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Max von Stuckrad-Barre·3. Juni 2023
Der "beste Torhüter der Welt" und wie eine Zigarette ihn geschaffen hat

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Max von Stuckrad-Barre·3. Juni 2023
Rauchen kann tödlich sein. Um dem eigenen Leben per Glimmstängel ein verfrühtes Ende zu setzen, braucht es dabei schon ein paar Jahre ernst gemeinten Einsatzes am Aschenbecher, doch wenn es um den Tod einer Karriere geht, reicht schon die eine Fluppe zur falschen Zeit am falschen Ort. Zur Fluppe später mehr, erstmal schauen wir ins Jetzt.
Wojciech Szczęsny bleibt, wenn man Fabrizio Romano glauben darf (und das darf, nein, muss man ja für gewöhnlich), bis 2025 bei Juventus Turin. Aus Sicht der beteiligten Parteien hat das unbestreitbar seine Richtigkeit, für Szczęsny selbst lässt sich das sogar ganz leicht anhand eigener Worte belegen: „Ich sehe mich nicht bei einem anderen Klub – nur hier bei Juve. Bei Juventus zu sein, macht mich glücklich und motiviert mich,“ sagte der polnische Keeper bereits vor zwei Monaten.
Aber auch aus Sicht seines Vereins muss man die Verlängerung des 33-Jährigen geradezu als Coup sehen, ist der über den Umweg AS Rom 2017 von Arsenal zu Juve gewechselte Schlussmann doch der beste Torhüter der Welt. Gewissermaßen zumindest. Lassen wir auch hier wieder ihn selbst sprechen, beziehungsweise den Wojciech Szczęsny des Jahres 2019.
„Bei der Roma war ich die Nummer zwei hinter Alisson, dem besten Torhüter der Welt. Jetzt ist mein Vertreter einer der größten Spieler der Geschichte. Daraus schließe ich jetzt, dass ich wahrscheinlich der beste Torhüter der Welt und der Geschichte bin,“ sagte Szczęsny damals gegenüber der polnischen Tageszeitung ‚Przeglad Sportowy‘.
Diese Aussagen wollte Juves Nummer eins natürlich eher scherzhaft verstanden wissen, komplett unsinnig sind sie aber keineswegs. Denn in Turin blieb 2019 wegen Szczęsny für einen der besten Torhüter aller Zeiten nur der Platz auf der Bank.
Gianluigi Buffon kehrte damals von einem Ausflug zu PSG zurück, der überhaupt erst durch die sich 2018 stufenweise vollziehende Ablösung im Tor durch Szczęsny zustande kam, und war nun klare Nummer zwei.
Dass Szczęsnys Stammplatz nicht unbedingt mit dem an Buffon nagenden Zahn der Zeit zutun hatte, sondern in erster Linie mit dem Polen selbst, beweisen dabei nicht nur all die herausragenden Leistungen der letzten Jahre, sondern solche, die noch gar nicht lang her sind.
Bei der WM in Katar spielte 1,96-Meter-Mann ein mehr als starkes Turnier, hatte laut ‚Opta‘ bis zum Ausscheiden Polens im Viertelfinale von allen Torhütern die meisten Treffer verhindert und, nicht zu vergessen, einen Elfmeter von Lionel Messi gehalten.
Auch die jüngsten Glanztaten im Klub zeigen: Das mit dem „besten Torhüter der Welt“ muss man womöglich eben nicht mehr als Witz verstehen.
Dass das gemeinsame Training mit Alisson und Buffon dabei enorm geholfen haben dürfte, liegt auf der Hand und scheint auch Szczęsny selbst sehr bewusst zu sein. „Ich kann ein weiteres Jahr von Gigi lernen und das ist von unschätzbarem Wert“, sagte der ehemalige Arsenal-Torwart, als Buffon 2019 zu Juve zurückkehrte. Was dabei zwischen den Zeilen zu lesen ist: Wer der beste Torhüter sein will, muss auch von den besten Torhütern lernen.
Für alle, die finden, dass das ja alles schön ist, sich aber so langsam fragen, wann denn hier endlich mal geraucht wird: Jetzt. Beziehungsweise im Jahr 2015. Arsenal hatte gerade am Neujahrstag mit 0:2 in Southampton verloren, da rauchte Szczęsny in der Dusche der Umkleidekabine eine Zigarette, die all das kommende erst möglich machte.
„Wegen der Emotionen habe ich nach dem Spiel eine Zigarette geraucht“, gibt Szczesny 2020 im ‚Lockdown‘-Podcast von Arsenal zu. Trainer Arsène Wenger, früher selbst überzeugter Kettenraucher, habe zwar gewusst, dass sein Keeper regelmäßig zur Zigarette greife und dies auch toleriert, nur in der Umkleide sei es nicht erlaubt gewesen.
„Er hat mich gefragt, ob es wahr ist und ich habe ‚Ja‘ gesagt. Er hat mich bestraft und das war das Ende,“ erklärt Szczęsny im Podcast weiter. Und damit meint er nicht etwa das Ende der Angelegenheit, sondern tatsächlich das Ende seiner Arsenal-Karriere. Szczęsny saß für den Rest der Saison auf der Bank, im Sommer wurde Petr Cech verpflichtet.
Wie weh ihm das tat, wird ‚Lockdown‘-Podcast ziemlich deutlich, als Szczęsny sagt: „Mein Traum war es immer, den Gerrards, Scholes‘ und Tottis dieser Welt zu folgen. Ich denke, es ist einfach schön, wenn man seine gesamte Karriere für einen Klub spielen kann.“ Daraus wurde nichts. Dank einer einzigen Zigarette zur falschen Zeit am falschen Ort.
Was allerdings daraus wurde: Ein noch viel besserer Torwart. Die Leihe nach Rom als Nummer zwei hinter Alisson und schließlich die Zeit zusammen mit Buffon machten aus einem Keeper, der zwar schon immer starke Reflexe, aber auch jede Menge Unsicherheiten in seinem Spiel hatte, einen, der bei einer WM die besten Torhüter der Welt hinter sich lässt und die Schüsse der besten Spieler der Welt pariert.
Ja, Rauchen ist tödlich. Nur manchmal muss man für das richtige Leben eben irgendeinen Tod sterben. Wojciech Szczęsnys Arsenal-Karriere starb 2015, doch seine Weg in Weltspitze wurde da erst mit den für ihn richtigen Vereinen und Mitspielern geboren. Also, lasst das lieber mit dem Rauchen. Es sei denn, ihr steht gerade beim falschen Klub unter Dusche.