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·21. Juni 2021
Der 1. FC Köln ohne Hennes? Unvorstellbar, aber eigentlich vernünftig?

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·21. Juni 2021
Der 1. FC Köln hatte gerade den Klassenerhalt unter Dach und Fach gebracht, da kochte wieder eine Debatte hoch, die in den vergangenen Jahren immer wieder rund um die “Geißböcke” geführt wird. Nein, es ist nicht die Rede von den vermeintlich komplexen Gremienstrukturen, die angeblich eine bessere Entwicklung des Vereins behindern. Nein, es ist auch nicht die Frage nach einem Investoreneinstieg gemeint, der in der jüngeren Vergangenheit stets aufs Neue diskutiert wird. Und nein, es geht auch nicht um den umstrittenen Ausbau des Geißbockheims, der seit Jahren keinen Schritt vorankommt.
Es geht einmal mehr um Hennes, das Maskottchen des 1. FC Köln. Ein Geißbock, der dem Verein Glück bringen soll – und deshalb bei jedem Heimspiel im Müngersdorfer Stadion am Start ist. Unhaltbare Zustände, wie die Tierschutzorganisation PETA findet und den FC zum Verzicht auf sein Wappentier auffordert: „Von dem völlig veralteten Brauch, ein Tier als Glücksbringer zu missbrauchen, muss sich der 1. FC Köln endlich trennen. Der Verein sollte seinen heutigen Erfolg als Chance für einen Neustart betrachten und aufhören, Geißböcke ins Stadion zu zwingen. PETA hilft gerne dabei, eine geeignete Unterbringung für Hennes IX. und ein passendes Maskottchen-Kostüm zu finden. Wir hoffen, dass die Verantwortlichen unser Angebot annehmen“, wird Dr. Yvonne Würz, PETAs Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsbranche, in der eiligst versandten Pressemitteilung zitiert.
Neu ist diese Forderung nun wahrlich nicht. Vermutlich schon derart lang besteht die Tierschutzorganisation auf einen Hennes-losen 1. FC Köln, dass sie nicht einmal mitbekommen hatte, dass der Geißbock mittlerweile ein prächtiges Zuhause im Kölner Zoo gefunden hat. Dennoch: Auch bei uns wurde die Debatte emotional geführt. Soll der FC wirklich auf sein Wappentier verzichten? Oder sind das nur Anwürfe irgendwelcher Tierschutzspinner, die uns gebeutelten Fans nun auch noch die größte Identifikationsfigur unseres Vereins nehmen möchten? Ein Plädoyer für einen Verbleib des Geißbocks ist aus dieser Diskussion ebenso entstanden wie die Empfehlung, schweren Herzens auf Auftritte von Hennes IX. im Stadion zu verzichten.
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Text: Thorsten Neunzig
Der Moment, in dem jedem Fan im Müngersdorfer Stadion das Herz aufgeht. Geißbock Hennes nimmt Anlauf, um die Spielstätte des 1. FC Köln zu stürmen. Es gibt keine Zweifel, er macht das gerne, er will das machen, er will sich den verdienten Applaus abholen und sonnt sich darin. Ja, er ist schon eine Rampensau. Im Kölner Zoo merkt er, wie er alle Blicke auf sich zieht. Aber da stehen immer nur ein bis zwei Dutzend Anhänger am Gehege ihres Idols. Im Stadion sind 100.000 Augen auf ihn gerichtet, das spornt ihn an, das treibt ihn zu Höchstleistungen. Eigentlich nicht wegzudenken, eins der letzten lebenden Maskottchen des Sportbusiness.
Um Hennes ranken sich viele Geschichten und Anekdoten, und teilweise werden sagenhaft Dinge hinzugedichtet. Korrekt ist, dass am 13. Februar 1950 im Williamsbau, dem Winterquartier des Zirkus Williams, eine Karnevalssitzung stattfand, auf der Zirkuschefin Carola Williams auf Initiative von Zirkusdirektor Johann Thelen, in Ermangelung eines Maskottchens beim zwar erst zweijährigen, aber bereits als ruhmreich eingestuften 1. FC Köln, den ersten Geißbock Hennes an Clubpräsident Franz Kremer übergab. Dass Hennes I. dem damaligen Trainer Weisweiler die Bekleidung verschmutzt habe, gehört eher ins Land der Fabeln.
Allerdings hat die Geschichte der männlichen Ziege sehr wenig mit Tierschutz und ordnungsgemäßer Tierhaltung zu tun, wie PETA erst kürzlich wieder mit einem Tweet unterstreicht. Für die Verhältnisse der Tierschutzorganisation fallen die Glückwünsche zum Nicht-Abstieg auf Twitter mit einem dezenten Hinweis auf Hennes’ Stadionpräsenz am Ende doch sehr moderat aus. Zudem verweist die Tierschutzorganisation auf bereits frühere Forderungen hin, den Geißbock nicht mehr ins Stadion zu lassen. Aus ihrer Sicht ist ein lebendiges Maskottchen nicht mehr zeitgemäß, die Tierschützer bieten sich sogar an, der Mannschaft ein selbstgestricktes Kostüm zu schneidern.
Auch wenn das den meisten zu viel sein dürfte, ist klar, dass sie mit ihrer Forderung nicht ganz zu unrecht daherkommen. Viele Situationen, die wir als lustig oder amüsant empfinden, dürften es aus der Sicht des Geißbocks nicht sein. So hatte auch Franz Kremer höchstpersönlich keine Bedenken, den von Natur aus flucht- und kletterfreudigen Bock an der Leine am späteren Geißbockheim spazieren zu führen. Dort war er nach einem kurzen Aufenthalt auf einem Müngersdorfer Bauernhof in Einzelhaltung untergebracht. Für ein Herdentier eine untragbare Situation. Diese führte sogar dazu, dass Hennes II. in seinem Stall vor einem ausgerissenen Schäferhund nicht mehr flüchten konnte und erlegt wurde, so die offizielle Version. Viele FC-Fans vermuten hinter dem gewaltsamen Tod ihres Maskottchen einen Giftanschlag von rivalisierenden Fans vom Niederrhein, was tierschutzrechtlich sicherlich nicht weniger von Bedeutung ist.
Der Tod von Hennes II. bescherte seinen Nachfolgern zumindest außerhalb der Spiele eine artgerechte Unterkunft beim Bauern Schäfer in Widdersdorf. Außerdem hatte Hennes IV. die fragwürdige Ehre die Double-Sieger-Mannschaft von 1978 in ihrem Autokorso durch die Stadt zu begleiten. Unter heutigen Tierschutzaspekten undenkbar oder zumindest von einem Shitstorm in den sozialen Medien begleitet. Als es 2014 auch bei der Witwe von Bauer Schäfer zu einsam wurde, zog Hennes VIII. im August in den Kölner Zoo um. Hier, hatte es den Anschein, wurde stark Rücksicht genommen auf den Tierschutz und Hennes in einer einem Bergbauernhof nachempfundenen Anlage in Herdenhaltung untergebracht. Der Transport zum Stadion erfolgt im klimaneutralen Elektro-Hennes-Mobil. So soll ein weitere Stadionbesuch zumindest dem Tierschutz unverbundenen Menschen gegenüber leichter verdaulich gemacht werden.
Wir erinnern uns gerne an die Situation, als Hennes in der Halbzeit des Heimspiels gegen Aalen im März 2014 ausbüchste und erst nach minutenlangen Bemühungen der Betreuer wieder eingefangen werden konnte. Natürlich nur unter Zwangsmaßnahmen und mit besonders hohem Stress für das Tier. Oder als Torjäger Anthony Ujah nach einem Erfolg kurzerhand den Geißbock bei den Hörnern nahm. Für die meisten belustigend, für mich aber bereits im Stadion eine einem Frevel gleichkommenden Handlung, zudem ein weiterer immenser Stressfaktor für das arme Tier.
Die Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen bei Hennes muten in etwa so an, wie das Tierschutzlabel unserer Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, in dem einem Schwein 20 Quadratzentimeter mehr Platz zugestanden wird. Dass das Vorführen eines Tieres in einem Stadion nicht mit dem Tierschutz vereinbar ist, sollte jedem einleuchten. Genau so wie Pferde im Rosenmontagszug, Tiere im Zirkus oder auch die meisten Tierarten im Zoo. Als nicht mehr zeitgemäß lehnen Tierschützer all diese Haltungsformen seit Jahren ab. In meinen Augen zurecht.
Auch mir geht das Herz auf, wenn Hennes die Bühne betritt, auch ich rechtfertige meine dem sich widerstrebenden Gedanken mit “schau mal, wie er reinläuft, der hat doch Spaß an der Sache, kriegt lecker Futter während dem Spiel” – ich rede mir sogar manchmal ein, dass das einzig Belastende am Stadionbesuch für Hennes der Versuch der Mannschaft ist, Fußball zu spielen. Als Tierarzt hätte ich manchmal gerne ein Gerät, solche Stimmungen wie Stress oder auch Schmerzen zu messen. Wir tun den Tieren unrecht, wenn wir für sie entscheiden, was gut für sie ist und was nicht. Wirklich glücklich können Tiere nur sein, wenn sie sich gemäß ihren arteigenen Bedingungen bewegen, ernähren und fortpflanzen können. Hennes IX. ist nicht kastriert, er will sich fortpflanzen. Hennes der VIII. war kastriert und hat sich von seiner Partnerin Anneliese zwei mal Zwillinge unterschieben lassen. Aber das fällt nicht unter das Thema Tierschutz.
Neben Hennes gibt es mit Adler Attila von der Frankfurter Eintracht ein weiteres lebendes Maskottchen in der Bundesliga. Ich würde es begrüßen, wenn beide Vereine im Sinne des Tierschutzes und des Tierwohls auf ihre lebenden Maskottchen verzichten würden, auch wenn dadurch ein Stück Tradition verloren geht. Auch mir widerstrebt der Gedanke an ein zweibeiniges Kostüm mit Hörnern, aber in diesem Fall ist Tierwohl wichtiger als das Gewohnheitsrecht. Der Wille eines jeden FC-Fans muss es doch sein, dass Hennes nicht leidet. Also lasst uns dafür sorgen, dass er sich diesem Stress nicht mehr aussetzen muss. Ein Fernseher in seiner Hütte im Zoo ist aus Tierschutzgründen während FC-Spielen selbstverständlich auszuschalten.
Text: Moritz Zimmermann
Pünktlich mit dem Abpfiff des Relegations-Rückspiels des 1. FC Köln in Kiel veröffentlichte die Organisation PETA die Forderung, der 1. FC Köln solle Hennes IX. an einen Lebenshof übergeben und seinen Glücksbringer gegen ein „zeitgemäßes Maskottchen“ austauschen. Damit meint die Tierschutzorganisation ein Kostüm, in welches ein Mensch schlüpfen möge. Die Forderung ist nicht neu, seit Jahren arbeiten sich Tierschützer in Momenten, die viel Öffentlichkeit versprechen, an Hennes, dem Geißbock, ab. Die letzte größere Aufregung gab es, als Ex-Torjäger Anthony Ujah Hennes 2015 im Jubel bei den Hörnern packte.
Mit ihren Protesten haben die Tierschützer*innen eine Menge erreicht. Die wohl wichtigste Veränderung, seit Zirkusdirektorin Carola Williams 1950 bei einer Karnevalssitzung den Ur-Hennes an die Verantwortlichen des FC übergab, war nun ausgerechnet die, die bei ebenjenem Relegations-Rückspiel zu beobachten war: Während die Spieler und Verantwortlichen des 1. FC Köln in Kiel freudetaumelnd die Rettung in letzter Sekunde feierten, fraß Hennes IX. völlig entspannt Gras. In seinem Gehege im Kölner Zoo. Die Zeiten, in denen der Geißbock mit zum Auswärtsspiel fuhr, gar im Mannschaftsbus, auch die, in denen er auf dem Anhänger eines Mopeds transportiert wurde, diese Zeiten sind Vergangenheit.
Hennes wohnt nun im Kölner Zoo in seinem Stall. Dort geht es ihm hervorragend. Und wer sich selbst davon ein Bild machen möchte, der kann das jederzeit tun. Auch Tierschützer*innen. Per Webcam gibt es eine Live-Übertragung direkt in den Stall. Auch in der aktuellen Pressemitteilung bezieht sich PETA bei den Vorwürfen übrigens hauptsächlich darauf, dass der Bock in Gefahr gebracht würde und nennt als Beispiel ebenjenen Vorfall um Ujah aus dem Jahre 2015. Bereits vor sechs Jahren sagte der damalige Vorstandschef des Zoos, Christopher Landsberg, es sei „alles in bester Ordnung“. Hennes habe nicht gelitten, „Hörner dienen einem Ziegenbock zur Verteidigung, er braucht sie im Kampf“, deshalb habe das Tier keinen Schmerz verspürt. Zudem sagte der Zoo-Vorstandschef: „Ganz nebenbei erfordert Tierquälerei einen Vorsatz. Und den kann man Ujah nun wirklich nicht vorwerfen.“
Und eben auch der 1. FC Köln ist um das Wohl seines Wappentiers enorm bemüht. Die fürstliche Residenz im Zoo zeigt das, das Minimieren der Reisen auf ein absolutes Minimum und eine angemessene Transportweise ebenfalls. Um die Verpflegung des Geißbocks braucht man sich ohnehin nicht sorgen. Bleibt der Auftritt im Müngersdorfer Stadion, an 17 Spieltagen einer Bundesligasaison. Dazu muss man eines wissen, auch wenn es kaum zu glauben ist, aber auch Hennes IX. ist im Wesentlichen eine Ziege. Und Ziegen gehen am Morgen und am Nachmittag auf Nahrungssuche. 15:30 Uhr klingt da nach einer guten Ausgehzeit. Die Männchen leben zudem meist als Einzelgänger und sie fressen Kräuter und Gräser. Zudem fühlen sie sich sowohl in Steppen als auch im Gebirge bockwohl. Für mich klingt das Stadion da nicht als besonders ungeeigneter Ort.
Nun fordert PETA den Tausch in ein zeitgemäßes Maskottchen. Was das ist, kann man seit Jahren mit großem Erschrecken feststellen. Der hosenlose Löwe Goleo wird vielen ein Begriff sein. Aber kennt ihr denn auch das aktuelle Maskottchen der Europameisterschaft? Ich kannte es bis vor diesem Text auch nicht. Sein Name ist Skillzy, es soll einen Jungen darstellen, hat dabei Ähnlichkeit mit Gareth Bale und kann vor allem jede Menge Tricks mit dem Fußball. Ich habe dazu eine Menge Fragen. Warum so unkreativ? Warum kein Mädchen? Was soll das? Sind nur einige. Dabei stimmt: Skillzy scheint mir ein „zeitgemäßes“ Maskottchen zu sein. Muss ich aber ja nicht gut finden.
Stattdessen bin ich stolz darauf, dass der 1. FC Köln mit Hennes einen echten Glücksbringer hat. Dass diese Funktion eher Folklore ist, dürfte beim sportlichen Abschneiden der vergangenen Jahre mehr als nur deutlich sein. Niemand glaubt also wirklich, dass Hennes da ist, um uns Glück zu bringen. Aber Hennes ist ein Symbol. Hennes steht eben nicht für die Skillzys dieser Zeit – und der Geißbock hat eine Strahlkraft weit über die Grenzen des Rheinlands, ja sogar weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. „He was a goat but we loved him“, schrieb Kollegen Arne Steinberg kürzlich in einem emotionsgeladenen Text zum Tod von Hennes XIII. für den englischen Guardian. Der Text erklärt vor allem, dass ein Tier wie unser Geißbock erdet. Keine Super League, keine noch krankeren Träume von FIFA, UEFA, DFB und Co. Einfach dem Geißbock beim Möhrenfuttern zusehen. Heimat. Stolz. Oder um es in Arnes Worten zu sagen: Hennes repräsentiert etwas, was mehr und mehr abnimmt, etwas, zu dem Fans einen Bezug haben und worauf sie stolz sein können. Lasst uns das.