöglich als Intimus von Wolfgang Dietrich Einblick in alle Vorgänge gehabt haben könnte.

Nein, der Aufreger ist, dass Fehlverhalten vertuscht werden soll, wobei wir dies befürchten mussten nach den Erfahrungen der letzten Jahre, in denen wir belogen wurden. Aber eins wurde nun durch die Veröffentlichung von Marko Schumacher in der Stuttgarter Zeitung/Nachrichten und im kicker mehr als deutlich: Die eigene Position ist den Verantwortlichen wichtiger als die Mitglieder des VfB. Das Verhalten ist nicht nur Betrug an den Mitgliedern, das ist Betrug an der Wahrheit, das ist der Verrat an den Werten des VfB.


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Die eigentliche Enttäuschung aber ist, dass ein Hoffnungsträger wie Thomas Hitzlsperger daran beteiligt ist, obwohl er mit der Weitergabe der Mitgliederdaten nichts zu tun hat, aber offenbar Kollegen und Mitstreiter schützen möchte aus falsch verstandener Loyalität. Er scheint dabei das Credo seines ehemaligen Mentors Oliver Schraft übernommen zu haben: Jede vermeintliche Kritik rücksichtslos und rigoros als vereinsschädigend zu empfinden und mit allen (allen!) Mitteln dagegen zu kämpfen, ohne dabei zu merken, dass genau dieses Verhalten vereinsschädigend ist. Durch dieses Vorgehen wird das Vertrauen in die Personen und die Glaubwürdigkeit ihrer Handlungen untergraben, der gesamte Verein und die AG als unehrlich, manipulatorisch und intrigant entlarvt.

Warum konzentriert sich die Enttäuschung auf „The Hammer“? Weil die emotionale und moralische Fallhöhe bei ihm am größten ist. Bei vielen allen anderen in Verein sind die Erwartungen mittlerweile so gering, dass man kaum noch enttäuscht werden kann. Hitzlspergers bisheriges hervorragendes Standing war natürlich geprägt durch das einmalige Tor gegen Cottbus. Und aktuell durch die mehr als erfreuliche sportliche Entwicklung. Aber auch durch die Glaubwürdigkeit, Authentizität, Ehrlichkeit und Integrität, die er ausstrahlte und mit seinen Handlungen bis dato mit Leben erfüllte. Bisher konnte ich mir keinen besseren Repräsentanten meines VfB vorstellen als Thomas Hitzlsperger: Aufgrund seines Werdegangs und seines Engagements für gesellschaftliche Themen – und einfach weil ich ihn mag.

Hitzlspergers Rolle ist unrühmlich. Nicht nur ich, auch viele andere sind enttäuscht von ihm. Auch wenn er im Moment im Mittelpunkt der Kritik steht, weil er mit seiner Präsidentschaftskandidatur der Mit-Initiator der Kampagne gegen Claus Vogt ist, um Fehlverhalten unter den Teppich zu kehren: Die wahren Verantwortlichen sind andere. Sie verstecken sich hinter ihm und er hat sich zum Schutzschild für sie machen lassen. Diese schützende Hand muss er seinen Kollegen nun entziehen. Im Interesse seines persönlichen Rufes, im Interesse seiner Funktion als CEO – und im Interesse des VfB. Diese Größe traue ich Thomas Hitzlsperger zu.

Der VfB braucht darüber hinaus Ehrenmänner, die zu ihrer Verantwortung rund um den Datenskandal stehen, die Konsequenzen ziehen, um damit vom VfB weiteren Schaden zu nehmen. Diese personellen Verluste zu kompensieren wird nicht einfach werden für den VfB. Aber es ist alternativlos.

Zum Weiterlesen: „Der VfB steuert auf einen Totalschaden zu – jetzt müssen alle Fakten auf den Tisch“ von Danny Galm (ZVW). „Der Druck auf Hitzlsperger steigt“ in der Süddeutschen Zeitung „Als wäre er (= Dietrich) nicht weg gewesen“ bei Rund um den Brustring

Foto: Pressefoto Baumann Alexander Keppler Pool

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