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Annika Becker·2. August 2024
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Annika Becker·2. August 2024
Deutschland hat sich mit zwei Siegen gegen Australien und Sambia und einer Niederlage gegen die USA für das Viertelfinale des olympischen Fußballturniers der Frauen gegen Kanada qualifiziert (Samstag, 19 Uhr). Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Gruppenphase der DFB-Frauen ziehen?
Die DFB-Frauen waren in den Monaten nach dem frühen Aus bei der WM 2023 eine Wundertüte, mal startete das Team gut in eine Partie, häufiger aber brauchte es nach einer schwachen ersten Hälfte Anpassungen von der Bank. Und auch von Spiel zu Spiel gab es Ausschläge nach oben und nach unten. Die große Verunsicherung vom letzten Sommer ist aktuell nicht mehr zu spüren, aber auch bei den Olympischen Spielen zeigte Deutschland zwei Gesichter.
Der Auftakt gegen ein schlecht aufspielendes Australien war sehr souverän von der ersten bis zur letzten Minute. Gegen die USA, laut Hrubesch zusammen mit Spanien die einzigen echten Favoritinnen auf Gold, war einerseits ein deutlicher Qualitätsunterschied zu sehen. Deutschland machte unabhängig davon aber auch kein gutes Spiel.
Gegen Sambia waren es dann zwei unterschiedliche Halbzeiten: In der ersten waren die DFB-Frauen nicht fehlerlos, aber trotzdem souverän, in der zweiten Hälfte gab es dann enorm viele Ungenauigkeiten im Passspiel, die andere Gegnerinnen vermutlich viel besser hätten ausnutzen können.
Vor dem Turnier drehte sich alles um die Verletzung von Lena Oberdorf und wie dieser Ausfall kurzfristig ersetzt werden könnte. Klar ist, dass das Mittelfeld mit Oberdorf statt Popp noch eine Ecke besser aussehen würde und es in der Spitze dafür eine weitere Wechseloption für Lea Schüller gäbe. Aber Janina Minge, die erst durch diese Verletzung in den Kader aufrückte, spielt bisher ein starkes Turnier.
Auch sie ist vor den oben genannten Schwankungen nicht gefeit, verteidigt aber sehr umsichtig und spielt immer wieder sehr gute Pässe auf ihre Vorderfrauen. Sjoeke Nüsken ist inzwischen auch richtig gut im Turnier, gegen Sambia gelangen ihr eine direkte und zwei Tor-Vorlagen. Und Jule Brand untermauert ihre starke Bundesliga-Rückrunde mit viel Bereitschaft für Zweikämpfe, vielen Balleroberungen, Vorstößen und Eins-gegen-Eins-Situationen.
Neu ist diese Erkenntnis nicht, wurde aber durch das Spiel gegen die USA noch einmal deutlich unterstrichen. Auch die USA spielen nicht perfekt und haben ihren Neuanfang unter Emma Hayes gerade eben erst begonnen. Die traditionell sehr athletischen Amerikanerinnen wissen ihre körperlichen Vorteile und ihre Schnelligkeit aber gut ausnutzen. Oder wie Alexandra Popp nach dem Spiel sagte: "Inzwischen können sie auch gut Fußball spielen."
Körperliche Nachteile lassen sich durch cleveres taktisches Verhalten und eine gute Technik ausgleichen, wie das gehen kann, zeigen zum Beispiel die Spanierinnen. Deutschlands Auftritt war aber zu ungenau, bei eigenem Ballbesitz und widersprüchlich gegen den Ball. Einerseits versuchte das Team sicher zu stehen, andererseits sagte Hrubesch, man habe verhindern wollen, dass es überhaupt erst zu den langen Bällen auf die schnelle Trinity Rodman kommen kann. Dafür wäre Druck aus dem Mittelfeld und von der Offensive auf Mittelfeld und Abwehr der USA nötig gewesen.
Das passierte aber zu selten – und wenn es das gab, rückte der hintere Teil des DFB-Teams nicht mit auf und ließ dadurch einen großen offenen Raum im Mittelfeld entstehen. Dadurch wiederum mussten dann Felicitas Rauch und Giulia Gwinn viel zu häufig in äußerst ungleiche direkte Duelle. Die DFB-Frauen müssen sich aktuell sehr anstrengen, um Gegnerinnen auf Augenhöhe zu schlagen. Gegen Teams aus einer höheren Kategorie fehlt aktuell offenbar zu viel.
Gegen Sambia konnte Marina Hegering kurzfristig nicht mitwirken und im Spiel musste dann auch Kathrin Hendrich früh ausgewechselt werden. Sara Doorsoun und Bibiane Schulze Solano waren aber gegen die zwei teuersten Stürmerinnen der Welt auf den Punkt da. Nach ihren Einwechslungen ebenfalls positiv auffällig war Elisa Senß, die gegen Sambia außerdem das vielleicht schönste Tor Deutschlands beim bisherigen Turnier erzielte. Sydney Lohmann und Vivien Endemann bringen außerdem die manchmal arg benötigte Direktheit mit auf den Platz.
Auch das ist nicht neu, sondern etwas, das sich schon seit längerer Zeit durchzieht und bei den Olympischen Spielen nur nochmal überdeutlich wird. Sogar gegen Australien und Sambia gab es teilweise haarsträubende Fehlpässe oder solche, die zumindest sehr wehtun.
Wenn nach einer Balleroberung Deutschlands in den Vorwärtsgang geschaltet wird, kostet es bei anhaltenden 35 Grad in Frankreich besonders viel Energie, wenn ein einfacher Pass ohne viel Bedrängnis so gespielt wird, dass alle sich wieder zurück orientieren müssen.
Passgenauigkeit, Passschärfe und auch das dazugehörige Positionsspiel, um sich freizulaufen, gehören für die Zeit nach den Olympischen Spielen unter dem dann neuen Nationaltrainer Christian Wück auf den Plan.