Das Märchen vom bösen Brazzo und lieben Hansi | OneFootball

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·22. April 2021

Das Märchen vom bösen Brazzo und lieben Hansi

Artikelbild:Das Märchen vom bösen Brazzo und lieben Hansi

Es war einmal ein kleiner, lieber Fußballlehrer, den hatte alle lieb, die ihn nur ansahen, am allerliebsten aber hatten ihn die eigenen Fans …

Verdenken kann man es ihnen nicht. Führte sie eben dieser liebe Fußballlehrer namens Hans-Dieter Flick doch innerhalb eines kurzen Jahres von Bundesliga-Rang vier zum Sextuple-Sieg. Zunächst als Co-Trainer der Gebrüder Kovac, übernahm Flick den Rekordmeister am 4. November 2019 interimsweise. Es folgte Sieg um Sieg in Bundesliga und Champions League und der Vorstandsvorsitzende des Vereins machte Nägel mit Köpfen.


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Bayern München band seinen Cheftrainer Hansi Flick nach Anweisung von Karl-Heinz Rummenigge vertraglich bis 2023. Es regnete Titel und Rekorde und eigentlich hätte die Geschichte vom „lieben Hansi“ mit Flicks Wahl zum „Fußballtrainer des Jahres 2020“ auf spektakuläre Weise zu Ende gehen können. Doch was wäre ein gutes Märchen ohne bösen Antagonisten? Klassischerweise stammt dieser nicht aus dem gegnerischen Fanblock, sondern viel dramatischer aus den eigenen Reihen.

So kam es, dass die nach außen so happy-endig gestimmten Bayern intern so einige vergiftete Äpfel zu verdauen hatten. Der Übeltäter war zumindest aus Fansicht schnell gefunden: Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Unstimmigkeiten zwischen Flick und Brazzo, bezüglich der Transfer-Politik des FC Bayern, wurden im vergangenen Sommer publik. Da der „liebe Hansi“ zu diesem Zeitpunkt bereits unanfechtbar auf seinem selbst gezimmerten Thron des Erfolgs saß, konnte nur Salihamidzic für das aufziehende Gewitter verantwortlich sein.

Fans stehen hinter Flick, Hoeneß hinter Salihamidzic

Ebenso schnell wie die Rollenverteilung in „gut“ und „böse“, erfolgte auch die Spaltung der Lager. Während Flick vor allem in Fan- und Spielerkreisen große Wertschätzung erfuhr, gilt bis heute Ehrenpräsident Uli Hoeneß als starker Verfechter Salihamidzics.

Deja vu? Ein ähnliches Dilemma zwischen Trainer und Vorstand in Transferfragen führte bereits 2011 zur Entlassung des ersteren. Damals kam Luis van Gaal Hoeneß‘ Kaderplänen in die Quere und musste am Ende die Koffer packen. Die zahlenmäßige Überzahl der Unterstützer bedeutet beim FC Bayern historisch gesehen nicht viel, wenn der eigentliche „Big Boss“ einen Widersacher wittert.

Um weitere Konflikte zu vermeiden, entschied sich der „liebe Hansi“ nach wiederholten, öffentlichen Querelen in der laufenden Saison nun für den Abschied. Für die Fans eine charakterstarke, nachvollziehbare, aber völlig ungerechtfertigte Reaktion.

Denn: Am Ende jeden guten Märchens hat der böse Antagonist in die Tiefe zu stürzen – nicht der gefeierte Held. Und wenn, dann nur so halb, um in einer dramatischen Rettungsaktion in der letzten Minute doch noch vor dem sicheren Tod bewahrt zu werden.

Zwei Wölfe im Konflikt?

Mit dieser Dramaturgie im Hinterkopf, rückt Flicks radikale Entscheidung in ein gänzlich anderes Licht. Ist der Wunsch des Erfolgstrainers nach Vertragsauflösung nichts anderes als ein schlauer Schachzug, um den eigenen Tod vorzutäuschen und den „bösen Brazzo“ aus der Reserve zu locken? Steckt in Flick vielleicht der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz, dessen wahres Gesicht erst in Zeiten der Not zum Vorschein kommt, während sich Salihamidzic schlicht von Beginn an ohne Verkleidung präsentierte? Umkreisen sich beim FC Bayern in Wahrheit zwei sehr ähnliche Wölfe, von denen der eine nun endlich zum Angriff übergehen will?

Liebe Medien, warum habt ihr so große Kameras? Damit wir besser zwischen den Zeilen lesen können!

Flick weiß, dass er auch als „Wundertrainer“ des FC Bayern niemals finale Entscheidungen treffen wird. Sein stärkstes Ass im Ärmel ist daher die Öffentlichkeit, die geschlossen hinter ihm steht. Salihamidzic erfährt vor allem intern Unterstützung und dürfte sich auch von einer Fan-Petition gegen ihn nur bedingt aus der Ruhe bringen lassen.

So klar die Rollen von „gut“ und „böse“ in diesem Märchen nach außen verteilt sind, so ähnlich scheinen sich die Protagonisten zu sein. Anstatt zum Wohle des Vereins bis ans Ende ihrer Tage glücklich nebeneinander herzuleben, verlangt diese Geschichte nach einem Sieger. Ob es diesen wirklich geben kann oder sich die Wölfe am Ende nur gegenseitig verletzen, werden die nächsten Wochen zeigen.

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