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Annika Becker·4. August 2023
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Annika Becker·4. August 2023
Nach dem 6:0-Sieg zum Auftakt sah es so aus, als würde das deutsche Nationalteam der Frauen wie schon bei der EM 2022 nach einer wenig überzeugenden Vorbereitung wieder auf den Punkt abliefern. Dann aber kamen die Niederlage gegen Kolumbien – und das Unentschieden gegen Südkorea zum erstmaligen Aus in der Gruppenphase einer WM in der Geschichte. Das sind einige der Gründe für das frühe Aus.
Auch wenn die Entscheidung, Giulia Gwinn nicht mit zum Turnier zu nehmen, um ihr eine ruhigere Rückkehr nach ihrem erneuten Kreuzbandriss zu ermöglichen, erst sehr kurz vor der WM fiel, war es lange absehbar, dass sie es nicht mehr schaffen könnte. Gleiches gilt für den Ausfall von Linda Dallmann. Aber damit nicht genug: Lena Lattwein, die lange eine starke Saison spielte, fehlte dem VfL Wolfsburg ab dem Frühjahr, Marina Hegering hatte immer wieder mit ihrer Gesundheit zu kämpfen, Paulina Krumbiegel und Carolin Simon, beide ein möglicher Ersatz für Gwinn bzw. Felicitas Rauch, verletzten sich kurz vor der WM und auch währenddessen gab es mit eben jener Rauch und Sara Doorsoun noch kurzfristige Ausfälle.
Diese vielen Verletzungen sorgten dafür, dass ständig umgeplant werden musste, in allen drei Gruppenspielen lief eine andere Abwehrkette auf und das machte sich an Unsicherheiten und Fehlern bemerkbar. Fragen lassen muss das Trainer*innenteam sich, warum spätestens nach der Verletzung von Carolin Simon nicht noch eine weitere echte Defensivspielerin nachnominiert wurde. Denn es war immer klar, dass es keine weiteren Ausfälle geben dürfe.
Eigentlich fangen die Fehlentscheidungen aber schon früher an, denn es wurde für Gwinn in der gesamten Zeit vor der WM keine Spielerin fest auf der Position aufgebaut. Sophia Kleinherne wurde bei der WM nicht ein einziges Mal eingesetzt. So begann ein Positionswechselspiel mit Huth und Hagel auf den Defensivpositionen. Alle Gegnerinnen guckten sich die beiden als Schwachstellen aus.
Wenn wichtige Spielerinnen wie Huth positionsfremd eingesetzt werden, anstatt nachzunominieren, wirft das Fragen nach der Qualität in der Breite auf. Es ist unbestritten, dass Deutschland in der Spitze über einige Top-Spielerinnen verfügt, der VfL Wolfsburg spielte diese Saison nicht umsonst das Champions League Finale gegen den FC Barcelona. Aber hinter dem VfL und dem FC Bayern München fehlen internationale Erfahrung und bislang auch noch die Qualität, um die Spitze wirklich anzugreifen.
Eintracht Frankfurt bringt sich in Stellung, muss aber im Sommer eine Sjoeke Nüsken an den FC Chelsea abgeben. Für Spielerinnen wie sie oder auch eine Jule Brand ist die Situation in der Bundesliga schwierig: Einerseits brauchen sie den Wechsel zu einem großen, international vertretenen Verein, andererseits brauchen sie in ihrem Alter vor allem Spielpraxis, um sich konstant weiterzuentwickeln. Und die ist bei den Top-Klubs nicht immer gegeben, besonders Wolfsburgs Kader ist sehr voll.
Während es in der Offensive aber noch einen relativ gut gefüllten Talent-Pool gibt, sieht die Sache in der Defensive schon ganz anders aus. Klar: Verteidigerinnen haben eine viel größere Verantwortung auf dem Platz und bekommen deshalb im jungen Alter nicht so schnell die Chance in ihren Vereinen wie Offensivspielerinnen, die man mal eben für ein paar Minuten einwechselt. Es deutet sich aber ein grundlegenderes Problem in der Ausbildung an, denn besonders viele Namen fallen abgesehen von den aktuellen Nationalspielerinnen nicht auf Anhieb ein.
Taktisch muss sich Martina Voss-Tecklenburg mit ihrem Team auf jeden Fall mit der Frage beschäftigen, warum es nicht gelungen ist, taktisch flexibler zu agieren. Viel ging für Deutschland über die Flügel mit Flanken auf Alexandra Popp – bei ihrer Kopfballstärke immer ein probates Mittel. Aber als einzige dauerhaft gefährliche Variante zu wenig.
Das große Problem im Gegensatz zur erfolgreichen EM war neben der schon angesprochenen Abwehr das Mittelfeld, das nicht in der Lage schien, Chancen schnell und direkt herauszuspielen. Zu oft fehlte die Bewegung, zu oft unterstützten sich die Spielerinnen gegenseitig nicht gut genug, liefen sich nicht frei – und zwangen ihre Mitspielerinnen damit zu Risikopässen unter hohem Pressingdruck. Flache, kurze Pässe aus dem Zentrum in den Sechzehner gab es viel zu selten.
Während der EM wurde das dadurch überdeckt, dass Deutschlands eigenes Pressing in der gegnerischen Hälfte sehr gut funktionierte und bei Ballgewinn schon immer genug Mitspielerinnen für einen Pass in der Nähe waren. Das griff in der Vorbereitung auf die WM aber schon nicht mehr und durch den Wechsel von Huth von Rechtsaußen auf die Position hinten rechts änderte sich außerdem die Struktur.
Denn Jule Brand vor ihr rückte viel nach innen, überließ Huth den Flügel fast allein – und damit den Raum hinter Huth offen. Das erlaubte den Gegnerinnen, sich aus Deutschlands Pressing immer wieder mit langen Bällen in ihren Rücken zu befreien. Eine Fünferkette hätte dabei helfen können, diese Schwachstelle im System zu kompensieren.
Form und Taktik bedingen sich immer gegenseitig, wenn eine Spielerin so eingesetzt wird, wie sie es nicht gewohnt ist oder nicht ihren Stärken entspricht, macht sich das bemerkbar. Aber auch von den Säulen waren einige schon vor der WM nicht in Top-Form und erreichten diese auch während des Turniers nicht. Alexandra Popp und Merle Frohms waren die einzigen, die während der WM auf dem Platz so aussahen wie sie selbst, bei allen anderen gab es entweder starke Leistungsschwankungen oder mindestens ein wirklich schwaches Spiel. Selbst Lena Oberdorf merkte man an, dass sie in der Rückrunde mit Blessuren zu kämpfen hatte und dann wegen einer Verletzung im Training ja auch im Turnier erst spät eingreifen konnte.
Das liegt u.a. an den sehr intensiven letzten zwölf Monaten gerade für die Nationalspielerinnen und eben auch den Auswirkungen der vielen Verletzungen auch auf fitte Spielerinnen, z.T. in den Vereinen. Eine Lina Magull hätte sicherlich öfters eine Pause bekommen, wenn Dallmann beim FC Bayern fit gewesen wäre. Auch hier geht es also wieder um die Themen Qualität in der Breite, Belastungssteuerung und Verletzungen.
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