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·23. Mai 2022

Der BVB und die Trainer: Der lange Schatten von Jürgen Klopp

Artikelbild:Der BVB und die Trainer: Der lange Schatten von Jürgen Klopp

Seitdem Jürgen Klopp den BVB vor sieben Jahren als Trainer verlassen hat, sucht der Klub nach Kontinuität und der vollen Identifikation auf der Trainerbank. Ob Edin Terzic mehr Vertrauen geschenkt wird als seinen Vorgängern? Das bleibt abzuwarten.

Marco Rose ist nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund. Dies sei das Ergebnis einer gemeinsamen Saisonanalyse am Donnerstag, teilte der Klub mit. Seitdem Jürgen Klopp den BVB vor sieben Jahren verlassen hat, ist Rose damit der sechste Trainer, dem von den Klubverantwortlichen kein langfristiges Vertrauen entgegengebracht wurde. Übernehmen wird Edin Terzic, der vor Rose für eine kurze Zeit das Team trainierte, aber wieder in den Hintergrund rücken musste – trotz Pokalsieg.


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Der BVB sucht nach Kontinuität – seit Jahren

Der BVB sucht nun seit Jahren nach Kontinuität und hat einen Trainerverschleiß, der verwundert. Vor allem, wenn man auf die Ergebnisse jener sieben Jahre blickt. Pro Bundesligasaison holte der BVB durchschnittlich 67,9 Punkte und qualifizierte sich in jedem Jahr für die Champions League. Den DFB-Pokal gewannen die Schwarz-Gelben zweimal, ein weiteres Mal verlor man gegen den FC Bayern München im Elfmeterschießen des Finales. Eine vorzeigbare Bilanz, oder?

Als Wermutstropfen wird häufig das Abschneiden in der Champions League vorgebracht. Zweimal schied der BVB in den sieben Jahren seit Klopp in der Gruppenphase aus, zweimal spielten sich die Dortmunder ins Viertelfinale vor. In den anderen drei Jahren war im Achtelfinale Schluss. Sicherlich keine schillernden Jahre, aber durchaus solide, auch im historischen Vergleich mit dem BVB der Klopp-Jahre. Denn: Abgesehen von dem furiosen Sturm ins Champions-League-Finale 2013 ging es für die Klopp-Borussen auch nie weiter als ins Viertelfinale.

Wieso also gelingt es Borussia Dortmund seit Jürgen Klopp nicht mehr, für Kontinuität auf der Trainerbank zu sorgen?

Die Antwort auf diese Frage ist eine Spurensuche, auf die sich nun alle begeben. Die Klubverantwortlichen, Journalisten und vor allem Fans. Für Außenstehende ist es zudem ein Stochern im Nebel. Doch mögliche Erklärungen sind auch durch den Dunst zu erkennen.

Der Versuch, Abkürzungen zu gehen wo keine sind

Zuerst zum Offensichtlichen: Seit Jürgen Klopp Trainer bei Borussia Dortmund war, hat sich die Anspruchshaltung des Klubs verändert. Er stabilisierte einen aus der Insolvenz heraustrudelnden Verein und führte ihn 2011 und 2012 völlig überraschend zu zwei Deutschen Meisterschaften. Mit einer jungen, überaus talentierten Mannschaft. Es folgte der historische Lauf ins Champions-League-Finale. Samt Málaga-Moment und der Lewandowski-Gala gegen Real Madrid.

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(Photo credit should read JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Die durchaus überraschenden Jahre des Erfolgs hatten viele Folgen: Die Reputation des Klubs wuchs beinahe ins Unendliche. Borussia Dortmund war plötzlich der spannende und sympathische Außenseiter, der mit einer jungen Mannschaft und attraktivem Fußball die internationale Elite aufwirbelt. Der Verein wurde zur weltweiten Marke. Talentierte Fußballer aus der gesamten Welt wollten plötzlich für den BVB spielen. Nicht nur, aber auch, weil der Verein eine wohltuende Kontinuität versprach.

Diesen gewachsenen Ansprüchen wollten die Klubverantwortlichen um Michael Zorc und Hans-Joachim Watzke gerecht werden. Und durch die Erfolge hatten sie die Mittel dazu. Finanziell bewegt sich der BVB in einer anderen Liga als noch vor zehn Jahren. Für den Klub ist dies zunächst eine erfreuliche Nachricht. Allerdings scheint der Verein sich seitdem nicht mehr die Zeit einzuräumen, einem langfristigen Entwicklungsprozess zu vertrauen. Ob diese beiden Entwicklungen zusammenhängen? Fraglich, aber denkbar. Denn zu den früheren Werten des Vereins – Offensivfußball, Talententwicklung und Fannähe – hat sich spätestens im Mai 2019 etwas anderes gesellt: das offensive formulieren, Titel gewinnen zu wollen. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ sagte Watzke erstmals: „Wir wollen Meister werden.“ Und er zielte damit nicht auf eine in der fernen Zukunft liegende Saison ab, sondern auf die damals unmittelbar bevorstehende.

Ein solches Ziel öffentlich zu formulieren, ändert die Maßstäbe, an denen sich ein Trainer messen muss. Der rein sportliche Erfolg wird plötzlich noch erdrückender, als er sowieso schon ist. Spätestens seit dieser Zielsetzung blieben die Trainer unter den Erwartungen zurück, sobald sie hinter dem FC Bayern München der Jahre 2013 bis 2022, der wohl dominantesten Mannschaft der Bundesligageschichte, auf dem zweiten Tabellenplatz einliefen. Sportlich standen deswegen alle BVB-Trainer seit Jürgen Klopp in der Kritik. Aufgrund der Übermacht der Bayern und einer selbst verschuldeten, zu hohen Anspruchshaltung.

Die ewige Klopp-Nostalgie

Ein anderer Grund könnte ein emotionaler sein. Dies mag im Millionengeschäft etwas naiv klingen, aber wenn man den BVB in den letzten Jahren beobachtet hat, beschlich einen unvermeidbar das Gefühl, dass noch immer einer langer Schatten von Jürgen Klopp über dem Klub liegt. Und dass dieser Schatten von der Nostalgie Watzkes und Zorcs aufrecht erhalten wird. Mit den Rückholaktionen von Nuri Sahin, Mario Götze, Matz Hummels und Shinji Kagawa offenbarten die Klubbosse ihren Hang zur Nostalgie, denn sportlich lässt sich darüber streiten, inwieweit diese Transfers als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen sind.

Genau diese Nostalgie könnte in den letzten Jahren geschadet haben, um auf der Trainerbank eine langfristige Besetzung zu finden. Bei Klopps Abschiedspressekonferenz sagte Watzke über die Zusammenarbeit zwischen Trainer und Verantwortlichen: „Eine ganz besondere Beziehung. Die von Vertrauen und Freundschaft geprägt ist.“ Die Skatabende von Watzke, Zorc und Klopp waren legendär. Bis heute pflegen die drei eine innige Freundschaft.

Artikelbild:Der BVB und die Trainer: Der lange Schatten von Jürgen Klopp

(Photo credit should read PATRIK STOLLARZ/AFP via Getty Images) (Photo credit should read PATRIK STOLLARZ/AFP via Getty Images)

Dies ist natürlich eine Traumkonstellation, aber kein Muss. Auch ohne eine freundschaftliche Ebene kann eine erfolgreiche Zusammenarbeit gelingen. Etwas, an das Watzke und Zorc nicht zu glauben scheinen, denn Thomas Tuchel wurde, auch wenn viele Gerüchte über seine Entlassung kursieren, wohl auch genau aus dieser mangelnden Nähe zwischen Vorstand und Trainer entlassen. Bei Peter Bosz und Peter Stöger blieb der sportliche Erfolg aus, Lucien Favre fehlte die Dortmund-DNA. Edin Terzic übernahm schließlich, um genau diese zu verkörpern. Langfristig sollte mit Marco Rose aber ein neuer Trainer, der furiosen, für den BVB seit Klopp typischen Offensivfußball spielen lässt, für Erfolg sorgen. Nun, nach einer Saison, wurde Rose wieder entlassen. Unter anderem auch deswegen, weil die Balance fehlte. Die Suche nach dem passenden Trainer dauert noch immer an.

Diesen wird der BVB aber nicht durch ständige Wechsel finden, sondern dadurch, dass einem Trainer langfristig Vertrauen geschenkt wird. Marco Rose ist nun Vergangenheit. Nicht, weil er schlechte Arbeit geleistet hat, sondern weil man einem Trainer, von dem man wusste, dass seine Spielidee Zeit benötigt, keine Zeit gegeben hat. Heute wurde dann der neue, alte Trainer vorgestellt. Edin Terzic wird auf Marco Rose folgen. Ein Trainer, dem vor einem Jahr schon das langfristige Vertrauen verwehrt wurde. Dass Watzke und Zorc-Nachfolger Sebastian Kehl ausgerechnet bei diesem Trainer endlich die erforderliche Geduld mitbringen, die der Verein so bitter benötigt, ist aktuell nicht zu erwarten. Aber immerhin macht der Tag der Bekanntgabe des Terzic-Deals bis 2025 Hoffnung. Denn genau heute vor 14 Jahren wurde Jürgen Klopp als Trainer von Borussia Dortmund vorgestellt.

Und noch ein kleiner Hinweis an die Entscheider des BVB: Der große Sir Alex Ferguson schrieb in seinen Memoiren, dass Erfolg sich durch Kontinuität herstellt und nicht Kontinuität durch Erfolg. Herr Watzke, Herr Kehl: Lesen Sie dieses Buch!

(Photo by SASCHA SCHUERMANN/AFP via Getty Images)

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