Das große db24-Interview mit VR-Kandidat Ruhdorfer: "Der Fall Sitzberger steht stellvertretend für ein System" | OneFootball

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·15. Juni 2024

Das große db24-Interview mit VR-Kandidat Ruhdorfer: "Der Fall Sitzberger steht stellvertretend für ein System"

Artikelbild:Das große db24-Interview mit VR-Kandidat Ruhdorfer: "Der Fall Sitzberger steht stellvertretend für ein System"

VON OLIVER GRISS

Klaus Ruhdorfer (62) bewirbt sich zum zweiten Mal nach 2018 für den Verwaltungsrat der Löwen. Seinerzeit erlitt er mit dem "Team Profifußball" eine empfindliche 0:9-Niederlage. Besser geworden ist es bei 1860 München nicht, im Gegenteil: Die Situation ist verfahren wie nie. Deswegen steht Ruhdorfer noch einmal auf und stellt sich dem Bündnis zur Verfügung. Der Unternehmer ist für seine direkte Art bekannt, das ehrt ihn, vor allem in der heutigen Zeit, in der alles weichgespült ist. 1860 braucht Menschen mit Ecken und Kanten. Das db24-Interview:


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db24: Herr Ruhdorfer, haben Sie sich schon die Markenrechte an der Bezeichnung “Stadion-Clique”, das von Ihnen entworfen wurde und plötzlich in der Fanszene T-Shirts mit genau diesem Begriff verkauft werden, gesichert?

KLAUS RUHDORFER: Im Löwenumfeld werden die Leute von Pro1860 eher Stadion-Sekte genannt. Ich habe das in meinem SZ-Interview etwas milder formuliert - umgetauft in “Stadion-Clique”. In der Tat: Ich bin reich beschenkt worden, weil mein Ziel war ausschließlich, Pro1860 aus dem Versteck zu holen. Und das ist mir gelungen. Heute wird bayernweit darüber berichtet, dass Pro1860 mit seinen Verwaltungsräten und weiteren Mandatsträgern alle Positionen bei 1860 besetzt - seit sieben Jahren. Pro1860 hat seinen Unterstützern eines verschwiegen: Ja, wir müssen immer im Grünwalder Stadion spielen - und nein, wir können nie wieder Erste Liga spielen! Erst durch ein Interview von Verena Dietl kam heraus, dass es auch nach einem wohl 100-Mio € teuren Umbau keine Bundesliga-Lizenz für das Grünwalder geben wird. Und selbst eine Zweitliga-Lizenz wird für diesen Standort immer schwieriger.

db24: Warum wollen die Menschen das nicht einsehen?

Das ist eine Schwärmerei für ein Stadion! Ich weiß von einem ehemaligen Verantwortlichen, dass 1860 alle möglichen Vereine in Bayern abtelefoniert hat. Von allen kam eine Absage, falls wir aufsteigen sollten. Bereit wäre nur der FC Heidenheim gewesen. Das muss man sich mal vorstellen. Uns will keiner in seinem Stadion - nicht Augsburg, Ingolstadt, Regensburg, Nürnberg oder Unterhaching. So traurig ist das, 1860 ist heute ein Bittsteller.

db24: Zurück zu Pro1860. Eigentlich sollte der Name aussagen: Wir sind für die Löwen! Wir sind für 1860! Oder?.

Das möchte ich nicht kommentieren, aber vielleicht schaut man sich einfach die Bilanz an. Die Machthaber von Pro1860 sind seit sieben Jahren am Werk, inklusive Präsident Robert Reisinger. Und alle vier Aufgabenbereiche, die jeden Löwen-Fan interessieren, sieht die Bilanz sehr, sehr traurig aus. Ein Miteinander unter den Gesellschaftern ist absolut gescheitert, da wächst kein Gras mehr zwischen diesen beiden Seiten. Den Abteilungen wird seit sieben Jahren eine Turnhalle versprochen. Wir waren bei den Boxern - wir haben uns geschämt für 1860, unter welchen Umständen die trainieren müssen. Die üben in der Halle in der Auenstraße, die an den Aufbau nach dem 1. Weltkrieg erinnert. Dabei ist es unglaublich, welch wertvolle soziale Integration die Boxer leisten. Da werden junge Menschen von der Straße geholt. Die sind mit einer Leidenschaft dabei, das ist fantastisch. Es findet Gewaltprävention statt, es werden Aggressionen abgebaut. Und das alles unter dem Namen 1860. Wir wollen uns damit brüsten - und geben ihnen nichts. Bei 1860 ist es so, dass die amtierenden Machthabern diese Missstände generell anderen in die Schuhe schieben. Entweder ist in diesem Fall die Stadt München schuld oder Hasan Ismaik. Aber so einfach ist es. Pro1860 hat mit Sicherheit über fast zwei Jahrzehte eine großartige Strategie gefahren, aber das Ziel war immer ausschließlich das Grünwalder Stadion und den Verein unter Kontrolle zu bekommen - und viele sagen: 1860 darf nicht so groß werden, dass das Grünwalder Stadion in Gefahr gerät.

db24: Das sind schon harte Vorwürfe.

Naja, man kann das immer wieder bei den Satzungsanträgen lesen, welche 30, 40 Leute da immer unterschreiben. Das ist Pro1860 - und die Interessen sind inzwischen bayernweit bekannt. Es ist kein Zufall, wenn immer 1860 ans Tor zur Zweiten Liga geklopft hat, kam von irgend wo her ein neuer Streit. So wie vor zwei Jahren, als Michael Köllner kurz vor dem Aufstieg in die Zweite Liga war, wurde plötzlich ein T-Shirt-Streit vom Zaun gebrochen.

db24: Was ist Ihr Antrieb?

Wir müssen nach vorne schauen, wir müssen endlich die Blockade lösen.

db24: Witzigerweise reichen die Verwaltungsräte Nicolai Walch, Sebastian Seeböck und Sascha Königsberg in einem TZ-Interview vom Wochenende Hasan Ismaik jetzt die Hand.

Das ist ein Spiel! Das Verhältnis zwischen Hasan Ismaik und diesen Menschen, die ihn seit Jahren traktieren, ist zerrüttet. Nur wenn wir die Blockade lösen, können wir die großen Themen bei 1860 in Angriff nehmen.

db24: Es heißt vielerorts, man könne mit Robert Reisinger nicht sprechen, vor allem wenn man sich kritisch ihm gegenüber äußert. Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?

Ich konnte mit ihm vernünftig sprechen. Aber am Ende des Tages ist mit ihm ein Miteinander einfach nicht möglich. Vielleicht auch deswegen, weil von Seiten des Verwaltungsrates dies auch nicht gewollt ist.

db24: Musste Vize Hans Sitzberger deswegen gehen?

Den Fall Sitzberger habe ich live miterlebt, weil ich in diesem schweren Moment fast täglich mit dem Hans telefoniert habe. Man kann sich nicht vorstellen, wie er gemobbt wurde. Und vor allem, wie er darunter gelitten hat. Es fing mit der Causa Horst Heldt an. Es war ein Machtkampf im Präsidium. Er wurde ausgegrenzt, auf dem Handy blockiert. Auch der Verwaltungsrat hat sich mit 9:0 gegen Hans gestellt. Das ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten. Der Fall Sitzberger steht stellvertretend für ein System. Wenn man sich die letzten sieben Jahre anschaut: Irgendwann wurde gegen Daniel Bierofka, Michael Köllner oder Marc Pfeifer gearbeitet. Wer sich gegen dieses System stellt, bekommt ein Problem - wer sich zu eindeutig und zu laut positioniert.

db24: Wer ist der Nächste?Der Nächste ist, der sich für ein Gemeinsam mit Ismaik einsetzt und für sportlichen Erfolg ist. Ich bin stolz, dass Hans trotzdem weiter versucht, 1860 zu helfen. Nichts anderes hat er im Sinn, in dem er auch unser Bündnis unterstützt. Er weiß genau: Alles ist festgefahren, hier ist eine Clique am Werk, die sieben Jahre keinerlei Erfolge erzielt hat. Und nein, das Bambeoleo ist kein Erfolg, mit dem man sich brüsten sollte.

db24: Der e.V. sagt aber das Gegenteil, wirbt auch mit einem neuen Mitgliederrekord von 27.000 oder 10.000 Followern bei Instagram…

Uns Löwen-Fans interessiert doch in erster Linie, dass wir in Deutschland mal wieder wahrgenommen werden, dass wir in den echten Profifußball zurückkommen. Das muss das allererste Ziel sein. Ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass dies bei den aktuellen Machthabern im Verwaltungsrat das oberste Ziel war.

db24: Hat die MV Endspielcharakter?

In jedem Fall, es ist die letzte Chance! Ich kann das ganz offen hier zugeben: ich habe aktiv über zwei Monate hinweg versucht, Kandidaten für eine Opposition zu akquirieren. Ich war noch nicht beim Bündnis dabei, aber es war unglaublich. Ich habe mit über 25 Unternehmern aus der Wirtschaft, sogar ehemaligen Funktionären von 1860 telefoniert. Fast alle haben mir die selbe Antwort gegeben: “Um Gottes Willen: Das tun wir uns nicht an!” Deswegen meine klare Prognose: Wenn diese letzte Chance nicht genutzt wird, wird es auf die nächsten zehn Jahre bei 1860 keine echte Opposition mehr geben.

db24: Genau das wollen die ja….

Natürlich. Was ich sehr schade finde, dass die Ultras sich dafür einspannen lassen. Ich habe in den letzten Jahren auch einige Chefs der Ultras getroffen. Ich habe gelernt, dass man nicht alle Ultras in einen Topf werfen sollte. Es gibt viele Ultras, die wollen sportlichen Erfolg. Aber die haben sich aus der aktiven Arbeit ausgeklinkt. Sie stehen nach wie vor in der Kurve, aber die Kontrolle hat jetzt der politische Arm von Pro1860.

db24: Was heißt das?

Die Transparente, die immer wieder aufgezogen werden - dahinter steht nicht die ganze Kurve. Sondern dahinter steht der politische Teil.

db24: Wie groß ist dieser besagte Teil?

Ich denke, es gibt mit der Unterstützung von Pro1860 300 bis 400 Ultras und vielleicht 400 bis 500 Stadion-Idelogen. Zusammen sind das 800 bis 900 Leute.

db24: Heißt im Umkehrschluss: Auf der Wahl braucht man mindestens 1000 Leute, die 1860 wieder in eine andere Richtung lenken?

Das ist die Aufgabe! Ich verstehe jeden, der lieber zuhause EM schaut oder mit seiner Familie einen Ausflug macht. Aber morgen steigt wirklich das wichtigste Heimspiel für die nächsten Jahre. Denn sonst wird man auf Jahre hinaus Dritte Liga oder Vierte Liga spielen.

db24: Der e.V. würde Ihnen widersprechen und sagen: Was haben wir mit dem Profifußball zu tun?

Das ist doch eine Farce. Man weiß doch, dass in Deutschland 50+1 zählt. Man hat an den Maßnahmen mit den beiden Geschäftsführern sehr deutlich gesehen, dass der Verwaltungsrat, das Präsidium in die KGaA hinein regiert.

db24: Wie bei der sogenannten “4”…

Das System von Pro1860 ist, dass für Misserfolge grundsätzlich die anderen schuld sind. So waren es für den Doppelabstieg Hasan Ismaik inklusive Peter Cassalette. Irgendwann mangelt es an Glaubwürdigkeit, wenn immer die anderen schuld sind. Wie zu lesen war, hat ja auch Ex-Präsident Gerhard Mayrhofer eine deutliche Meinung zu Pro1860, aber das wird wieder schnell unter den Teppich gekehrt…

db24: Nach Ihrem jüngsten SZ-Interview, in dem Sie bereits das System krisitierten und ungleiche Bedingungen bei der MV kritisierten, haben Sie Post von Verwaltungsrat Nicolai Walch bekommen: Warum?

Ich habe am ersten Arbeitstag nach dem Interview eine Klageandrohung und Unterlassungserklärung von Nicolai Walch auf dem Tisch gehabt. Da kann man jetzt darüber denken wie man will, dass ein amtierender Verwaltungsrat einem Gegner von ihm eine Klage ins Haus schickt. Mein Ziel mit diesem Interview war, bayernweit bekannt zu machen, mit welchen Methoden bei 1860 gearbeitet wird. Und mein zweites Ziel war, dass bei der MV diesmal wirklich alles für einen fair, demokratischen Ablauf getan wird. Hierzu gab es in den letzten Tagen einen sehr konstruktiven Austausch mit dem Wahlausschuss.

Wichtig ist, dass es eine Mehrheit im Verwaltungsrat für Kandidaten gibt, die ein starkes Sechzig wollen. Bei den sieben Kandidaten des Bündnisses hat man die Garantie, dass wir uns genau dafür einsetzen. Unseren Matchplan kann man gut nachlesen. Wir können jetzt einen Befreiungsschlag landen! Und was ich auch sagen will: Wir liefern uns nicht Hasan Ismaik aus, wir haben unser eigenes Netzwerk in die Wirtschaft. Doch alles ist viel leichter, wenn alle an einem Strang ziehen.

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