MillernTon
·16. Februar 2025
Der Sands-Schock
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·16. Februar 2025
James Sands hat sich innerhalb kürzester Zeit zum Leistungsträger beim FC St. Pauli entwickelt. Nun hat er sich schwer verletzt. (Titelfoto: Stefan Groenveld)
„Es sieht richtig, richtig schlecht aus“, sagte Alexander Blessin bereits auf der Pressekonferenz nach der Partie. Wer die Szene live im Fernsehen und vor allem die Zeitlupen dazu gesehen hat, dürfte bereits früher als der FCSP-Cheftrainer gewusst haben, dass James Sands sich richtig schwer verletzt hatte. Es war das maximal beschissene Ende einer Schlussphase, die ohnehin schon aufgrund des späten Gegentreffers richtig schlecht lief.
Bei einer Freistoß-Situation in der Nachspielzeit verpasste James Sands den Ball nur knapp, Gegenspieler Osterhage schob ihn in der Luft leicht. Auch deshalb schien Sands nicht mehr kontrolliert landen zu können. Er landete auf dem rechten Knie, sein rechtes Bein hatte dabei eine sehr unnatürliche Haltung. Sands schrie sofort laut auf, krümmte sich dann vor Schmerzen, wurde lange behandelt und musste von den Betreuern gestützt vom Feld gebracht werden. In der Mixed Zone angekommen konnte sich Sands, kreidebleich, dann auch nicht mehr gestützt fortbewegen. Er wurde behelfsmäßig in einem Bürostuhl in die Kabine geschoben.
Noch am Samstag ging es in ein Krankenhaus – was bereits ein extrem schlechtes Zeichen war. Nun steht die schlimme Diagnose fest: James Sands hat sich eine komplexe Sprunggelenkverletzung mit Innenbandriss sowie einen Wadenbeinbruch zugezogen und wurde bereits gestern im UKE operiert (fcstpauli.com). Man muss davon ausgehen, dass die Saison für ihn bereits jetzt beendet ist. Ist das bitter!
Wer James Sands am Samstag auf dem Platz gesehen hat, die/der dürfte sich gewundert haben, dass dieser Spieler tatsächlich erst etwas mehr als sechs Wochen beim FC St. Pauli ist und erst seit einem Monat Bundesliga-Fußball spielt. Nachdem Sands bei seinem ersten Einsatz merklich Probleme mit dem Raum-, Zeit- und Gegnerdruck hatte, konnte er sich extrem schnell verbessern. Spätestens nach seinem Startelfdebüt beim 2:0-Erfolg des FC St. Pauli in Heidenheim war klar: Mit Sands hat der FCSP eine echte Verstärkung verpflichtet.
Der Blick in die Zahlen von James Sands zeigt nicht alles, aber ganz klar die Richtung der Qualitäten seines Spiels. Kein Spieler auf dem Platz am Samstag hatte mehr erfolgreiche Defensivaktionen als Sands. Zwei Drittel seiner Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden (auch offensiv), dazu fing er die meisten gegnerischen Pässe ab. James Sands ist aber nicht nur deshalb in so kurzer Zeit extrem wichtig geworden. Er strahlt eine dem FCSP wohltuende Ruhe auf dem Platz aus. Auf der Stress-Position im defensiven Mittelfeld wirkt es so, als wenn Sands den Überblick bewahre, er bewegt sich gut im Raum, hat ein stabiles Passspiel und macht damit das, was ein guter Sechser eben macht: die Mitspieler besser.
James Sands ist also innerhalb weniger Wochen zu einem großen Leistungsträger beim FC St. Pauli geworden. Eine beeindruckende Entwicklung eines Spielers, dessen Verpflichtung man getrost als den Top-Transfer der Saison bezeichnen kann. Und man konnte sogar noch in jedem Spiel weitere Verbesserungen wahrnehmen, das Qualitätslevel stieg weiter an. Umso bitterer für alle, besonders für Sands selbst, dass er nun langfristig ausfallen wird.
James Sands hat sich in Rekordzeit zum Leistungträger beim FC St. Pauli entwickelt. // (c) Stefan Groenveld
Bei der Frage, wer James Sands auf der Sechserposition ersetzen kann, wird schmerzlich bewusst, wie schwer die langfristigen Ausfälle von Connor Metcalfe und Robert Wagner wiegen. Es wird leider noch dauern, ehe zumindest einer der beiden Sands auf dem Platz ersetzen kann. Metcalfe trainierte zwar zuletzt wieder mit dem Team, hat aber einen kleinen Rückschlag hinnehmen müssen und ist sowieso frühestens für das Dortmund-Spiel Anfang März ein Thema. Wagner ist hingegen noch nicht einmal wieder im Teamtraining, wird also noch länger fehlen. Da beide nun schon einige Monate ausfallen, müssen sie nach ihrer Rückkehr zudem erstmal langsam wieder herangeführt werden. Es wäre vermessen zu hoffen, dass sie noch in den drei Spielen vor der Länderspielpause im März gewichtige Rollen einnehmen können.
So richtet sich der Blick, wie auch in der Hinrunde, erneut auf Carlo Boukhalfa. Der hat in dieser Saison bereits zwölf Mal neben Jackson Irvine in der Startelf gestanden und seinen Stammplatz im Januar an Sands verloren. Das Duo Boukhalfa/Irvine verfügt über den besten „Player Chemistry“-Wert aller Sechser im Team, wie das Global Soccer Network kürzlich darstellte. Boukhalfa zeigte in der bisherigen Saison extrem leidenschaftliche Leistungen, am Einsatz mangelte es nicht, dafür strahlte er aber auch nicht die Ruhe von Sands aus, ist auch nicht so passsicher und ohnehin ein anderer, offensiverer Spielertyp.
Das Global Soccer Network erklärte übrigens auch: Das beste Duo auf der Doppelsechs wären Jackson Irvine und Eric Smith. Zwar gebe Smith dem Team in der zentralen Position ganz hinten noch mehr, aber immerhin hat der FC St. Pauli nun mit Siebe Van der Heyden (gegen Freiburg zehn von zwölf Duellen gewonnen) einen Spieler, der die Position links in der Innenverteidigung übernehmen kann (Karol Mets fällt ja weiterhin aus). Smith vorzuziehen würde also personell hinhauen und passt laut GSN eigentlich am besten. Es wäre also zumindest einen Gedanken wert.
Offiziell läuft die Leihe mit James Sands bis Saisonende. Demnach wäre es das dann für Sands beim FC St. Pauli gewesen.Es soll eine Option auf eine Verlängerung um eine weitere Saison geben, die genauen Bedingungen dafür sind allerdings nicht bekannt. Selbst wenn sie an eine bestimmte Anzahl an Einsätzen geknüpft sein sollte, ist es natürlich gut möglich, dass sich beide Vereine auf eine Verlängerung der Leihe einigen, auch wenn diese Anzahl verletzungsbedingt nicht mehr erreicht werden kann.Ebenfalls offen ist die Frage, wo James Sands die jetzt notwendige Behandlung und die Reha absolviert. Fragen, die natürlich interessant sind, in der Priorität hinter dem Punkt „Erst mal wieder gesund werden“ aber hintenanstehen.
Letzte Woche wurde von der MOPO ein Vergleich zur Situation in der letzten Bundesligasaison gezogen. Eines der großen Probleme des Kaders in der damaligen Rückrunde: Verletzungen. Nun fehlen dem FCSP Guilavogui, Saliakas (Ausfallzeit zwischen drei bis fünf Wochen, erklärte Blessin am Samstag), Mets, Metcalfe, Wagner und jetzt auch noch Sands langfristig. Da kann niemand erzählen, dass das kein Problem für den Kader und auch die Leistung ist. Übrigens waren späte Gegentore damals wie heute ein Problem der Rückrunde. Leider ergibt das harte 2011-Vibes gerade.
Isso. Man kann sich darüber ärgern, mit James Sands mitleiden. Aber man kann es nicht ändern. Schweren Herzens muss nun auf einen sehr wichtigen Spieler verzichtet werden. Auch wenn es viel Vertrauen in Boukhalfa und Smith auf dieser Position gibt, so ist die Verletzung von James Sands ein richtig schwerer Schlag für den FC St. Pauli.
Get well soon, Jimmy! // Tim
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