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Textilvergehen

·22. Januar 2021

Der DFB wird niemandem gerecht

Artikelbild:Der DFB wird niemandem gerecht

Die Vorwürfe gegen Florian Hübner, im Spiel gegen Leverkusen Nadiem Amiri rassistisch beleidigt zu haben, wurden gestern zumindest formal zu den Akten gelegt: Das DFB Sportgericht urteilte in dem Fall, dass diese Vorwürfe sich nicht nachweisen ließen und verhängte gegen Hübner eine Strafe “wegen eines unsportlichen Verhaltens”, die Union und Hübner akzeptiert haben.

Damit muss man nun davon ausgehen, dass Hübner die ihm vorgeworfene Äußerung tatsächlich nicht getätigt hat. Denn er selbst bestreitet das dem DFB zufolge und auch in einer von Union veröffentlichten Erklärung. Gleichzeitig hatten die Leverkusener Beteiligten in dem Verfahren sowie in dessen Nachgang Gelegenheit, den Vorwurf zu untermauern. Das ist dem Urteil des Sportgerichts zu Folge nicht in einer Weise geschehen, die hätte nachweisen können, dass die rassistische Beleidigung “Scheiß Afghane” gefallen ist. Allerdings geht aus der Mitteilung des DFB zu dem Urteil auch nicht hervor, dass Nadiem Amiri von seiner Wahrnehmung der Situation abgerückt ist. Er habe aber eben “nicht ausschließen” können, dass “die Wortwahl eine andere war”.


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Florian Hübners Statement

In dem Statement auf Unions Webseite lesen wir zum ersten Mal von Florian Hübner selbst Aussagen über die Angelegenheit. Hübner bestreitet, sich rassistisch geäußert zu haben, distanziert sich von entsprechenden Einstellungen und räumt Unsportlichkeiten gegenüber Leverkusen ein, ohne zu sagen, worin die genau bestanden. Er wird so zitiert:

“Ich bin froh, dass die Angelegenheit erledigt ist und schnell einen Abschluss gefunden hat. Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich mich überhaupt in die Auseinandersetzung der Leverkusener Mannschaft mit dem Schiedsrichter eingelassen habe. Zukünftig werde ich noch sorgfältiger auf Disziplin und Zurückhaltung achten und hieraus auch für mich und meine weitere sportliche Karriere Konsequenzen ziehen.

“Für mein Verhalten in der verbalen Auseinandersetzung mit dem Leverkusener Spieler Nadiem Amiri bin ich zu Recht bestraft worden. Von grundlegender Bedeutung ist für mich, dass das Sportgericht und der DFB davon ausgehen, dass ich selbst zuvor verbal attackiert worden bin und dass meine Äußerungen nicht diskriminierend oder in irgendeiner Weise rassistisch waren. Wie vom Sportgericht dargelegt, war mein Verhalten in dieser Situation einfach unsportlich und ich hätte mich raushalten müssen.

“Meine Familie und ich stehen uneingeschränkt und aus tiefster Überzeugung für Toleranz und Respekt. Jede Art von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung wird in meiner Familie und von mir zutiefst verabscheut. Ich selbst lebe diese Überzeugung seit meiner Jugend im Sport und im Privatleben. Es ist für mich von grundlegender Wichtigkeit, auf dem Fußballplatz einen in meinem Einfluss liegenden Beitrag hierzu zu leisten.

“Mit dem Gegenspieler Nadiem Amiri habe ich mich ausgesprochen und wir haben alles bereinigt. Dazu gehört auch, dass man gegenseitig einen Fehler eingesteht. Ich freue mich darauf, mit Nadiem Amiri und seiner Mannschaft sowie mit meinem Team vom 1. FC Union Berlin bald wieder Fußball spielen zu können. Meiner Mannschaft und meinem Verein danke ich für die Unterstützung in den letzten Tagen. Für meine Mannschaft tut es mir leid, dass ich sie in den nächsten zwei Spielen nicht unterstützen kann.”

Die Glaubwürdigkeit des DFB-Sportgerichts

Trotzdem bleiben nach diesem Abschluss des Verfahrens Fragen offen. Vor allem die, was denn dann tatsächlich auf dem Platz gesagt wurde, wenn nicht die rassistische Beleidigung. Zu dieser Unklarheit trägt auch der DFB mit seinen Untersuchungen und Urteilen in dem Fall bei. Denn gerade das Urteil lässt bei Beobachtern viele Fragezeichen aufleuchten. Florian Hübner wird für zwei Spiele gesperrt und muss 20.000 Euro Geldstrafe zahlen.

Zum Vergleich: Dass ist viel mehr als die 8.000 Euro, die Oliver Baumann zahlen musste, weil er einen Schiedsrichter den 12. Mann des Gegners nannte, und halb so viel wie Marcus Thuram für sein Anspucken eines Gegenspielers gegen sich verhängt bekam. Die Unsportlichkeit von Hübner, die dem DFB zufolge nicht auf dem Spektrum von Diskriminierung und Rassismus zu verorten ist, muss also schon erheblich gewesen sein. Der DFB sagt dazu aber nichts konkretes, und es hilft auch nicht, dass die Rechtsordnung, die er für die Verfahren verwendet, maximal unspezifisch ist und für Unsportlichkeit nur eine Maximalstrafe von sechs Monaten Sperre festlegt.

Und ich weiß nicht, was der DFB mit der ausweichenden Art, in der die Geschehnisse beschrieben und beurteilt werden, und damit, die Unsportlichkeit, für die er ein Urteil ausspricht, nicht zu benennen, erreichen will. Wenn man damit jedenfalls bemüht ist, das Gesicht der Beteiligten zu wahren, ist das der falsche Weg dazu.

Denn es wurde nun viel darüber gesprochen, welches Recht auf Aufklärung und Transparenz wer in einer solchen Situation hat. Ich finde aber, dass dieses Level an Intransparenz in einem Sportgerichtsverfahren zu diesen Vorwürfen zu allererst den Beteiligten nicht gerecht wird. Denn ohne Transparenz darüber, was aufgeklärt werden konnte, besteht die Gefahr, dass an Florian Hübner in der öffentlichen Wahrnehmung zu unrecht etwas von diesem Vorwurf haften bleibt, und damit wird der DFB als neutrale Instanz in der Sache auch und vor allem ihm nicht gerecht.

Auf der anderen Seite lässt sich so nicht einschätzen, wie valide die Vorwürfe der Leverkusener waren. Die könnten nun auch selbst mehr zur Aufklärung der Sache beitragen, wie oben schon angedeutet. Und wie wir hier vor ein paar Tagen schon geschrieben haben ist es (gelinde gesagt) “nicht hilfreich, wenn ein Rassismus-Vorwurf erst aufgebracht und dann nicht untermauert wird.”

Gerade Jonathan Tah wird nun vorgeworfen, das Thema mit seinem nach dem Spiel-Interview öffentlich gemacht zu haben (in dem er niemanden namentlich erwähnt hat und sagte, das beschriebene habe sich “anscheinend” ereignet). Es gibt in einer solchen Situation mehr Grauzonen als die Betrachtungsweise ‘entweder Florian Hübner oder Nadiem Amiri und Jonathan Tah haben gelogen’ zulässt. Daraus, wie schwerwiegend ein Rassismus-Vorwurf ist, entsteht aber auch eine Verpflichtung, diesen zu begründen. Und dafür wurde von Leverkusener Seite, die Kommunikation des Vereins eingeschlossen, nichts getan.

Einen Vorwurf in diese Richtung lässt Dirk Zingler in seinem Zitat in Unions Statement durchklingen: “Dass es auf dem Platz von beiden Seiten Beleidigungen gab, ist äußerst bedauerlich und absolut unnötig. Sich dafür öffentlich zu entschuldigen, zeugt von Größe und Verantwortungsbewusstsein. Beides hätte ich mir auch von der anderen Seite gewünscht.” Angesichts dessen zweifelt etwa ein (meines Erachtens in vielen Punkten treffender) Kommentar des Kicker daran, dass in der Affäre das letzte Wort schon gesprochen ist.

Das Verfahren gegen Cedric Teuchert

Auf noch einer ganz anderen Ebene der Absurdität ist das Verfahren gegen Cedric Teuchert, das vom Kontrollausschuss eingestellt wurde. Denn in diesem Verfahren wurde ihm vorgeworfen, dass er “gegen die Vorgaben der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung verstoßen haben könnte”. Vager ging es nicht. Der DFB sagte es zwar nicht, bezog sich damit aber offenbar auf Medienberichte und die Tonspur des Spiels, in denen zu lesen und zu hören war, dass Teuchert zum Leverkusener Leon Bailey sagte: “Chill mal, wir sind hier in Deutschland, ey”, und bei seiner Auswechslung etwas ähnliches in Richtung der echauffierten Leverkusener sagte.

Diese Aussage kann man nun wenig sinnvoll, recht seltsam und auch chauvinistisch finden. Aber wo darin ein Verstoß gegen die Regeln des DFB liegen sollte, wusste der offenbar selber nicht. Warum es um zu dieser Einsicht ein Verfahren brauchte, und die sich nicht einstellte, als jemand darüber nachgedacht hat, es zu eröffnen oder nicht, bleibt unklar.

Das schreiben die Berliner Medien

Über die Entscheidung des Sportgerichts und Unions Statement:

  • Unions Florian Hübner vom Rassismusverdacht freigesprochen (Kurier)
  • Kein Rassismus-Vergehen! DFB sperrt Unions Hübner für zwei-Spiele (BZ)
  • Unsportliches Verhalten: DFB sperrt Unions Hübner (Morgenpost)
  • Unsportlich, aber nicht rassistisch: Unions Hübner für zwei Spiele gesperrt (Berliner Zeitung)
  • Auseinandersetzung mit Amiri: DFB sperrt Hübner für zwei Spiele (Kicker)

Und zum Sport:

  • Union-Debüt für Dajaku! Jetzt soll er Leon der Profi werden bei den Eisernen (Kurier)
  • Der 1. FC Union hat noch eine kleine Rechnung offen mit Aufstiegsheld Rafal Gikiewicz (Kurier)
  • Union darf ruhig von Größerem träumen (Morgenpost)
  • Unions Spiel gegen Ex-Torhüter Gikiewicz Duell am offenen Herzen (RBB)

Fußball und Corona

Ein Text von Watson geht darauf ein, welche Folgen Coronainfektionen für Fußballer:innen haben. 10 bis 20 Prozent der Spitzensportler:innen, die sich mit dem Coronavirus infizieren, haben über mehrere Monate deutliche Beschwerden damit, wird darin ein Mediziner zitiert.

Und sonst so

Die Kommentatorin Sabine Töpperwien beendet ihre Karriere als Sportjournalistin. Sie war die erste Frau, die in Deutschland Fußball im Hörfunk kommentiert hat.

In diesem Podcast des WDR spricht sie über ihre Erfahrungen. Und im Spiegel schreibt Stephanie Baczyk, Reporterin beim RBB, über die Vorbildwirkung, die Töpperwien für sie hatte.

Und zum Thema Sexismus im Fußball noch diese Empfehlung:

Außerdem haben wir hier in den letzten Tagen über die fortgesetzte Datensammlung der Polizei über Fußballfans geschrieben. In der Jungen Welt gibt es jetzt noch ein Interview mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Monika Lazar, deren Anfrage Informationen dazu hervorgebracht hat.

Tippspiel

Eine halbe Woche nach dem Ende der Hinrunde beginnt heute die Rückrunde der Liga. Also Tippen nicht vergessen.

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