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Konstantin Keller·3. Januar 2018
DFB-Chefscout: "... dann ist die nächste Stufe möglich"

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Konstantin Keller·3. Januar 2018
Urs Siegenthaler ist seit 2004 Chefscout des DFB. In einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ blickt der 70-Jährige auf die WM voraus, analysiert die deutschen Gruppengegner und verrät außerdem, was seiner Meinung nach kommende Entwicklungsschritte im Spiel sein könnten.
Die Gruppengegner Mexiko, Schweden und Südkorea erwartet Siegenthaler mit unterschiedlichem Wesen, doch im Grunde ähnlichen Ansätzen. „Das sind drei Mannschaften, die gern Fußball spielen. Sie werden gegen den Weltmeister auch mit viel Defensive ihr Spielglück versuchen. Aber in ihren Fußball-Herzen wollen alle mitspielen“, erklärte der DFB-Chefscout.
Die unterschiedlichen Wesen der Fußballnationen betonte Siegenthaler dennoch. „Die Mexikaner suchen im Zweifel ihr Heil in der Offensive, haben die Einstellung: Wir schießen mehr Tore, als wie bekommen. Das ist schwer auszurechnen. Mit den Schweden ist das etwas anders. Da ist alles geordnet, keiner tanzt aus der Reihe. Die Schweden gelten eher als unterkühlt. So spielen sie auch Fußball: kontrolliert und anständig. Und dann haben wir die Südkoreaner. Das sind sehr arbeitsame Leute, sehr diszipliniert. Sie gehen ihre Aufgabe fast besessen an.“
„Partien werden vor dem Spiel entschieden“
Besessen will der DFB-Tross die Aufgabe in Russland nicht angehen, wohl aber gut vorbereitet und fokussiert. „Wir müssen uns bewusst sein, dass wir die Gejagten sind, uns also fragen: Wie gut sind die Jäger und was machen sie? Wenn ich weiß, wo der Jäger mich hintreiben will, finde ich auch eine Lösung, das zu verhindern“, erläuterte Siegenthaler.
„Wir müssen also den Jäger verstehen. Die Partien werden vor dem Spiel entschieden. Wenn wir wissen, worauf es ankommt, können wir davon ausgehen, dass wir keine schlechte WM spielen werden. Wir sollten bestimmen, wie gut der Gegner ist. Aber dazu müssen wir gut vorbereitet sein. Zumal wir wissen, dass unsere Gegner ebenfalls bestens auf uns vorbereitet sein werden!“
Was die Entwicklung des gesamten Spiels angeht, sieht der DFB-Chefscout einen möglichen nächsten Entwicklungsschritt in mehr bis ins Detail geplanten Angriffen und im kognitiven Bereich. „Wir schauen viel auf andere Sportarten. Dort erleben wir, dass die Spieler in gewissen Situationen exakt wissen, was zu tun ist. Ich könnte mir vorstellen, dass an der Art, wie ein Angriff zu Ende gespielt wird, die Möglichkeit für die nächste große Veränderung im Fußball liegt. Da geht es um die Planbarkeit von Angriffen“, erklärte der 70-Jährige.
„Löw erfindet sich permanent selbst neu“
Von der Tatsache, dass im kognitiven Bereich, beispielsweise der frühzeitigen Wahrnehmung von Vorgängen auf dem Platz, im Fußball noch viel Verbesserungspotenzial liegt, ist laut dem Schweizer auch Bundestrainer Joachim Löw überzeugt.
„Die Vororientierung bestimmt die Wahrnehmung. Und die Wahrnehmung zeigt Ihnen Lösungen auf dem Platz auf“, erläuterte Siegenthaler. „Wir brauchen in der Vororientierung überragend gut geschulte Spieler, dann ist eine nächste Entwicklungsstufe im Fußball möglich.“
Für den Bundestrainer selbst findet der Scout lobende Worte. „Man muss im Fußball immer mit der Zeit gehen. Seine große Stärke ist genau das. Dass er sich ständig weiterentwickelt hat, sich quasi permanent selbst neu erfindet und immer mit der Zeit gegangen ist. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so offen für Neues ist und sehr gut zuhören kann. Wir diskutieren, und am Ende entscheidet er, was er davon gebrauchen kann.“
Siegenthaler wird gemeinsam mit dem Trainerteam alles daran setzen, dem DFB-Team bis zum Turnier in Russland wieder einmal vielfältige und moderne Lösungsansätze an die Hand zu geben. So soll dann auch die Titelverteidigung bei der kommenden Weltmeisterschaft gelingen.