Der Spieler der Woche: Javairô Dilrosun - Über Guardiola nach Berlin | OneFootball

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Louis Richter·10. Oktober 2018

Der Spieler der Woche: Javairô Dilrosun - Über Guardiola nach Berlin

Artikelbild:Der Spieler der Woche: Javairô Dilrosun - Über Guardiola nach Berlin

Eigentlich kam das fragwürdige Lob von Michael Born einen Spieltag zu spät. Der 49-Jährige kommentierte die 1:3-Niederlage von Hertha BSC bei Werder Bremen. Nach einem furiosen Sieg über Borussia Mönchengladbach wirkten die Berliner an diesem Dienstagabend verkatert und schlapp, nur Javairô Dilrosun erreichte Normalform. Der 20-Jährige dribbelte, rannte und traf aus spitzem Winkel zum zwischenzeitlichen Anschluss.

Drum platzte es aus Born heraus: „Das war arrogant von Manchester City, sich keine Rückkauf-Option für den gesichert zu haben.“ Außerdem sei es fragwürdig, dass Guardiola ihn für nur 300.000 Euro hatte ziehen lassen. Nun ja, näher an der Wahrheit ist, dass der Vertrag des Spielers auslief, Hertha deshalb nur die Ausbildungsentschädigung blechen musste und sich bei einem Geschäft dieser Art keine Rückkaufoption verankern ließ. Aber guter Fußball macht wohl jeden Experten mal übermütig.


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Stärken

Deutlich stärker, und darauf gründete Borns Euphorie vermutlich, trat Dilrosun aber am Samstag zuvor gegen ebenjene Borussia aus Mönchengladbach auf. Gegen die Fohlen zauberte er eine individuelle Leistung auf den Rasen, die das Olympiastadion von einem Herthaner so lange nicht bestaunen durfte. Dilrosun dribbelte Nico Elvedi mitunter Knoten in die Beine. Wieder und wieder brachte er sich selbst dank seines Tempos in aussichtsreiche Positionen für scharfe Flanken, zwei Assists resultierten daraus.

Genau das macht Dilrosun, den sie bei Hertha nur „Jeff“ rufen, so stark und gleichzeitig so wichtig. Der Ex-Citizen versteht es wie kaum ein Zweiter im Berliner Kader, durch mutige Vorstöße und feine Technik für Überraschungsmomente zu sorgen und sich Freiraum für Ideen zu verschaffen. So auch bei seinem Bundesliga-Debüt auf Schalke, wo er nach sechs Minuten für den verletzten Rekik eingewechselt wurde und nur neun Minuten später das 1:0 technisch sehenswert auflegte. Michael Preetz betitelte den Neuzugang dementsprechend als „Individualist“, was in diesem Kontext aber explizit als Lob zu verstehen ist.

https://twitter.com/HerthaBSC/status/991996265939525632

Und das „Individualist“ nicht gleich „eigensinniger Offensivspieler“ bedeutet, bewies der Linksfuß beim 2:0 gegen die Bayern. Offensiv fand er da so gut wie gar nicht statt, im Verbund mit Maxi Mittelstädt verteidigte er auf der linken Seite aber mit Herz und Einsatz und vor allem mannschaftsdienlich. Wie das aber bei einem jungen Spieler, der seine erste Profi-Saison absolviert, so ist, hat auch Dilrosun noch Schwächen in seinem Spiel.


Schwächen

Zwar ist der Linksaußen für sein Alter körperlich schon sehr weit, dennoch bekommt er Probleme, wenn er den Zweikampf nicht im Dribbling mit den ersten Kontakten gewinnen kann. Dilrosuns Kopfballspiel ist dazu so gut wie noch gar nicht vorhanden, selbiges gilt für den Abschluss oder die Flanken mit dem deutlich schwächeren rechten Fuß.

Was Dilrosun noch am schmerzlichsten fehlt, und nichts ist logischer als das, ist die Konstanz. Beim 0:0 in Mainz blieb er weitestgehend wirkungslos. Das an diesem Tag lahme Berliner Offensivspiel konnte auch er nicht beleben. In der Führungsriege der Alten Dame werden Ausreißer nach unten bei der Verpflichtung junger Talente aber mit eingerechnet – und dementsprechend schnell verziehen. Doch große Spieler zeichnet eben auch Konstanz aus.


Persönliche Entwicklung

Denn Hertha BSC versteht sich anno 2018 als Verein, der jungen, hoffnungsvollen Talenten den Sprung in den Profifußball ermöglicht, der ihnen anderswo verwehrt blieb. Bei Manchester City zum Beispiel, wo Dilrosun auf Grund des Überangebots an Weltklasse-Spieler im Guardiola-Kader keine Perspektive hatte.

Trotz der sehr guten Ausbildung bei seinem Jugendverein Ajax Amsterdam befand sich „Jeff“ im Norden Englands zwischen den Welten. Dank seiner bereits angesprochenen Qualitäten überzeugte er bei der U23 und in der Youth League mit soliden Statistiken, immer wieder blitzte sein enormes Potenzial auf. Ein überragendes Dribbling hier, ein toller Assist da – gut, aber eben nicht gut genug für den Sprung zu De Bruyne, Sterling und Co.

Im Sommer stand Dilrosun dementsprechend vor einer zukunftsweisenden Entscheidung. Auswahl hatte er dabei alle mal. Glaubt man diversen Medienberichten, hätten sich Klubs wie Juventus Turin, Benfica Lissabon und auch der BVB um ihn bemüht. „Aber die Chance, dass ich spiele, war für mich aus meiner Sicht in Berlin am größten“, begründete er die Entscheidung pro Hertha rückblickend so simpel wie einleuchtend. Stand jetzt scheint sie sich auszuzahlen.


Ein Spieler wie…

Fokussiert man sich nur auf die Bewegungsabläufe und die Entscheidungsfindungen des jungen Herthaners, erinnert das grob an die Spielweise von Ángel Di María. Genau wie bei dem Argentinier sehen manche Haken und Tempowechsel etwas eckig und unorthodox, nach vollendeter Ausführung aber eben dennoch verdammt smooth aus.

Wohin Dilrosun all sein Potenzial führen kann, ist dabei schwer und vermutlich erst nach weiteren gespielten Partien zu beurteilen. Vorstellbar ist aber vieles. Vom sehr guten Bundesliga-Spieler bis zum Kicker auf gutem Champions-League-Niveau.

Letztgenannte Richtung dürfte der Wirbelwind auf Sicht wohl auch ansteuern wollen. Denn sollte sich Dilrosun so weiterentwickeln, wie es die ersten Auftritte vermuten lassen, dürfte er in Zukunft eher ein Mann für Manchester City als für Hertha BSC sein. Sollte dieser Fall eintreten, dürfte ‚Sky‘-Kommentator Michael Born vermutlich besser über einen erneuten Transfer des Niederländers informiert sein. Ganz gleich, ob mit Rückkaufoption oder ohne.