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Jan Schultz·30. November 2020

Der Fisch stinkt vom Kopf: Warum Löw nicht das einzige Problem ist

Artikelbild:Der Fisch stinkt vom Kopf: Warum Löw nicht das einzige Problem ist

Am Montagnachmittag verkündete der Deutsche Fußball-Bund die Entscheidung, an Joachim Löw festzuhalten. Trotz der sportlichen Entwicklung überrascht dies nicht wirklich, denn der DFB schießt nicht nur auf dem Feld regelmäßig Böcke.

Inwiefern sich dies auf dem Rasen zeigt, wurde in den vergangenen Wochen, Monaten und gar Jahren zur Genüge durchgekaut. Von uns, von Fans, von zahlreichen Experten – eigentlich schon von jedem der 83 Millionen Bundestrainer, die dieses Land beheimatet.


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Denn spätestens seit der Weltmeisterschaft 2018 befindet sich die Nationalmannschaft im Sinkflug. Mit dem 0:6 in Sevilla schien sie auf dem harten Boden der Realität zerschellt zu sein. Zu planlos war der Auftritt, zu konzeptlos die letzten Monate. Doch Löw hat nun selbst diese Bruchlandung überstanden.

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„Ein einzelnes Spiel kann und darf nicht Gradmesser für die grundsätzliche Leistung der Nationalmannschaft und des Bundestrainers sein“, heißt es in der Mitteilung des Verbands, warum der Bundestrainer im Amt bleibt. Und dies offenbart direkt ein Problem abseits des grünen Geläufs.

Denn den Auftritt gegen Spanien als einmaligen Ausrutscher darzustellen, ist eine fatale Fehleinschätzung, die für sich gesehen noch schlimmer ist als jeder einzelne Patzer, der dem deutschen Team gegen Spanien unterlaufen ist. Die letzten zwei Jahre? Liefen offenbar wie am Schnürchen. Und anders als die Profis auf dem Rasen musste das Präsidium nun nicht etwa binnen weniger Zehntelsekunden eine Entscheidung treffen.

Vielmehr hatten die Bosse ziemlich genau zwei Wochen Zeit, auf die historische Klatsche zu reagieren. Eigentlich sollte die Entscheidung ja sogar erst am Freitag fallen, nun wurde sie gar vorgezogen. Das war zugleich aber auch schon das einzig Überraschende an dem Statement. Etwas mehr Bedenkzeit hätte sicherlich nicht geschadet.

Sportliche Erfolge?!

Wobei – ob der Verband dann tatsächlich zu einem anderen Resultat gekommen wäre? Die heutige Pressemitteilung bietet jedenfalls noch weitaus mehr Angriffsfläche. Für Löw sprechen demnach etwa auch die ach so tollen sportlichen Erfolge der jüngeren Vergangenheit. Sportliche Erfolge? Eben. Aber lest selbst.

„Auf dem Weg zur EM 2021 sind bereits wichtige sportliche Ziele erreicht worden – darunter die EM-Qualifikation, der Verbleib in Liga A der Nations League und die Positionierung im ersten Lostopf bei der WM-Qualifikation.“ Aha.

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Dröseln wir das mal eben etwas auf. Die EM-Qualifikation und eine Platzierung in Lostopf eins darf für eine Fußballnation wie Deutschland, die nach wie vor mit mehreren Weltklasse-Spielern besetzt ist, kein Erfolg sein. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Selbiges gilt für den Klassenerhalt in einer Gruppe mit der Ukraine und der Schweiz – bei allem nötigen Respekt gegenüber deren Arbeit. Und zur Erinnerung: 2018 war das DFB-Team in der Nations League rein sportlich abgestiegen. Der Klassenerhalt gelang in der Folge nur wegen der Aufstockung.

Es erhärtet sich also der Eindruck, dass nicht nur der Bundestrainer planlos agiert. Auch die Verbandsspitze scheint der Situation, zumindest in Teilen, nicht mehr gewachsen zu sein. Aber auch das kommt nun wirklich nicht so überraschend. Zu zögerlich agierte der DFB in den letzten Jahren bei all jenen Skandalen, die seine Bosse oder seine vormaligen Helden betrafen.

Sei es nun das Sommermärchen, der Umgang mit Rassismus, der Verdacht der Steuerhinterziehung oder die Reaktionen auf das WM-Desaster von 2018. Brandherde gab und gibt es beim DFB genügend. Von den Problemen im Umgang mit der laut- und meinungsstarken Fanszene mal ganz abgesehen, denn diese könnten ganze Bücher füllen.

Und dann hat das aktuelle Statement auch noch etwas weiteres offenbart: „Zustimmung erhält auch die Einschätzung des Bundestrainers, dass nachfolgende Turniere – konkret die WM 2022 in Katar und die EM 2024, die im eigenen Land stattfindet – als Perspektiven und sportliche Ziele bereits zum jetzigen Zeitpunkt in den weiteren sportlichen und personellen Überlegungen eine Rolle spielen müssen.“

2021 droht das nächste Debakel

Grundsätzlich ist es natürlich absolut richtig, langfristig zu denken. Für eine Nationalmannschaft gilt das allerdings nur eingeschränkt. Aktuell ist nicht wichtig, wer 2024 die beste Besetzung sein könnte. Momentan ist wichtig, welche Spieler jetzt am besten sind. Und dazu gehören etwa Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng. Die individuelle Entwicklung läuft vor allem im Klub. Für den Bundestrainer gilt es, mit dem vorhandenen Spielermaterial das bestmögliche Team zusammenzustellen.

Das gilt umso mehr, da sich die Defensive ohne die Routiniers regelmäßig wie ein Hühnerhaufen präsentiert. Besserung ist nicht in Sicht, zumal vor der EM nur noch eine Handvoll Testspiele bleiben.

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Spätestens bei der Kontinentalmeisterschaft droht dem deutschen Fußball damit ein erneutes Debakel. Löw wird dann öffentlich einmal mehr angezählt werden. Doch seine Vorgesetzten sollten dann ebenfalls um ihren Job bangen.