Die emotionale Geschichte des Old Firm: Tragödien und brisante Duelle | OneFootball

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·5. April 2024

Die emotionale Geschichte des Old Firm: Tragödien und brisante Duelle

Artikelbild:Die emotionale Geschichte des Old Firm: Tragödien und brisante Duelle

Das Old Firm ist mehr als nur ein Derby. Es erzählt die Geschichte einer tief in der Gesellschaft verwurzelten und über Jahrzehnte gewachsenen Rivalität zwischen dem Celtic FC und den Rangers. In Teil III unserer Themenwoche blicken wir auf die größten Zwischenfälle rund um das Glasgower Stadtduell.

Old Firm: 438 Duelle, 438 Geschichten

Wenn die größten Vereine Schottlands aufeinandertreffen, herrscht Ausnahmezustand in Glasgow. Am 7. April stehen sich die Rangers und Celtic zum 439. Mal gegenüber. Logisch, dass so ein Spiel bereits unzählige Geschichten geschrieben hat. Nachdem wir bisher auf die Wurzeln der Rivalität sowie die sportliche Historie des Duells geblickt haben, widmen wir uns hier den bedeutendsten Zwischenfälle des Old Firm – auf und neben dem Platz.


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Die Geschichte des Derbys geht zurück bis ins 19. Jahrhundert, im ersten Duell bezwang Celtic die Rangers mit 1:0. Das erste traurige Kapitel gab es aber schon elf Jahre später. Am 5. April 1902 kam es zur ersten Ibrox-Katastrophe. Zwar standen sich nicht die Glasgower Spitzenteams gegenüber, doch beim Länderspiel der schottischen Nationalmannschaft gegen die englische Auswahl, kamen im Ibrox-Stadium (damals Ibrox-Park), der Heimstätte der Rangers, 25 Menschen ums Leben. Die Westtribüne gab unter der Last der Zuschauer nach, neben den Todesopfern wurden knapp 500 Fans verletzt. Der Regen am Vortag hatte dem Holzbau derart zugesetzt, dass er einstürzte. Die Katastrophe hatte Einfluss auf den gesamten britischen Fußball, im gesamten Vereinigten Königreich mussten die Zuschauerränge saniert und stabilisiert werden.

66 Tote und 200 Verletzte: Die zweite Ibrox-Katastrophe

Wenn man den Vorfall beim Länderspiel vor 122 Jahren in der Retrospektive als „erste“ Ibrox-Katastrophe bezeichnet, lässt sich bereits erahnen, dass eine weitere Tragödie folgte. So geschehen am 2. Januar 1971. Kurz vor Abpfiff des 205. Old Firm starben 66 Menschen, 200 wurden verletzt. Über den genauen Hergang herrschte zunächst Ungewissheit. Erste Berichte rekonstruierten das Desaster so: Nach dem späten Führungstor für Celtic sollen sich die Rangers-Anhänger in Scharen auf den Weg aus dem Stadion gemacht haben, eine Absperrung brach weg. Plötzlich glichen die Gastgeber in den Schlusssekunden doch noch aus, viele Fans machten kehrt in Richtung Tribüne. In diesem Durcheinander soll es zur Massenpanik gekommen sein, die so viele Menschenleben kostete.

Eine öffentliche Untersuchung verwarf diese Theorie jedoch, viel mehr soll ein Treppensturz für das Unglück verantwortlich sein. Einige Zuschauer sollen auf „stairway 13“, einem beliebten Ausgang, zu Fall gekommen sein und so eine Kettenreaktion ausgelöst haben. „Ich bin der festen Überzeugung, dass alles, was passiert ist, daran lag, dass jemand am unteren oder mittleren Ende der Treppe gestürzt ist und ein Dominoeffekt folgte“, beschrieb William Orr, einer der Überlebenden, die Geschehnisse gegenüber der BBC. Als Reaktion ersetzten die Rangers Steh- durch Sitzplätze und reduzierten die Kapazität auf 65.000 Zuschauer. Heute fasst das Ibrox noch knapp 50.000 Plätze.

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Rangers und Celtic in Trauer vereint: Zum 40. Jahrestag gedenken die Zuschauer der Opfer der Ibrox-Katastrophe. (Photo by Jeff J Mitchell/Getty Images)

Eine besondere Verbindung zu dieser Katastrophe hat Kenny Dalglish. Eine der größten Legenden des schottischen Fußballs stand 1971 noch am Anfang seiner Karriere und bei Celtic unter Vertrag. Am Tag des Unglücks war er auf der Tribüne. Für Dalglish, der vom jungen Rangers-Fan zur Celtic-Ikone wurde, nur der Anfang einer grusligen Serie. Während seiner Zeit beim FC Liverpool erlebte der Stürmer zwei weitere Tragödien aus nächster Nähe. 1985 kamen vor dem Europapokalfinale zwischen Juventus und den Reds im Brüsseler Heysel-Stadion 29 Menschen ums Leben. Auch beim Hillsborough-Desaster stand Dalglish auf dem Platz. Insgesamt erlebte der spätere Liverpool-Trainer 201 Todesfälle durch Stadionkatastrophen mit.

Auch auf dem Rasen kam es einst zum einem fatalen Zwischenfall. Bei einem Zusammenstoß am 5. September 1931 mit Rangers-Stürmer Sam English erlitt Celtic-Schlussmann John Thomson einen Schädelbasisbruch und verstarb wenig später. Bis heute verehren die Anhänger des 46-maligen schottischen Meisters Thomson als „Prince of Goalkeepers“ und haben ihm sogar einen Song gewidmet.

Das „shame game“ 2011: Kartenhagel und Fan-Randale

Was das Old Firm in Anhängern und Spielern emotional auslösen kann, zeigt ein Pokalspiel im Jahr 2011. Nachdem beide Fanlager am 2. Januar noch gemeinsam am 40. Jahrestag den Ibrox-Opfern gedachten, gab es vor dem Wiederholungsspiel im schottischen FA-Cup Anfang März 34 Festnahmen nach Auseinandersetzungen. Und das waren nur die Verhaftungen im Celtic Park, außerhalb der Arena wurden weitere 187 Fans festgesetzt. „Derbys sollten künftig hinter verschlossenen Türen stattfinden. Wir haben weder das Geld noch die Ressourcen, um solche Szenen zu kontrollieren”, fand der damalige Polizeipräsident Les Gray drastische Worte.

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Einer von drei Platzverweisen im „shame game“: Hier sieht Madjid Bougherra die rote Karte. (Photo by Jeff J Mitchell/Getty Images)

Das Spiel, das auch als „shame game“ in die Old-Firm-Historie einging, endete durch ein Tor von Mark Wilson 1:0 für Celtic, doch daran erinnert sich heute kaum noch jemand. Auf dem Spielfeld im Celtic Park war die Stimmung nicht weniger hitzig als auf den Rängen. Schiedsrichter Calum Murray zückte gleich 13 gelbe Karten und schickte im zweiten Durchgang drei Akteure der Rangers frühzeitig duschen. Zudem gerieten  Celtic-Trainer Neil Lennon und Ally McCoist, damals Co-Trainer bei den Rangers, nach Abpfiff aneinander. Was als fairer Handshake begann, wurde schnell zu einem furiosen Wortgefecht. Für McCoist war der Disput mit Lennon jedoch schnell vergessen: „Wir haben ein paar Worte gewechselt und hinterher ein Bier zusammen getrunken.“

„Das war ohne Zweifel die verrückteste Nacht, die ich je erlebt habe“, fasste Verteidiger Richard Foster zusammen, der damals als Leihgabe aus Aberdeen für den Rangers FC spielte. Ob sich auch das 439. Old Firm so ins Gedächtnis der Akteure einbrennt? Am Sonntag sind wir schlauer, dann gastiert Celtic mal wieder im Ibrox-Stadium.

(Photo by Jeff J Mitchell/Getty Images)

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