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Max von Stuckrad-Barre·8. Februar 2022
Da kann Süle noch was lernen: Kontroverse Buli-Wechsel der letzten Jahre

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Max von Stuckrad-Barre·8. Februar 2022
Ein Transfer vom FC Bayern zum BVB und das auch noch ablösefrei. Mehr braucht es eigentlich nicht, um die Gemüter zu erhitzen.
Doch Niklas Süle hat das kontroverse Wechseln freilich nicht erfunden und bei seinem Arbeitgeberwechsel auch einige Möglichkeiten ausgelassen. In unserem Crashkurs ‚Kontrovers Wechseln für Anfänger‘ zeigen Dir einige Wechselprofis der letzten Jahre, wie es richtig geht.
Das Einsteigermodell. Eine solide Wechselkontroverse kann schon dadurch herbeigeführt werden, dass dem ehemaligen Arbeitgeber eine Ablösesumme entgeht. Soweit hat Niklas Süle also alles richtig gemacht. Es wäre jedoch durchaus empfehlenswert gewesen, einen etwas höheren Marktwert zu haben. Besser machte es 2014 Robert Lewandowski.
Der damals 25-Jährige war zum Zeitpunkt seines Nulltariftransfers von Dortmund nach München schon beachtliche 50 Millionen Euro wert, die dem BVB damit mindestens durch die Lappen gingen. Süle wird von ‚transfermarkt.de‘ derzeit mit vergleichsweise mickrigen 35 Millionen Euro gelistet. Für einen richtig kontroversen Transfer zu wenig.
Für die Ungeduldigen unter den kontrovers Wechselwilligen gibt es selbstverständlich auch eine Lösung. Dafür benötigt man lediglich eine deutlich unter dem eigenen Marktwert liegende Ausstiegsklausel, die ein direkter Ligakonkurrent zu einem möglichst ungünstigen Zeitpunkt zieht.
Wenn man dem ehemaligen Arbeitgeber dann in der Folge noch mehr wehtun möchte, kann es hilfreich sein, ein Jahr nach dem Wechsel die deutsche Nationalmannschaft zum WM-Titel zu schießen, um Jogi Löw zu beweisen, dass man besser ist als Lionel Messi.
Eine Protestaktion gegen den geplanten Transfer ist natürlich wahres Wechselkontroversen-Gold. Allerdings hatte Manuel Neuer damit 2011 auch ein wenig Glück. Zudem muss man für eine solch eindrucksvolle Wechselkontroversen-Variante zumindest ein wenig polarisieren. Also auch eine Typfrage.
Und dazu zweifellos keine einfache Sache. Zwar sieht das Ganze im Fernsehen toll aus, dennoch kommt nicht jeder damit zurecht, im Stadion von fremdsprachigen Schildern beleidigt zu werden.
Dieser bodenständigste aller Aufregertransfers lässt Arbeitnehmerherzen höher schlagen. Wer wie Hakan Çalhanoğlu 2014 vor seinem Transfer von Hamburg nach Leverkusen eine lupenreine Wechselkontroverse durch Abwesenheit erzeugen will, braucht lediglich ein gemütliches Sofa und die Krankmeldung eines Arztes.
Der größte Vorteil: Man bekommt auf Netflix richtig was weggeschafft. Aber Achtung: Nach Vollzug des Transfers gilt es unbedingt, sofort wieder putzmunter beim Training des neuen Klubs zu erscheinen.
Eine saubere Wechselkontroverse ist immer auch eine Frage des Timings. Mit wenig Aufwand lässt sich eine nicht unerhebliche Aufregung um einen eigentlich gar nicht so spektakulären Transfer herbeizaubern, wenn man genau dann wechselt, wenn es gerade so gar nicht in die Stimmung passt. Zum Beispiel so, wie Franco Di Santo 2015 am Bremer „Tag der Fans“.
Super Tipp von Di Santo: Am besten läuft das Ganze, wenn man am Tag des Wechsels noch Trikots mit dem eigenen Flock an ahnungslose Anhänger verkauft und dann einfach zu Schalke abhaut.
Die Wechselkontroverse für Nihilisten. Was bedeutet schon gemeinsamer Erfolg oder eine Champions-League-Teilnahme? Loyalität gibt es genauso wenig wie objektive Wahrheit.
Das wissen nur all die naiven Fußballjournalisten nicht und schenken Dir eine von schockierter Verständnislosigkeit getragene Lehrbuchkontroverse, wenn Du, trotz internationalen Ambitionen mit Union Berlin, für ein bisschen mehr Geld zu Wolfsburg in den Abstiegskampf wechselst.
Kontrovers Wechseln geht auch ganz subtil. Adi Hütter ist ein bescheidener Typ und ganz bestimmt keiner, der seinen Transferskandal an die große Glocke hängt. Das muss aber auch gar nicht sein.
Man kann auch schlicht im Fernsehen sagen, dass man bleibt, nett lächeln und dann einfach trotzdem wechseln. Going in Style.
Effektiv, aber kostspielig! Für die Paradiesvögel unter den Wechselskandalnudeln gibt es das Julian-Draxler-2013-dumm-gelaufen-Premium-Package. Die Idee dahinter ist so einfach wie genial.
Im ersten Schritt lässt man zahlreiche Laster durch die Stadt fahren, die die eigene Vetragsverlängerung verkünden, als sei der Heiland geboren. Danach muss man nur noch nach Wolfsburg wechseln, als sei das alles nie geschehen und zack: Bilderbuchkontroverse!
Nur für Vollprofis. Um eine Wechselkontroverse à la Michaël Cuisance überzeugend über die Bühne zu bringen, braucht es nicht allein eine Andeutung von Talent, die eine Karriere als Rotationsspieler bei Borussia Mönchengladbach möglich erscheinen lässt.
Essenziell ist es auch, die Unverfrorenheit zu besitzen, nach einer Hand voll überzeugender Bundesligaspiele einen Stammplatz einzufordern, diesen nicht zu bekommen und daraufhin gegen jeden gesunden Menschenverstand zum FC Bayern zu wechseln. Den anschließenden endgültigen Karriereknick bei einem italienischen Abstiegskandidaten nicht vergessen!